Wenn Wolodimir beim Spargel fehlt
Jammern die Spargelbauern nicht eh immer?
Die Corona-Krise erwischt die Landwirte mit Gemüse und ähnlichen Kulturen besonders hart, weil genügend Arbeitskräfte weder aus dem Inland noch aus dem Ausland zur Verfügung stehen. ALOIS BURGSTALLER unterhielt sich mit Betroffenen und berichtet von seinen Eindrücken.
Wider Erwarten hebt sofort jemand ab. Am anderen Ende der Leitung – ja es gibt sie noch, die Festnetztelefonie – begrüßt mich der zufällig angewählte Weinviertler Spargelbauer Strobl aus Großebersdorf. Wider Erwarten – nach allem was zu lesen und zu sehen war in jüngster Zeit in den Medien – klingt die Stimme ganz ohne Hektik. Es ist Ende April. Die Saison für die Gemüsebauern kommt jetzt so richtig auf Touren. Sollte ich besser schreiben: käme auf Touren? Megathema: Mangel an Arbeitskräften
Strobls Betrieb liegt nahe bei Wien und – so verrät seine Homepage – in der Wiege des Weinviertler Spargelanbaues. Seit 100 Jahren kultiviert die Familie das Stangengemüse schon. Viele werden jetzt wahrscheinlich sagen: Gunstlage! Günstig für Ab-Hof-Vermarktung und für gastronomische Großabnehmer. Ja, die betuchten Großstädter, die immer mehr Gemüse essen und auch den Preis für Bio-Gemüse locker wegstecken, kann eben nicht jeder Bauer vor der Tür haben. Strobls erkannten das Glück ihrer Lage, stellten den gesamten Betrieb 2002 auf Bio um und richteten einen Hofladen für ihre Produkte ein.
Strobls ruhige Stimmungslage hat mit einem Umstand zu tun, der für viele Gemüsebauern nachgerade himmlisch erscheint. Vielen zerreißt es gerade das Herz, wenn Sie an ihre Kulturen und Felder denken. Strobl hat, unter kräftiger Mithilfe des Glücks und durch rasches Handeln, so sagt er am Telefon, was viele gerne hätten: er hat alle seine Arbeiter, die er haben wollte. Obwohl sie alle aus Rumänien kommen, haben sie es rechtzeitig zu ihm ins Weinviertel geschafft. Er benötigt 10 – 12 Arbeiter in der Spargelsaison. Sie konnten alle mit ihren Autos unter Vorlage eines Gesundheitszeugnisses und der Arbeitsbewilligung noch einreisen.
Spektakulärer ging der Arbeitertransfer weiter im Westen ab. Die Tiroler Gemüsebauern charterten für 120 ihrer Saisoniers einen Laudamotion-Flieger von Klausenburg nach Innsbruck, packten sie in erst in zwei Reisebusse und teilten sie dann in Kleinbussen den Betrieben zu. Nach Informationen aus Tirol sind für diesen Transfer keine öffentlichen Gelder geflossen. Glücklich sind die Tiroler Bauern überhaupt nicht mit dieser Lösung, haben sie doch einen Bedarf von insgesamt 800 Arbeitskräften. Die Lücke muss demnach mit Aushilfskräften aus der Umgebung verkleinert werden. Ein zweiter Flug mit 138 rumänischen „Schlüsselarbeitskräften“ – allesamt erfahrene Arbeiter und Partieführer – versorgte die niederösterreichischen Bauern. Trotzdem fehlen auch dort noch 700 Helfer, betont Josef Keferböck von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich. Es werden also noch einige Flugzeuge landen müssen, um die Corona-Lücken zu füllen. Jeder Helfer wird noch am Flughafen getestet. Wer gesund ist, darf raus auf´s Feld.
Auch die 17 Spargelbauern in Oberösterreich klagen noch über unbesetzte Arbeitsplätze. Während ihre Konkurrenten im Osten Österreichs auf eine Grenzgängerregelung bauen konnten, sind die Eferdinger Bauern auf das Drittstaatskontingent angewiesen. Die Arbeiter kommen aus der Ukraine und aus dem Kosovo, also Nicht-EU-Bürger. Schon länger sehen sich die oberösterreichischen Gemüsebauern bei der Zuteilung benachteiligt, wie Stefan Hamedinger, Geschäftsführer der Sparte Gemüsebau in der Landwirtschaftskammer Oberösterreich betont. Ende April fehlen immer noch 2000 Helfer. Eigentlich ist der Engpaß bei den Saisoniers nicht nur Corona bedingt.
