Tiroler Experten sollen Beutegreifer-Strategie erarbeiten
Die kurz vor der Sommerpause von der Tiroler Landesregierung eingesetzte Steuerungsgruppe „Herdenschutz und große Beutegreifer“ hat ihre Arbeit aufgenommen. Sie besteht aus Experten aus den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Veterinärwesen, Umwelt und Jagd. Zentrale Aufgabe der Steuerungsgruppe ist es zu erarbeiten, wie Herdenschutzmaßnahmen wie Behirtung, Elektrozäune oder Schutzhunde in alpinen und hochalpinen Gebieten angewendet werden können und wie sie überhaupt funktionieren.
„Was die rechtlichen Regelungen für die Entnahme von auffälligen Wölfen und Bären oder auch das Prozedere bei von großen Beutegreifern verursachten Rissen anlangt, sind wir in Tirol weiter als viele unserer Nachbarn. Der Schutz der Alm- und Weidewirtschaft ist uns ein besonderes Anliegen. Die Präsenz von Wölfen ist gerade in der Landwirtschaft ein Riesenthema“, erklärt Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler. Dies auch deshalb, weil eine rechtliche Änderung der Schutzbestimmungen für große Beutegreifer auf europäischer und internationaler Ebene nicht realistisch scheint.
Erfahrungen mit Herdenschutz aus anderen Regionen können auf die Tiroler Verhältnisse nicht 1:1 übertragen werden. Selbst die Schafhaltung ist im Alpenbogen sehr unterschiedlich. „Wir brauchen maßgeschneiderte Maßnahmen, die auf unsere besondere Struktur und die topographischen Gegebenheiten aufbauen und den Tourismus berücksichtigen. Möglicherweise stellt sich auch heraus, dass Herdenschutz bei uns in gewissen Gebieten in zweckmäßiger Art und Weise nicht möglich ist“, sieht Geisler das Ergebnis offen.
In den nächsten Wochen und Monaten werden von der Steuerungsgruppe Projekte und Erfahrungen aus anderen Regionen gesammelt und aus Tiroler Sicht evaluiert. Wichtige Erkenntnisse hat man bereits im Kalser Dorfertal im Nationalpark Hohe Tauern gewonnen. Dort hat die Nationale Beratungsstelle Herdenschutz ab 2014 einen dreijährigen Modellversuch Herdenschutz mit Schutzhunden und Hirten durchgeführt.
Die erste Exkursion führt die Mitglieder der Steuerungsgruppe noch vor Abschluss der Almsaison nach Südtirol. 2019 sollen dann die ersten Pilotprojekte gestartet werden. Gearbeitet wird auch an einer weiteren Verbesserung der Prozesse vom Nachweis großer Beutegreifer über die fachliche Begleitung der Viehhalter bis hin zur schnellen Entschädigung bei allfälligen Schäden. Koordinationsstelle für die Steuerungsgruppe und Pilotprojekte ist die Abteilung Landwirtschaftliches Schulwesen, Jagd und Fischerei. Erste Anlaufstelle für die Meldung von Sichtungen oder Rissen und Schäden von großen Beutegreifern ist die jeweilige Bezirkshauptmannschaft.
Im Jahr 2006 hielt Braunbär „Bruno“ Tirol in Atem, der als Problembär eingestuft schlussendlich in Bayern entnommen wurde. Ein auffälliges Verhalten hat 2012 auch der Bär M13 im Dreiländereck Tirol/Südtirol/Graubünden gezeigt. Er war ebenfalls als Problembär eingestuft und wurde in der Schweiz erschossen. 2009 wurde im Gemeindegebiet von Imsterberg in Tirol erstmals wieder ein Wolf nachgewiesen. Seither wurden in allen Bezirken einzelne Wölfe gesehen und teils auch genetisch nachgewiesen. Im Zeitraum von neun Jahren seit 2009 wurden in Summe 55 Nutztiere nachweislich von Wölfen gerissen. Bislang keine Schadensmeldungen liegen hinsichtlich der beiden kürzlich im Gemeindegebiet von Fiss gesichteten Wölfe vor. „Angesichts rund 70.000 gealpter Schafe in Tirol sind die bisherigen Schäden überschaubar, für die betroffenen Tierhalter jedoch nicht weniger dramatisch“, so Geisler.
Sowohl in den Nachbarstaaten Italien, Schweiz und Deutschland wie auch in Frankreich, Polen und der Slowakei gibt es zum Teil große Wolfspopulationen. In Österreich gibt es ein Rudel am niederösterreichischen Truppenübungsplatz Allentsteig. Rudelgründungen abseits von bestehenden Populationen sind jederzeit möglich. Wölfe haben einen sehr großen Aktionsradius und eine hohe Reproduktionsrate