IG-Kontrollstellen geben retrospektiven Bioausblick
Die IG-Kontrollstellen Österreich, das Sprachrohr der Biokontrollstellen zieht in einem Pressegespräch am 23. Februar 2023 Bilanz über das zurückliegende Jahr und gibt einen Ausblick auf das laufende Jahr. Wolfgang Pirklhuber als Sprecher und Maria Geitzenauer als Stellvertreterin stellen die Information unter den Titel: „Bio-Landwirtschaft – Vorrang für den Green Deal in Österreich?“
Laut Pirklhuber habe niemand so praxisnahen Einblick in den Bio-Sektor wie die Kontrollstellen, da sie direkt in den Betrieben vor Ort ihrem Auftrag nachgehen. Dabei falle besonders auf, dass sich private Produktionsstandards verstärkt ausbreiten. Dies betreffe vor allem die Tierhalter und die Milcherzeuger. Auch sei manchmal für die Betriebe die Relation zwischen den Kosten und dem Nutzen der Bio-Kontrollen bei Direktvermarktung zunehmend fragwürdig, vor allem bei kleinen Vermarktungsmengen. Die sich verringernden Bio-Zuschläge machten das Problem nicht gerade kleiner. Die Anforderungen hinsichtlich Unterlagen und Dokumentation seien in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen. Das führe dazu, dass kleine Direktvermarkter überlegten, diese Nische aufzugeben oder nur mehr Teile der Produktion biozertifizieren zu lassen. Pirklhuber sieht hier die Notwendigkeit für die Wiederherstellung der Verhältnismäßigkeit der Auflagen.
Im Verarbeitungssektor stelle sich der Markt als relativ stabil heraus, wobei die Biopreise geringere Zuwächse verzeichnen mussten als konventionelle. Kleinere Verarbeiter klagten ebenfalls verständlicherweise über steigende Kosten, Bürokratie und Arbeitsbelastung. Unerwartet positiv entwickle sich in manchen Regionen, zB. Wien die Zertifizierung der Gastronomie. An Bedeutung gewinne auch der Direktimport, vor allem auch über den florierenden Bio-Online-Handel. Auch beim Verarbeitungssektor gelte es, die Verhältnismäßigkeit von Kontrollaufwand und Produktion behördlicherseits neu auszutarieren. 13 Verfahrensanweisungen, 4 Richtlinien, 3 Maßnahmenkataloge und 14 Meldeformulare mit insgesamt mehr als 500 Seiten seien im Biolandbau zu berücksichtigen. Um den bürokratischen Wust zu kanalisieren, stellt die IG-Kontrollstellen drei Forderungen auf:
Erstens: Die Bündelung aller Agenden in einem einzigen Ausschuss für Biolandwirtschaft, Qualitätsprogramme, Herkunftssicherung und Kontrolle.
Zweitens: Alle acht Kontrollstellen sollen im Ausschuss stimmberechtigt sein. Sie sollten mindestens 1/3 des Gremiums stellen, da dadurch ein ausreichender Praxisbezug gesichert ist.
Drittens: Ein Moratorium neuer Gebühren für den Biosektor, da dieser jetzt schon die Qualitätssicherung inklusive der amtlichen Probenziehung durch die Kontrollkosten selbst finanziert.
Statistik: Interessant ist die Entwicklung der Bio-Betriebszahlen. So haben 1450 Betriebe ihren Kontrollvertrag 2022 gekündigt. Gleichzeitig haben 749 Betriebe neu einen Kontrollvertrag abgeschlossen. Daraus ergibt sich ein Rückgang von 701 Betrieben. Der negative Saldo ist in Salzburg, Steiermark, Kärnten und Tirol am stärksten. Nur in Wien und in Niederösterreich ist die Betriebszahl einstellig gewachsen. Bundesländerweise betrachtet gibt es weiterhin in Niederösterreich mit 6653 die meisten Betriebe, gefolgt von OÖ und Steiermark. Die Anzahl der Biobetriebe bei den Kontrollstellen liegt bis zu 10% höher als die Zahl der ÖPUL-Bio-Betriebe, da es allein 584 Imker ohne Fläche gibt.
Ausblick: 2023 bringt wieder Änderungen bei Kontrolle und Zertifizierung. Ab 1.1.2023 müssen neue Bio-Zertifikate verpflichtend in die EU-Zertifikatsdatenbank eingetragen werden, wobei der Teil II freiwillig zu befüllen ist. Weiters sind Vorsorgemaßnahmen ab Anbau 2023 verpflichtend. Diese Verpflichtung ist durch die digitale Darstellung der Bio-Flächen in INSPIRE (vgl. https://agraratlas.inspire.gv.at/) bereits erfüllt. Wer ein konventionelles Tier zukauft, muss dies begründen und behördlich genehmigen lassen über einen Antrag über das VIS (Veterinär-Informations-System). Weiters wird die Verwendung konventioneller Futtermittelbestandteile (5%-Regel) eingeschränkt. Sie ist nur mehr bei Junggeflügel bis maximal 28 Wochen gestattet. Wer konventionell unbehandeltes Pflanzenvermehrungsmaterial in Grünlandmischungen verwenden will, hat dafür ein Ansuchen zu stellen.
Forderungen: Soll der Biolandbau die politisch avisierten Ziele auch fristgerecht erreichen, sei aus Sicht der Kontrollstellen eine Konsolidierung des Bio-Sektors dringend erforderlich, die sich in vereinfachten Verfahrensabläufen, verstärkter Spezialberatung, erleichterter Direktvermarktung und besserer Koordination und Integration privater Standards am Markt widerspiegeln müsse. Weiters müsse man die geplante Novelle des EU-Qualitätsregelungen-Durchführungs-Gesetzes (EU-QuaDG) als Chance für eine praxisverträgliche Umsetzung nützen. Die Klimaschutz-Wirkung von Bio müsse offensiver kommuniziert, die Bioforschung und die Bio-Ausbildung in Schulen müssten ausgebaut werden. Es gelte im Biolandbau die holistische Betrachtungsweise und den Kreislaufansatz zu stärken, die Vielfalt des Biolandbaus anzuerkennen und die Zusammenarbeit der Akteure zu fördern.
Redaktion: A. Burgstaller