Es hakt schon länger. Schuld ist der mächtige Konkurrent Deutschland. Immer mehr Erntearbeiter zieht es dorthin, sagt Hamedinger. Die vormalige schwarzblaue Bundesregierung konnte es den ausländischen Arbeitskräften nicht schwer genug machen. Anders die Regierung Merkel. Wer in Deutschland 70 Tage arbeitet, bekommt ein Zwei-Jahresvisum. Auch der Familiennachzug wird durch eine Anstellung erleichtert. Bei den Lohnnebenkosten legen die heimische Gemüsebauern um 3 € pro Stunde mehr aus als die Bayern beispielsweise. Bei 800 Arbeitsstunden summiert sich das auf 2400 € Kostenunterschied, die im Produktpreis schwer unterzubringen sind.
Der Markt ist hart umkämpft. Mal kommt der Spargel aus Chile, mal aus Peru. Meistens aus Spanien, Italien, Ungarn und Deutschland. Die Löhne so zu erhöhen, dass auch osterreichische Arbeitskräfte sich angesprochen fühlen, lassen die offenen Grenzen und die Spargelpreise nicht zu.
Patriotisch einkaufen hat auch seine Preis-Grenzen. 50 Prozent der Inlandsnachfrage wird aus dem Ausland abgedeckt. Strengere Arbeitszeitauflagen und höhere Lohnkosten würden bei offenen Grenzen zu weiteren Marktanteilsverlusten führen. Vor allem kann man nicht strengere Arbeitszeitregelungen durchsetzen wollen und zugleich das Drittstaatskontingent knapp halten. Dann geht das erneut zulasten der heimischen Anbauflächen. Es sind nicht nur die deutschen Löhne, die hemmend auf den Anbau wirken, es sind auch die laufend sich ändernden Vorschriften, sagt der Spargelanbauer in die TV-Kamera. Oft wissen die Bauern erst im Frühjahr, mit wie vielen Arbeitskräften sie rechnen können. Besser wäre es, schon im Herbst die Zahl der Helfe zu kennen. Aber die Saisonniers sind ein Faustpfand in der heimischen Arbeitsmarktpolitik. Ärgerlich für die Gemüsebauern, schade um die heimische Wertschöpfung, schade für die Konsumenten.
Wen wundert´s, dass die Saisoniers, wenn sie schon den weiten Weg auf sich genommen haben, nicht unbedingt möglichst viel Freizeit haben, sondern möglichst viel Geld nach Hause bringen wollen. Wen wunderts, dass die Arbeiter am liebsten den kürzesten Weg zur Arbeit haben wollen, statt den kürzesten Anschluss zu Freizeiteinrichtungen. Erntearbeiten stehen immer unter Zeitdruck der optimalen Reife. Rigide Arbeitszeitauflagen kommen erschwerend hinzu. Der Verdacht drängt sich auf, dass die moralische Empörung über niedrige Löhne und ungewöhnliche Arbeitsbedingungen vom Zulauf zu diesen Jobs und vom Stammpersonal entkräftet wird. Das Geld, das die Erntehelfer nach Hause bringen, hilft, deren Volkswirtschaften nach vorne zu bringen. Möge die Wirtschaftslage in ihren Herkunftsländern sich so bessern, dass ihre heimatlichen Löhne sie nicht mehr dazu zwingen, ihre Familien auf lange Zeit zurückzulassen.
Strobl macht die Trockenheit Sorgen. Beregnung gibt´s bei ihm keine. Kann sein, dass er heuer zu wenig Spargel für zu viele Helfer hat. „Wenig Wasser belohnt der Spargel mit mehr Geschmack!“, merk ich mir. Die Entlohnung pro Helfer beträgt jedenfalls 8 € in der Stunde auf die Hand. Die Unterkunft stellt Strobl selbst zur Verfügung. Der Andrang um Arbeitskräfte ist groß, vor allem Weinbaubetriebe sind an seinen Arbeitskräften interessiert. Seine Stamm-Arbeitskräfte kommen schon seit 12 Jahren.
Fam. Strobl bewirtschaftet den Biobetrieb mit Selbstbedienungs-Hofladen mit 170 ha Ackerbau und 8,3 ha Wein und 3,9 ha Spargel und 0,6 ha Obstbau und 0,6 ha Erdäpfel.