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Wintertagung: Verunsicherung ums Geld prägt GAP-Vorschau

Den Auftakt zur 64. Wintertagung des Ökosozialen Forums machte in bewährter Tradition der Agrarpolitik-Tag. Im 30. Gründungsjahr der Ökosozialen Marktwirtschaft ist die Stärkung der bäuerlichen österreichischen Familienbetriebe in einer zunehmend global verschränkten Welt wichtiger denn je. Demnach formulierte Stephan Pernkopf, der Präsident des Ökosozialen Forums Österreich, fünf Thesen zu einer zukünftigen ökosozialen Landwirtschaft, darunter die Erhaltung einer vielfältigen Landwirtschaft sowie die Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe. Bundesminister Andrä Rupprechter arbeitet an einem Masterplan für den ländlichen Raum, dessen Herausforderungen, Chancen und Möglichkeiten viel mehr in den Mittelpunkt gerückt werden sollen. EU-Agrarkommissar Phil Hogan sprach sich für eine Gemeinsame Agrarpolitik aus, die auch künftig die ländlichen Regionen fördert und die Präsidentin des Ökosozialen Forums Europa und EU-Abgeordnete, Elisabeth Köstinger, forderte ein klares Bekenntnis zu Regionalität und heimischer Landwirtschaft gemäß dem Motto „small is beautiful“.

„Die EU-Kommission fördert eine wirtschaftlich, umweltverträgliche Landwirtschaft und möchte, dass die Bauern Teil der Lösung sind. Die Leistungen der Landwirte im Dienste der Nachhaltigkeit müssen abgegolten werden. Wenn wir die Bauern für die Klimapolitik brauchen, dann muss dafür auch etwas bezahlt werden“, betonte EU-Kommissar Hogan mit Verweis auf die beginnenden Reformgespräche zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie zum Mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020.

Geht es nach dem EU-Agrarkommissar so soll die Generationenablöse eine Priorität der künftigen GAP sein, um innovative Junglandwirte verstärkt zu unterstützen. Auch die Landwirte in weniger begünstigten Lagen sollen verstärkt gefördert werden, um dort die bäuerlichen Familienbetriebe zu erhalten. Insgesamt werde die Europäische Kommission aber versuchen, den Einnahmen für den gesamten EU-Landwirtschaftssektor in der GAP Vorrang einzuräumen. „Wir müssen künftig marktorientierter arbeiten vor dem Hintergrund, dass die Weltbevölkerung steigt und zugleich die Lebensmittelsicherheit zu einem Herzstück unseres Denkens machen. Stabilität der GAP ist nicht nur für die Landwirte von Bedeutung, sondern für die gesamte Lebensmittelkette“, unterstrich Hogan.

Die Budgetlücke durch den Brexit könne entweder über höhere Beiträge der Mitgliedstaaten, neue Einkommensquellen etwa durch eine Finanztransaktionssteuer oder Ausgabenkürzungen geschlossen werden. Allerdings sei es viel zu früh, dass man hier etwas sagen könne. Zudem müsse sich der Europäische Rat mit der Angelegenheit befassen. Eine Entscheidung durch den Europäischen Rat und das EU-Parlament müsse dann noch vor Ende 2019 getroffen werden, so der Kommissar.

Hogan sieht für die Europäische Landwirtschaft große Möglichkeiten. „Wir haben eine wachsende Bevölkerung und gleichzeitig auch eine größer werdende Mittelschicht, die qualitativ hochwertigere Produkte haben möchte. Ich glaube, dass dies uns Chancen im Nahrungsmittelsektor eröffnet. Die EU möchte die erste Adresse beim Essen und Trinken sein“, so der EU-Agrarkommissar.

Für die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Mairead McGuinnes aus Irland, war der Brexit keine Überraschung. „Es lag eine anti-europäische Stimmung in der Luft und die EU wurde zum Sündenbock für alles gemacht. Der Brexit könne die EU trotz der großen Herausforderungen stärker machen, denn der Zusammenhalt ist der größte Wert“, so McGuinnes, die auch über die Auswirkungen auf ihr Heimatland besorgt ist. Derzeit gehen 40% der Agrarexporte von Irland nach Großbritannien.

Bemerkenswert wäre gewesen, dass auch viele Landwirte für Brexit gestimmt haben, obwohl die sehr stark von den Zahlungen am Binnenmarkt abhängig seien. „Sie hatten das Gefühl, dass sie das System nicht kontrollieren können, aber auch nach der Abstimmung sind sie nun besorgt“, so McGuiness, deren Meinung nach der Brexit stattfinden wird und schwierige Verhandlungen starten werden.

Bundesminister Rupprechter geht davon aus, dass Großbritannien auch nach dem Austritt aus der Europäischen Union einen Beitrag nach dem Vorbild der Schweiz (derzeit 2 Mrd. Euro) oder Norwegen in den EU-Haushalt – für die Öffnung des Binnenmarktes beziehungsweise die Teilnahme daran – verhandelt wird.

