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Waldweide: Beißen und Treten erwünscht

 

Mehr Artenvielfalt im Wald durch Rind, Pferd, Esel, Ziege oder Schaf? Mit tierischer Unterstützung können lichte Strukturen im Wald geschaffen und so die Artenvielfalt gefördert werden. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) betreut und berät Waldweide-Projekte und hat nun ein Konzept veröffentlicht, das bei der Anlage und Durchführung von Waldweiden unterstützen soll. „In den vergangenen 200 Jahren sind in unseren Wäldern lichte Flächen immer weniger geworden – und mit ihnen artenreiche Lebensräume und viele an sie gebundene Arten“, erklärt Dr. Mattias Rupp, Wissenschaftler in der Abteilung Waldnaturschutz der FVA.  

Wenn Waldflächen durch Nutztiere beweidet werden, handelt es sich um eine Waldweide. Die Tiere können sich frei bewegen und Nahrung suchen. Durch die Weideeinflüsse der Tiere bleiben diese Waldflächen licht und mosaikartig. Die Effekte dieser Beweidung sind in der Regel stark genug, um auch noch in der nächsten Vegetationsperiode sichtbar zu sein. Lichte Weidewälder fördern die Arten der Übergangslebensräume, wie bedrohte Arten unter den Widderchen und Tagfaltern.

Die intensive Waldnutzung und der Ressourcenhunger im 19. Jahrhundert forderten Änderungen in Land- und Forstwirtschaft – unter anderem wurden Wald und Weide räumlich voneinander getrennt. Gleichzeitig wurde Hochwald bevorzugt – Wälder mit hohen, gleichalten Bäumen mit Kronenschluss. Durch diese Umstellungen wurden einst eng verzahnte Wald- und Weideflächen mit den an sie gebundenen Arten und Artengemeinschaften voneinander isoliert. Nach und nach wurden die Wälder dichter, schattiger und feuchter. 

Um die positiven Wirkungen der Waldweide auf die Biodiversität zu nutzen, wurde sie zur Modernen Waldweide weiterentwickelt. Hier unterliegt die Haltung der Tiere den Regeln und Gesetzen des Tierwohls und Tierschutzes: „Die eingesetzten Tierrassen kommen zwar mit den anspruchsvolleren Bedingungen auf einer Waldweide besser zurecht, benötigen aber Fürsorge durch den Menschen und eine angemessene Futtergrundlage“, sagt Dr. Mattias Rupp. Auch Einrichtungen oder natürliche Strukturen, die den Tieren Komfort bieten sollen, müssen zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählen etwa Bäume zum Scheuern, Dickichte als Windschutz oder Lecksteine. Vor Anlegen der Waldweide muss zudem mit einem Veterinär gesprochen und die Tiere während der Beweidung täglich beobachtet werden. „So kann das Weidemanagement individuell angepasst werden. An anspruchsvollen Standorten ist es vielleicht nötig, die Weidedauer zeitlich einzuschränken oder die Fläche entsprechend aufzubereiten – etwa durch Entfernen von herabfallendem Totholz oder dornentragender Sträucher“, sagt Rupp.

Wo anfangen? Was beachten? Wenn Waldbesitzende oder Forstleute prüfen wollen, ob auf ihren Waldflächen eine Moderne Waldweide in Frage kommt, können sie sich nun Rat im Konzept „Moderne Waldweide als Instrument im Waldnaturschutz“ holen. Es skizziert die Rahmenbedingungen für die Einführung der Moderne Waldweide in Baden-Württemberg. Eine Checkliste begleitet Forstleute und Waldbesitzende durch den Prozess. Die Publikation ist über die Website der FVA – www.fva-bw.de – herunterzuladen oder als Druckwerk bestellbar.

Ein Schwerpunkt der „Gesamtkonzeption Waldnaturschutz“ von ForstBW ist die Pflege und der Erhalt lichter Waldstrukturen mit ihren charakteristischen Arten. Das Konzept „Moderne Waldweide als Instrument im Waldnaturschutz“ ist ein wichtiger aber auch anspruchsvoller Baustein zur Erreichung von naturschutzfachlich wertvollen lichten Waldstrukturen.