Ombudsstelle gegen unfaire Handelspraktiken soll kommen
Die 65. Wintertagung des Ökosozialen Forums wurde in traditioneller Weise mit dem Fachtag für Agrarpolitik eröffnet. Unter dem Motto „Von Milchseen zur Butterknappheit. Was kommt als Nächstes?“ skizzierten Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger und der Präsident des Ökosozialen Forums, Stephan Pernkopf, mögliche Weichenstellungen für die Zukunft der heimischen Landwirtschaft. Österreich könne im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes in der zweiten Jahreshälfte hier wichtige Akzente setzen.
Pernkopf forderte für die Zukunft eine „regionale Akkupunktur“, um die Kaufverlässlichkeit in der Region zu garantieren. „Das sensible Agrarsystem ist keine On-Off-Produktion, die beliebig oft gestoppt und angeworfen werden kann. Versorgungsicherheit heißt Verlässlichkeit zwischen den Handelspartnern und Konsumenten“, betonte Pernkopf. Dazu müsse auch die Digitalisierung mit schnellem Internet und flächendeckendem Handynetz, das bis zum „letzten Acker“ reicht, ausgebaut sowie den Konsumenten weiterhin höchste Produktionsstandards geboten werden. „Wir sollten der Landwirtschaft wieder mehr Deutungshoheit zukommen lassen, denn wir können stolz darauf sein, was wir zu bieten haben. Es gilt, die heimische Landwirtschaft realitätsnahe darzustellen und nicht von anderen darstellen zu lassen“, so Pernkopf, der folgende zwei Prinzipien für die Zukunft hervorstrich: „Erstens das Prinzip ‚ermöglichen statt verhindern‘. Wir müssen motivieren und das schaffen, was die Wirtschaft belebt. Mit der Anwendung der strengsten Regeln auch auf die kleinen Betriebe muss Schluss sein“, strich der Präsident des Ökosozialen Forums hervor. Mit dem zweiten Prinzip „Österreichs Idee basiert auf Freiheit mit großer Eigenverantwortung“ gelte es, zu einfacheren Ansätzen zurückzukehren und „mehr Vertrauen statt Kontrollwahn“ voranzustellen.
Für Köstinger ist ein künftiger „großer strategischer Rahmen“ entscheidend, um in Österreich die ländlichen Regionen zu stärken und die nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. „Im Bereich der bäuerlichen Lebensmittelproduktion müssen wir in Zukunft noch viel stärker den Schwerpunkt auf Regionalität und Nachvollziehbarkeit legen, was für die heimischen Bauern mehr Wertschöpfung und Wertschätzung bedeutet.“ Eine wesentliche Rolle sieht hier die Ministerin ganz klar im Bereich des Exports. „Der Trend hin zur Top-Qualität findet sowohl auf dem Heimmarkt als auch auf den internationalen Märkten absoluten Niederschlag. Wir müssen deshalb in Zukunft noch stärker auf Qualität setzen, um mit dem Besten zu konkurrieren und nicht mit dem Billigsten. Die Ausrichtung der heimischen bäuerlichen Produkte auf Top-Qualität und GVO-Freiheit war in der Vergangenheit ein wichtiger Schritt. Nichtsdestotrotz braucht höchste Qualität faire Preise und vor allem solche, von denen man leben kann“, betonte Köstinger.
Gleichzeitig sprach sich die Bundesministerin für transparente Handelsabkommen aus, auch wenn der europäische Markt nicht dem Freihandel überlassen werden dürfe. „Während wir ein Handelsabkommen mit Japan sehr positiv betrachten, ist bei einem Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Vorsicht geboten. Wir dürfen die EU-Agrarproduktion nicht für den Export von Industriegütern und Wirtschaftsleistungen preisgeben. Hier vermisse ich das Engagement von NGOs sehr. Wir werden auf europäischer Ebene eine klare und laute Stimme gegen dieses Handelsabkommen abgeben“, kündigte Köstinger an.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt von Köstinger ist die verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln. So soll die Debatte über die Kennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung sowie der Paradigmenwechsel vom Billigst- hin zum Bestbieterprinzip fortgesetzt werden. Mehr Transparenz wird künftig auch bei den Angaben von Eigenmarken angestrebt. „Sehr aktiv“ müsse sich der Landwirtschaftssektor auch hinsichtlich unlauterer Geschäftspraktiken einbringen. „Es kann in Zukunft nicht mehr sein, dass einseitige Vertragsabänderungen vorgenommen werden können, sich die Bauern an Werbemaßnahmen beteiligen oder Listungsgebühren zahlen müssen. Dem müssen wir entschlossen und selbstbewusst entgegentreten. Auch wenn es einem Kampf von David gegen Goliath gleicht, scheue ich mich nicht, für mehr Fairness für die landwirtschaftlichen Betriebe einzutreten“, unterstrich die Ressortchefin und kündigte dazu auch eine Art Ombudsstelle für anonyme Beschwerden an. „Die Landwirte sollen hier unbürokratisch und anonym solche Fälle melden können.“
In der Diskussion um den künftigen mehrjährigen Finanzrahmen stellte die Ministerin klar, dass es keine Kürzungen im Agrarbereich geben dürfe. „Die Argumente sind mit GVO-Freiheit sowie höheren Tierschutz- und Sozialstandards auf unserer Seite. Wenn die Leistungen der Bauern mehr werden sollen, müssen diese auch abgegolten werden. Allerdings fördern wir in der EU auch Strukturen, die wir so nicht fördern müssten. Wir haben Länder im Osten der EU, die nach wie vor Nettoempfänger sind, aber im Jahr 2018 noch immer Eier in Käfighaltung produzieren, und das ohne Sanktionen“, monierte Köstinger. „Das ist keine Diskussion um arm oder reich, sondern hier geht es um den gemeinsamen Binnenmarkt. Dort, wo Geld gerechtfertigt ist, soll es auch hinkommen. Der Brexit ist eine Chance, Systeme effizienter aufzustellen. Ich stehe hinter Kontrollen, aber nicht alles, was wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, dient der Lebensmittelsicherheit.“
Die Capping-Diskussion müsse auf europäischer Ebene geführt werden. „Unsere bäuerlichen Familienbetreibe konkurrieren mit Agrarmaschinerien von Ost und West und das gilt es in Gleichklang zu bringen. Wir müssen im Zuge dieser Agrarreform mehr über Degression reden“, erklärte Köstinger.