Expertenvielfalt bei ÖHV-Grünland-Webinar
Eine Armada von Experten, Praktikern und Spezialisten fuhr die Hagelversicherung auf, um mit ihnen das aktuelle Wissen über die Grünlandwirtschaft im vorerst fünften Webinar der ÖHV zu debattieren.
DI Johannes Fankhauser (BMLRT) : Neben der Produktion von hochqualitativen Lebensmitteln leistet die Grünlandwirtschaft einen Beitrag zum Klimaschutz, der Luftreinhaltung, den Biodiversitätszielen, dem Schutz des Bodens und des Grundwassers und zum Erhalt der Kulturlandschaft. Studien zeigen, dass dies ohne Leistungsabgeltung nicht möglich wäre. Die GAP wird auch künftig den Erhalt der Grünlandbewirtschaftung fördern. Im Fokus stehen eine Erhöhung der Umweltwirkung und des Tierwohls sowie eine Stärkung des Absatzes und der Kennzeichnung heimischer Lebensmittel.
Mag. DI Johann Költringer (VÖM): Das Rind kann mit seinem Rindermagen Gras in Lebensmittel umsetzen, was die Basis für die Besiedelung und die Ernährungssicherheit darstellt und die Landschaft geprägt hat. In Österreich konnte sich trotz schwieriger Voraussetzungen und internationalem Wettbewerb die Milchwirtschaft durch Anpassungen als Schlüsselbranche in Berg- und benachteiligten Gebieten halten. Sie gilt heute aufgrund ihrer vielfältigen Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstrategie international als Vorbild.
Barbara Scheitz (Molkerei Andechs): Die Andechser Molkerei Scheitz verarbeitet die 130 Mio. kg BIO-Milch von 563 Milchlieferanten. Ca. 80 % der BIO-Landwirte erhalten seit 2015 einen Weidezuschlag. Die Förderung der Weidehaltung und die ökologische Landwirtschaft leisten einen wichtigen Beitrag – zur Sicherung einer hochwertigen Grundfutterqualität, zum Erhalt gesunder Böden, zur Artenvielfalt, der Biodiversität und des Grundwassers. Das von der Andechser Molkerei initiierte Pilotprojekt „KlimaBauer“ fördert und honoriert die regionale CO2-Bindung und damit die Resilienz der Böden durch Humusaufbau.
Stefan Lindner (ZAR-Obmann): Die österreichische Rinder- und Milchproduktion ist klimafit. Wir haben den Vorteil, standortangepasst produzieren zu können. Verantwortlich dafür ist der hohe Grünlandanteil mit 54 % der Nutzfläche. Daher können Milch und Rindfleisch mit weniger Emissionen produziert werden. Dennoch arbeiten wir intensiv daran, weitere Potentiale über die Rinderzucht für die Reduktion von Treibhausgasen auszuschöpfen. Die Erblichkeit für Methanemissionen liegt bei 10 – 40 %. Studien zeigen für die Zucht ein Reduktionspotential von CH4 binnen zehn Jahren um minus 4 – 5 % bei Fleisch, bei Milch um bis zu minus 20 % auf.
Isabella Übertsberger (Heumilchproduzentin): Der BIO-Heumilchbetrieb umfasst 94 Milchkühe und ca. 40 Stück Kalbinnen, bewirtschaftet werden 85 ha Dauergrünland. Da klimabedingt mit immer mehr Herausforderungen zu kämpfen ist (Schädlinge, Trockenheit, Hochwasser), muss dem Dauergrünland noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Daher wurde in den letzten Jahren an vielen Schrauben gedreht, um das Grünland klimafit zu machen und gleichzeitig die Grundfutterleistung zu steigern: Bodenanalyse, Pflanzenbestand, Weide und Heu verstärken, bodennahe Ausbringung, Reifendruckregelung, Erntekette und Futtervorlage werden stichwortartig angeführt. Oberstes Ziel ist es, eine standortangepasste Nutzung und Steigerung der Produktivität des Grünlands mit boden- und umweltschonenden Maßnahmen zu erwirken.
DI Klingler/Dr.Schaumberger (HBLFA Raumberg-Gumpenstein): Im Berggebiet ist das Grünland mit seiner großen Nutzungsvielfalt die wichtigste Kulturart, das über die Grundfutterversorgung hinaus ökologische Funktionen erfüllt. Forschungsergebnisse aus einem einzigartigen Klimafolgenexperiment an der HBLFA zeigen, dass künftig mit früheren Erntezeitpunkten, Veränderungen des Pflanzenbestandes und einem Ertragsrückgang zu rechnen ist. Zu den wichtigsten Anpassungsmaßnahmen zählen die Optimierung der Nutzungsintensität, die Züchtung trockenheitstoleranter Sorten und die verstärkte Nutzung von Almen. Bewässerung und Satellitenmonitoring unterstützen die Stabilisierung der Erträge und gewährleisten in extremen Fällen die Grundfutterversorgung.
DI Frühwirth (LK-OÖ): Eine Reihe von Maßnahmen ist notwendig, um den Anpassungsprozess an die Produktionsbedingungen voranzutreiben. Dazu zählen: Artenspektrum im Wirtschaftsgrünland anpassen, Nährstoffversorgung optimieren, Bodendruck reduzieren und Schnitthäufigkeit anpassen. Die Absicherung der Grundfutterproduktion kann begleitet werden von Dürreversicherungen, Grundfutterproduktion auf Vorsorge und Auslagerung der Grundfutterproduktion. Die Veränderungen des klimatischen Produktionsumfeldes werden Auswirkungen haben auf die Entwicklung der Betriebe und die Bewirtschaftung des Grünlandes. Der Druck auf das Dauergrünland wird steigen, insbesondere in reinen Grünlandbetrieben.
Dr. Weinberger (ÖHV): Die Grünlandwirtschaft ist sowohl für den ländlichen Raum als auch für die Städte wichtig. Denn eine gepflegte Landschaft erhält unser ländliches Kulturerbe und erfreut sich bei Stadtbewohnern und Touristen größter Beliebtheit. Für die Lebensmittelproduktion werden aber saftige Äcker und Wiesen benötigt. Es braucht ein vermehrtes Bewusstsein für unsere Lebensgrundlage Boden, kein verantwortungsloses Zerstören fruchtbarer Flächen. Es braucht aber auch einen Schutz vor den Wetterextremen, wie jährlich wiederkehrende Trockenperioden. Mit einer umfassenden Produktpalette und – dank der Initiative von Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger – mit dem Private Public Partnership Modell sind wir internationaler Vorreiter.