„Milch braucht neue Mythen“
Die Frage, was Milch mit Psychologie zu tun hat, stand im Mittelpunkt des AMA-Milchsymposiums, das anlässlich des Weltmilchtages im Raiffeisenhaus in Wien stattfand. „Wenn Konsumenten Milchprodukte im Supermarkt erwerben, stehen sie einer Vielzahl von Optionen gegenüber. Vor dem Verkaufsregal richten sie meist schnell ihre Aufmerksamkeit auf wenige Produkte und treffen dann oft spontan eine Entscheidung. Die Kunden müssen nicht nur abwägen, ob der Preis angemessen ist und ihren Vorstellungen entspricht, sie müssen auch Abschätzungen darüber treffen, wie gut ein Produkt schmeckt und eventuell auch, wie gesund ein Produkt ist“, erläuterte Arnd Florack vom Institut für Angewandte Psychologie an der Universität Wien.
„Konsumenten verlassen sich dabei oft auf ihre Intuition. Ein Gedanke dabei ist, dass Nahrungsmittel weniger gut schmecken, wenn sie gesund sind. Diese Ansicht entwickelt sich vermutlich im Laufe der Sozialisation und geht mit der generellen Vorstellung einher, dass Gesundheit ein Ziel ist, das man sich hart erarbeiten muss“, erläuterte der Experte. Diese Intuition komme aber nicht zwangsläufig zum Tragen, Geschmack und Gesundheit könnten sehr wohl auch in den Augen der Verbraucher einhergehen. „Diese Situation ist jedenfalls eine große Herausforderung für das Marketing, das die zunehmend stärker werdenden Bedürfnisse von Konsumenten nach mehr gesunder Ernährung bedienen und gleichzeitig Produkte mit besonderem Geschmack positionieren möchte“, sagte Florack. Eine große Bedeutung habe daher die Gestaltung der Verpackung von Milchprodukten.
„Heute befinden sich rund 170.000 Lebensmittel in den Regalen der Supermärkte. Jeder Kunde kann sich sein eigenes Ernährungsmuster basteln und das zu einem wichtigen Teil seines Lebensstils werden lassen. Essen wird mittlerweile zu einer Identitätsplattform. Ernährungsmoden entstehen, und die Zahl der qualitätsbewussten Konsumenten nimmt kontinuierlich zu. Menschen erweisen sich heute dann als gut, wenn sie sich gesund ernähren. Das Essen und die Gesundheit haben sich moralisiert“, stellte Ernährungspsychologe Christoph Klotter von der Hochschule Fulda (BRD) in seinem Referat fest.
„Nach dem Dichter Sartre ist jedes Essen ein Symbol. Wir verspeisen nicht nur Materie, sondern auch Symbole, die kulturell festgelegt werden. Mit dem Essen bekommen wir eine kulturelle Zugehörigkeit. So steht etwa die Muttermilch für das Versorgtwerden und Geliebtwerden, aber auch für Abhängigkeit, die in unserer Kultur wenig akzeptiert wird“, erklärte Klotter. Milch sei historisch etwas sehr Kostbares, als Massenartikel werde sie aber tendenziell entwertet und von manchen neuerdings als Gesundheitsgefährdung begriffen. Milchprodukte nur als „lieblich“ und „natürlich“ zu bewerben, sei daher zu wenig. „Milch braucht neue Mythen und imaginäre Welten, um wieder attraktiver zu werden“, fasste der Experte zusammen. Milchprodukte sollten in der Werbung positiv emotional aufgeladen und als begehrenswert dargestellt werden.