Außenpolitisch wäre zwischen den derzeit zwei starken Polen – dem asiatisch- chinesischen Modell ohne Demokratie und Freiheit und dem Trumpismus in den USA die ökosoziale Marktwirtschaft ein tragfähiges Zukunftsmodell. „Ich wünsche mir, dass die ökosoziale Marktwirtschaft als Eigenmarke auch international noch bekannter wird. Der Trend geht in Richtung sozialer Verantwortung, Qualität und Regionalität. Herkunft ist Zukunft und die ökosoziale Marktwirtschaft ist in jeder Hinsicht Best of Austria“, sagte Rupprechter.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, müssten die ländlichen Regionen gestärkt und ihre Potenziale mobilisiert werden. Helfen soll dabei ein Masterplan für den ländlichen Raum, an dem im ersten Halbjahr des laufenden Jahres eine Stakeholdergruppe aus Bürgermeistern, Regionalvertretern der Leaderregionen, Experten der Klima- und Energieregionen und dem Gemeindebund arbeiten soll. Rupprechter möchte Schritt für Schritt jedes Bundesland einbeziehen und hat seine Tour bereits in der Steiermark und in Niederösterreich absolviert.

Für die Unterstützung der ländlichen Regionen brauche es aber auch eine Weiterentwicklung der GAP nach 2020. Diese müsse laut dem Bundesminister einfacher und verständlicher werden, und auch ein Beitrag zur Erhaltung einzigartiger Kulturlandschaften durch die Landwirte müsse darin enthalten sein. Auch Sicherheitsinstrumente für die Agrarmärkte sollen ein Bestandteil der künftigen EU-Agrarpolitik sein und diese soll gleichzeitig auch Perspektiven für die Jugend im ländlichen Raum schaffen. In der Frage der Energiewende sei zudem notwendig, dass die Landwirtschaft Teil der Lösung ist und keinesfalls das Problem.

„Das bäuerliche Familienmodell muss in der Neuausrichtung und Weiterentwicklung der GAP verankert sein. Wir brauchen bäuerliche, krisenfeste, multifunktionelle landwirtschaftliche Betriebe und keine Agrarindustrie“, unterstrich Rupprechter und kündigte hinsichtlich des künftigen EU-Agrarbudgets an: „Wir werden in Brüssel um jeden Cent kämpfen, das gilt sowohl für die Direktzahlungen als auch für die Kofinanzierung der Ländlichen Entwicklung.“

EU-Abgeordnete Köstinger will in der nächsten Reform der GAP der „unglaublichen Konzentrationen“ im Bereich des Agrar- und Lebensmittelsektors begegnen. „Aktuell kontrollieren vier Großkonzerne 70% des Welthandels mit Agrarrohstoffen, drei Konzerne dominieren 50% des Weltmarkts mit Landtechnik. Die geplante Fusion von Bayer und Monsanto ist da noch gar nicht eingerechnet. Dieser Megakonzern würde dann ein Drittel des weltweiten Marktes für kommerzielles Saatgut und ein Viertel des Marktes für Pestizide dominieren“, warnte Köstinger auch mit Blick auf Österreich, wo über 85% in den Händen von drei Lebensmittelkonzernen liegen.

Für Köstinger ergeben sich daraus drei Forderungen: Die Vielfalt des Saatgutmarktes sichern, die europäischen Landwirte zu starken Playern in der Lebensmittelkette machen sowie ein klares Bekenntnis zu Regionalität und heimischer Landwirtschaft. „Es sind genau die kleinen Strukturen, die bäuerliche Landwirtschaft, die wir unbedingt erhalten und unterstützen müssen. Aus einem Überfluss an Nahrungsmitteln zu niedrigsten Preisen, billigen fossilen Rohstoffen und in einer Zeit, in der scheinbar nur mehr einfache Antworten auf komplexe Fragestellungen erwartet werden, starten wir nun in eine Diskussion zur GAP. Die Herausforderungen sind enorm und die Ziele sind klar: Die Produzenten müssen wieder zu starken Akteuren in der Lebensmittelversorgungskette werden, das Preisdumping muss systematisch bekämpft werden und die neue GAP muss die Handschrift der bäuerlichen Familienbetriebe als ökosoziales Erfolgskonzept tragen“, so Köstinger.

„Die Bauernhöfe in Europa werden in Zukunft so vielfältig und unterschiedlich sein wie die Agrarlandschaften. Wir haben in Österreich etwa eine kleinstrukturierte Landwirtschaft und das soll auch so bleiben. Wenn das Geld im EU-Haushalt weniger wird, müssen Wege gefunden werden, um mehr Geld an kleinere und mittlere Höfe zu leiten. Darüber hinaus brauchen wir bessere Preise für unsere Produkte, die durch eine Erhöhung der Marktmacht gegenüber dem Handel erreicht werden können. Klar ist: Unsere bäuerlichen Familienbetriebe sind die ersten und besten Konsumentenschützer, weil sie von vornherein nach höchsten Qualitätsstandards produzieren. Daher ist der Kauf heimischer Lebensmittel nicht nur Klimaschutz, sondern in erster Linie auch angewandter Konsumentenschutz“, so Pernkopf bei der Wintertagung 2017, die unter dem Generalthema „Unser Essen. Unsere Regionen. Wer wird uns morgen versorgen?“ steht.