Bodenschutz: Ja! Natürlich verärgert Kompost-Bauern
Ja! Natürlich-Geschäftsführerin Martina Hörmer will für die Bio-Eigenmarke des Handelskonzern Rewe neuerdings auch das Thema Bodengesundheit vermehrt ins Bewusstsein der Konsumenten rücken. Ihre Ansage „Ja! Natürlich übernimmt ab sofort die Rolle des „Botschafters für gesunden Boden“ in Österreich hat indes konventionell wirtschaftende Bauern verärgert. Einer davon kontert nun in einem „offenen Brief“ und kritisiert die „undifferenzierte Diffamierung.“
„Ohne Regenwürmer kein gesunder Boden und keine hochwertigen Lebensmittel.“ Mit dieser Botschaft tritt die Bio-Handelsmarkenfirma neuerdings für mehr Bodengesundheit in Österreich auf, zuletzt beim ersten großen Bio-Feldtag in Österreich dieser Tage im Burgenland. Die intensive konventionelle Landwirtschaft setze durch Pestizideinsatz die Bodengesundheit aufs Spiel, lautet die Begründung. „Durch Pesitzideinsatz werden Milliarden nützlicher Mikro-Organismen zerstört“, erklärte Hörmer etwa gegenüber der Kronenzeitung. Und das bedrohe auch „Held des Bodens“, den Regenwurm.
Eine repräsentative Umfrage des Market-Instituts im Auftrag von Ja! Natürlich habe ergeben, dass nur vier von zehn Österreichern die große Bedrohung der Lebensmittelqualität durch unfruchtbare Böden bewusst sei. „Ohne Boden keine Nahrung, ohne Nahrung kein Leben. Wollen wir aufzeigen und aufklären, was der Boden braucht, um immer wieder Gutes hervorzubringen. Besser Kompost mit Regenwürmern statt Kunstdünger oder chemisch-synthetische Spritzmittel. Wo es doch in der Natur gegen jeden Schädling einen Nützling gibt“, so Martina Hörmer.
In Kooperation mit Experten der Universität für Bodenkultur und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau in Österreich, kurz FiBL will Ja! Natürlich in den kommenden Monaten die Bedeutung gesunder Böden thematisieren. Dazu Andreas Kranzler von FiBL Österreich: „Unsere Studien zeigen, dass die Anzahl an kleinsten Bodenlebewesen auf Bio-Äckern im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft deutlich höher ist.“
Dem Waldviertler Landwirt Franz Winkelhofer aus Rodingersdorf geht diese aus seiner Sicht zu plakative Vereinnahmung des Themas durch die Bio-Handelsfirma indes zu weit. Er hat nun einen „Offenen Brief“ an Ja! Natürlich wie auch an die Kronenzeitung geschrieben.
Nachfolgend ein Auszug aus dem Schreiben, dass in voller Länge auch auf der Homepage des konventionell wirtschaftenden Landwirtes, der seit 25 Jahren auf seinem Betrieb auch Kompost produziert und sich voll dem Thema Humusbilanz und Humusaufbau verschrieben hat, eingesehen werden kann.
„Zuerst möchte ich mich im Sinne unseres Bodens für die Aufmerksamkeit bedanken, die Sie ihm zukommen lassen und die er sich auch redlich verdient. Wir verlieren in Österreich jährlich etwa 7 Tonnen Erde pro Hektar, in den Stauräumen der Donau werden jährlich 750.000 Tonnen Erde abgelagert. Für den Erosionsschutz gibt es drei wesentliche Faktoren: ein gesundes Bodenleben, ausreichend ‚Futter‘ für dieses und eine möglichst ganzjährig bewachsene Bodenoberfläche und Verwurzelung. Da wir Landwirte aber neben dem Erosionsschutz auch noch andere Ziele haben, zum Beispiel die bestmögliche Etablierung der Kulturpflanze und damit die Produktion von hochwertigen Nahrungsmitteln, muss man Maßnahmen ergreifen, die das Bodenleben stören. Dazu gehören neben Pflanzenschutzmitteln auch alle Formen der Bodenbearbeitung.
Jeder Eingriff in den Boden stört Humusverbindungen, tötet Bodenleben, kann aber bei einem richtig gewählten Zeitpunkt und der richtigen Maßnahme zu neuem Leben führen. Dies gilt sowohl für den konventionellen als auch für den biologisch wirtschaftenden Betrieb. Vor allem biologisch wirtschaftende Betriebe brauchen dabei ein noch höheres Bewusstsein, da dort jede Regulierung von Begleitpflanzen einen Eingriff in den Boden erfordert. Es gibt zahlreiche konventionelle und biologisch wirtschaftende Betriebe, die diesen Spagat zwischen Bodenschutz und Pflanzenschutz gut oder sehr gut schaffen, es gibt aber unabhängig von konventionell oder biologisch auch zahlreiche Betriebe, bei denen hier noch keine Bewusstseinsbildung erfolgt ist.“
Harsch reagiert Winkelhofer auf die geplante Vereinnahmung des Themas durch die Bio-Eigenmarke: „Ich halte das Thema des Bodenschutzes für viel zu wertvoll, als dass es für die Vermarktung einer Produktlinie missbraucht wird. Vor allem, wenn diese Werbelinie auf Kosten von mehr als drei Viertel aller Betriebe in Österreich geht, von denen viele einen wesentlichen Beitrag zum Thema Kohlenstoffbindung und Erosionsschutz leisten. Eine Werbelinie, die derart gezielt auf undifferenzierte Diffamierung eines Großteils der Betriebe abzielt, hilft einer Marke, nicht dem Bodenschutz.“
Dennoch endet das Schreiben mit versöhnlichem Ton: „Ihnen hiermit an, unseren Betrieb zur weiterführenden Recherche zu besuchen, um ein differenzierteres Bild vom Thema Bodenleben und Bodenschutz im konventionellen Landbau zu erhalten und würde mich über eine ausgedehnte Berichterstattung mit dem Boden und wie wir ihn verbessern können freuen.“
Internet: www.janatuerliche.at ; www.franzwinkelhofer.at