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„Um fünf Schuhgrößen gewachsen“

Die Coronakrise kennt nicht nur Verlierer. Neue, innovative Konzepte, wie die Online-Vermarktung und die Zustellung von Lebensmitteln, boomen. Jetzt gilt es, auf Basis des aktuellen Hypes langfristigen Mehrwert zu schaffen.

Die Zahlen, die die gebürtige Steirerin Theresa Imre nennt, hören sich absurd an: Ihr Online-Bestellportal markta wickelt als „digitaler Bauernmarkt“ aktuell 2.500 Bestellungen pro Woche ab. 150 waren es vor der Krise. 80.000 Produkte werden kommissioniert, verpackt und vom Logistik Hub am Wiener Franz-Josefs-Bahnhof aus versandt. Das sind zwanzig Mal mehr als zuvor. „Fast vier Jahre Vorbereitung sind innerhalb weniger Tage aufgegangen. Ich kann es kaum fassen und hatte noch wenig Zeit, das alles zu verarbeiten“, erzählt die junge Unternehmerin, die mit 420 Partnern aus der Landwirtschaft und dem regionalen Gewerbe zusammenarbeitet. Sie versteht sich als die nachhaltige Alternative zu Hamsterkäufen aus dem Supermarkt. „Auch wenn ich rasant um fünf Schuhgrößen wachsen musste, bin ich unendlich glücklich. Die vielen Telefonate mit den Produzenten, denen wir ihre Existenz sichern, befeuern mich.“

Anders als markta ist der Dandlhof in Wals bei Salzburg neu im Zustell-Business. „50 Prozent unseres Geschäftes haben wir bisher mit der Gastronomie gemacht. Das ist uns natürlich weggebrochen“, sagt Monika Reiter. Statt Wirtshäuser und Restaurants beliefert die Familie jetzt einmal pro Woche Abholstationen im Bundesland mit dem „g´sunden Heimatkistl“. So ist die Abnahme von Produkten wie Frischsalaten zumindest teilweise gesichert. Auch daheim am Hof hat der Dandlhof die Abläufe umgestellt. In einem Art Drive In bestellen die Kunden die Ware vom Auto aus und bekommen diese dann kontaktlos in den Kofferraum geladen. Menschen aus der Risikogruppe können so am Bauernhof einkaufen, ohne Gefahr zu laufen, sich anzustecken.

„Wer jetzt aktiv neue Kunden geworben hat, konnte massiv zulegen“, bestätigt Christina Mutenthaler. Sie baut für die AMA gerade das „Netzwerk Kulinarik“ auf und hat im Rahmen dessen die Plattform www.frischzumir.at gelauncht. Dort waren binnen weniger Wochen 850 Betriebe und 148.000 Nutzer aktiv. „Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir am ersten Tag der Hamsterkäufe online waren.“ Besonders erfolgreich seien der Versand und die Zustellung von gemischten Boxen gewesen. „Die Menschen suchen aktuell die Möglichkeiten, mit gebührendem Abstand einzukaufen. Wichtigste Kaufmotive sind dabei ein guter Service und die nötige Hygiene. Der Preis wird nicht hinterfragt.“ Genaue Umsätze kann Mutenthaler zwar nicht nennen, weil die Homepage ihre Gäste nur zu den jeweiligen Bauern und Wirten weiter verbindet. „Manche Anbieter haben uns aber gebeten, sie kurz offline zu nehmen, weil sie keine Produkte und kein Verpackungsmaterial mehr hatten.“

Auch für den gesamten Sektor des Versand- und Zustellgeschäfts mit Lebensmitteln gibt es noch keine wirtschaftliche Zusammenschau. Eine Umfrage der AMA unter 500 Österreichern bestätigte aber, dass Lieferdienste der bäuerlichen Direktvermarkter und der Gastronomie punkten konnten. Rund 15 Prozent der Befragten gaben an, diese mehr zu nutzen. „Wir konnten damit das Bedürfnis der Leute nach Sicherheit befriedigen. Jetzt geht es darum, all diese dazugewonnenen Kunden langfristig für die Zeit der Normalisierung zu binden“, so Christina Mutenthaler. Das Um und Auf sei dabei die Qualität. Dazu gehört auch die Verlässlichkeit: „Wenn eine Lieferung nicht funktioniert hat, kommen die Kunden nicht mehr zurück.“ In jedem Fall hätten die letzten Wochen einen irren Digitalisierungsschub mit sich gebracht, der nicht mehr umkehrbar ist.

Auch Theresa Imre sieht eine goldene Zukunft für die Onlinevermarktung von Lebensmitteln: „Die Zeit ist reif für gutes Essen. Wir starten in eine neue Ära für unsere lokale und regionale Versorgung.“ Wie es am Dandlhof mit den Heimatkistln weitergehen wird, ist hingegen noch offen. Monika Reiter: „Wenn das Geschäft mit der Gastronomie wieder beginnt, ist das auch eine Frage der Arbeitskapazitäten. Wir denken aber schon darüber nach, ob wir das Projekt vielleicht in Kooperation mit Partnern fortführen könnten.“