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Bis zu 40% der C-Bindung gehen verloren

 

Politisch und gesellschaftlich heftig diskutiert wird die Frage, ob Wald zur Linderung des Klimawandels beitragen kann, indem er Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnimmt und in Holz und Biomasse speichert. Hierbei werden in der Diskussion oft nur die zwei scheinbaren Gegenpole Holznutzung und Außernutzungstellung thematisiert. Welche Bedeutung die natürliche Konkurrenz für die Vorrats- und Zuwachsentwicklung hat, wird jedoch außeracht gelassen. Eine neue Studie liefert jetzt eine wichtige Datenbasis und zeigt erstmals, dass in unbewirtschafteten Waldbeständen 30-40 % der gesamten Holzproduktion durch konkurrenzbedingte Mortalität an die Totholzfraktion verloren gehen. Die Studie wurde in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Forest Ecology and Management“ veröffentlicht.

Wenn über die Kohlenstoffaufnahmekapazität gesprochen wird, bezieht man sich meist auf Einzelbäume, die sich frei entwickeln können und so auch im hohen Alter ein gutes Wachstum erzielen. Im Wald jedoch spielt die Interaktion zwischen den Bäumen eine maßgebliche Rolle und sorgt dafür, dass ein Großteil der Bäume früh stirbt. Wo in der Naturverjüngung noch tausende Sämlinge um einen Platz an der Sonne kämpfen, steht nach einigen Jahrzehnten nur ein einziger Baum. „Immer, wenn während der Bestandsentwicklung die Dichte der wachsenden Bäume auf einem Standort zu hoch wird, sterben einige von ihnen ab. Und zwar jährlich zwischen 5 und 20 Prozent aller Bäume, wie die vorliegende Studie zeigt“, erklärt Mitautor Thomas Ledermann. Für diese wurden Daten von 476 Langzeitversuchsflächen aus großen Teilen Europas verwendet. Sie gehören zu einem internationalen Netzwerk langfristiger Wachstums- und Ertragsversuche und umfassen kontinuierliche Aufzeichnungen des Wachstums, unter anderem in voll bestockten, unbehandelten oder kaum bewirtschafteten Beständen über  100-150 Jahre.

Am Anfang steigt der Zuwachs von Waldbeständen rasch an und es werden große Mengen Kohlenstoff gebunden. Dadurch erhöht sich der Kohlenstoffvorrat dieser Bestände. Je nach Baumart und Standortsqualität erreichen Zuwachs und Kohlenstoffaufnahme mit etwa 40-120 Jahren ihren Höhenpunkt. Danach nehmen Zuwachs und Kohlenstoffaufnahme ab, weil der durch das Absterben von älteren Bäumen frei werdende Standraum von den verbliebenen Bäumen nicht mehr so effizient genutzt werden kann. Bis zum Ende seiner Jugendphase hat ein Bestand bereits mehr Kohlenstoff aufgenommen, als nach 100 bis 150 Jahren in den stehenden Bäumen gespeichert ist.

Die vorliegende Studie bezieht sich ausschließlich auf Daten von unbewirtschafteten, gleichaltrigen Wäldern mit jeweils einer Baumart und berücksichtigt nicht den im Boden gelagerten Kohlenstoff. Nachdem aber derzeit noch ein Drittel aller Wälder Europas aus einer Baumart besteht und auch Mischwälder oft aus einer Vielzahl kleiner Baumgruppen aufgebaut sind, ist die konkurrenzbedingte Abnahme von Zuwachs und Kohlenstoffaufnahme für viele Situationen relevant.

Ob der Wald in Zukunft eher als Kohlenstoffsenke oder als Kohlenstoffspeicher fungieren soll, klingt für viele vermutlich nach Haarspalterei. Für die Bewirtschaftung des Waldes und die Minderung des Klimawandels ist der Unterschied jedoch enorm. „Durch die Bewirtschaftung werden die Bäume vor dem natürlichen Absterben entnommen, wodurch die Eingriffe zu einem optimalen Zeitpunkt für den Klimaschutz erfolgen. Das Holz kann zu Holzprodukten verarbeitet werden und diese speichern weiterhin den Kohlenstoff. Oder es werden fossile Brennstoffe ersetzt“, sagt Peter Mayer, Leiter des BFW. Gleichzeitig reagieren die verbleibenden Bäume mit einem höheren Zuwachs und einer besseren Vitalität. Verbleiben die Bäume dagegen im Wald, sterben sie ab und ein Teil des aufgenommenen Kohlendioxids wird wieder in die Atmosphäre entlassen.

Im Hinblick auf den Klimaschutz sollte die Waldbewirtschaftung für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen jungen und alten Wäldern sorgen, damit die Zuwachsleistung und die Kohlendioxidaufnahme keinen allzu großen Schwankungen unterliegen. Der Wald ist aber auch ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Pilze und diese benötigen eine Mindestmenge an absterbenden und toten Bäumen. Daher sollte auch in einem Wald mit optimierter Kohlenstoffaufnahme eine gewisse Menge Totholz erhalten werden. Die in der neuen Studie für diverse Baumarten ermittelten Verlustanteile aufgrund der natürlichen Konkurrenz könnten als Indikatoren für Entscheidungen zwischen Waldbewirtschaftung und der Einstellung von waldbaulichen Aktivitäten dienen.