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Offener Brief zu Kommentar im Standard

Sehr geehrter Herr Brocza

Wir haben Ihren „Kommentar der Anderen“ in der heutigen Ausgabe des STANDARD mit Interesse gelesen. Wir sind wirklich verärgert darüber, in welches Licht Sie dabei die österreichischen Bäuerinnen und Bauern rücken und können viele Ihrer Aussagen so nicht stehenlassen. Gleich zu Beginn thematisieren Sie den aktuellen „Grünen Bericht“ mit der Übersicht der land- und forstwirtschaftlichen Einkommen des letzten Jahres. Wie Sie richtig erkennen, sind diese im vergangenen Jahr gestiegen. Es ist sehr schade, dass ihr Rückblick auf die Entwicklung der bäuerlichen Einkommen mit dem Jahr 2021 aufhört, denn dabei handelt es sich um eine verkürzte Darstellung. Im Zehnjahresvergleich zeigt sich bis zum Vorjahr eine Stagnation der Einkommen. Sieben dieser zehn Jahre verliefen ohne Zuwachs, in den Jahren 2018 (-10%) oder 2015 (-15%) etwa waren deutliche Rückgänge zu
verzeichnen.

Somit liegt das Durchschnittseinkommen in der Land- und Forstwirtschaft nach wie vor unter dem Einkommen anderer Sektoren. Der hochgerechnete
Stundenlohn lag 2022 im Durchschnitt bei 16,21 Euro – brutto, wohlgemerkt. Auch das ist Teil der Wahrheit, weshalb wir uns gegen die Verunglimpfung, für Österreichs Landwirtinnen und Landwirte gelte offenbar keine Zurückhaltung wie sie bei den aktuellen Lohnverhandlungen gefordert werde, auf das Schärfste verwahren! In der Land- und Forstwirtschaft gehören schwankende Einkommen zum Alltag, bereits im laufenden Jahr ist wiederum ein Rückgang zu erwarten. Nur einige Zahlen herauszugreifen, anstatt die Gesamtsituation zu betrachten, kommt der Realität auf unseren Höfen in keinster Weise nahe. Ihre Aufregung können wir beim besten Willen nicht verstehen. Und ja: Die Aufwendungen bei Energie, Futter- und Düngemitteln sind gestiegen, das ist Fakt. Dazu kommt, dass die Kosten dafür teils konstant hoch bleiben, während Erzeugerpreise – etwa bei Milch und Getreide – im Sinken begriffen sind. Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern als Krisengewinner hinzustellen wäre zynisch und entspricht nicht der Realität.

Auch die Forderung, „staatliche Subventionen“ zurückzufahren, wirft Fragen auf. Ausgleichszahlungen aus den Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) machen es möglich, dass unsere Bauernfamilien (93% der Betriebe in unserem Land sind familiengeführt) eine Abgeltung für freiwillige Mehrleistungen bekommen, die wesentlich zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Die Mittel der GAP für ökologische Leistungen wurden deutlich ausgebaut. Besondere Unterstützungsmaßnahmen im letzten Jahr wurden durch volatile Märkte und unsichere Entwicklungen notwendig, mit
dem Fokus, die Eigenversorgung mit Lebensmitteln zu sichern und möglichst unabhängig von Importen zu bleiben. Außerdem profitieren zahlreiche vor- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche von den Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern, die der gesamten Bevölkerung zugutekommen.

Wir bitten Sie, bei den Fakten zu bleiben. Dass das vielfältige Artenspektrum bei Insekten über die Jahre hinweg konstant geblieben ist, besagt eine aktuelle Studie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft. Erst letzte Woche wurde über eine weitere Studie eines Teams aus Deutschland und der Schweiz berichtet, die Schwankungen in den langjährigen Trends der Insektenbiomasse auf den Faktor Wetter zurückführt. Unsere Land- und Forstwirtschaft ist gelebte Nachhaltigkeit. Wir sind Vorreiter beim Tierwohl und produzieren unter höheren Qualitätsstandards, als das in vielen anderen Ländern der Fall ist. Es ist auch klar, dass aktiv bewirtschaftete Wälder mehr zum Klimaschutz beitragen, als unbewirtschaftete. Unsere Bäuerinnen und Bauern haben es sich nicht verdient, unter dem Schlagwort „Gierflation“ als Profiteure unsicherer Zeiten
abgestempelt zu werden. So wie andere Berufsgruppen sorgen sie für ein funktionierendes Zusammenleben in unserem Land und haben sich genauso wie
andere Berufsgruppen auch unsere Wertschätzung für ihre tägliche Arbeit verdient – und mit Sicherheit keinen Vergleich mit Drogensüchtigen, der absolut deplatziert ist.

Mit freundlichen Grüßen, Georg Strasser- Bauernbundpräsident – David Süß Bauernbund-Direktor

Der Standard-Beitrag ist online abrufbar unter https://www.derstandard.at/story/3000000189659/reden-wir-252ber-subventionen-f252r-die-bauern