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Gastkommentar: Nutztierhaltung – wohin gehst du?

Forderungen an die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren zu stellen ist in Mode gekommen. Leider werden meist keine Vorschläge unterbreitet, wie diese umzusetzen sind, ohne die Betriebe zu gefährden, meint MANFRED WEBER.

 Fast jede Gesellschaftsgruppe sieht sich heute genötigt, ein Statement zur Stallhaltung von Rindern, Schweinen oder Geflügel  abgeben zu müssen. Und das jeweils mit Forderungen, die aus der jeweiligen Interessenslage erwachsen. So hat etwa in Deutschland die Bundestierärztekammer ein entsprechendes Positionspapier zur Verbesserung des Tierschutzes auf den Weg gebracht. Man sollte meinen, dass gerade die Tierärzte, die ja von allen Bevölkerungsgruppen noch am nächsten mit der praktischen Landwirtschaft zu tun haben, nicht mit Maximalforderungen aufwarten sollten, die unter den gegebenen Bedingungen in der Tierhaltung nicht einzuhalten sind.

Sicher sind einige von deren Forderungen absolut berechtigt und zu unterstützen, andere jedoch in der Praxis nicht schnell umsetzbar. Natürlich ist die Reduzierung der Haltung von Sauen in Kastenständen oder Ferkelschutzkörben mittlerweile eine weithin akzeptierte Forderung, übrigens auch von Tierhaltern. Die komplette Abschaffung von Fixiermöglichkeiten, wie sie im Papier der Veterinäre gefordert wird, ist aber nicht tragbar, wenn man sich das Verhalten von brünstigen Sauen anschaut oder die deutlich höheren Saugferkelverluste, welche aktuelle Untersuchungen zur freien Abferkelung zeigen.

Eine weitere Forderung nach einem obligatorischen Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallsysteme und Betäubungseinrichtungen in Schlachtstätten stößt sicher noch eher auf Zustimmung. Heute werden solche Prüfungen von Stallsystemen bereits auf freiwilliger Basis etwa von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) angeboten und durchgeführt. Bei der Vielzahl der am Markt befindlichen Systeme ist dies zwar eine Mammutaufgabe, die aber tatsächlich in kleinen Schritten angegangen werden sollte. Die Einführung einer verpflichtenden Tiergesundheitsdatenbank, die ebenfalls in Deutschland gefordert wird, zeigt möglicherweise auch mehr Vor- als Nachteile. Die Einbeziehung von allen möglichen tiergesundheitlichen Informationen zur Erleichterung der betrieblichen

Eigenkontrolle kann auch dem Tierhalter nur Nutzen bringen. Dabei ist aber der Datenschutz vorrangig zu behandeln. Und eine Nutzung aller gesammelten Daten sollte ausschließlich dem Tierhalter und seinem Hoftierarzt möglich sein. Eine Weitergabe an die Überwachungsbehörden, wie gefordert, sollte nur in sehr eng umgrenztem Rahmen zugelassen werden.

Dass die Haltung von Nutztieren unter Erlaubnisvorbehalt gemäß Tierschutzgesetz zu stellen ist, ist wiederum zu weit gegriffen. Im Rahmen seiner Ausbildung erhält jeder Tierhalter ausreichend Sachkenntnis zur Haltung seiner Rinder, Kühe oder Hühner. Zudem werden die Betriebe regelmäßig durch die Veterinärbehörden auf Einhaltung der einschlägigen Vorschriften überprüft. Die geforderten regelmäßigen Fortbildungen auch für Tierhalter sind dagegen zu begrüßen.

Zum Schluss werden auch alle Eingriffe am Tier wie Schnäbelkürzen bei Geflügel oder Schwanzkürzen sowie Kastration beim Schwein, Kastration von vielen Menschen grundsätzlich abgelehnt. Insbesondere beim Kürzen der Schwänze beim Ferkel zeigen jüngste Untersuchungen aber deutlich, dass gerade durch einen Komplettverzicht die Tiergesundheit durch verstärktes Schwanzbeißen in erheblichem Maße eingeschränkt werden würde. Auch die Forderung eines Komplettverzichtes auf die Kastration beim Ferkel geht an der Wirklichkeit der momentanen Marktsituation vorbei. Eberfleisch lässt sich derzeit nur in einem sehr begrenzten Marktsegment absetzen. Die geforderte Impfung gegen Ebergeruch funktioniert und wird auch von vielen favorisiert, der entsprechende Schlachtkörper ist aber heute bei den Schlachtunternehmen nicht absetzbar, da vor allem die abnehmenden Drittstaaten dies nicht zulassen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Maximalforderungen zur Verbesserung des Tierschutzes in der Nutztierhaltung oft begründet, aber überwiegend erst mit längeren Übergangszeiten und erheblichem Finanzaufwand in der Stallhaltung umsetzbar sind, ohne vor allem die Schweine- und Geflügelhaltung massiv zu verdrängen. Leider werden selten Vorschläge unterbreitet, wie die Forderungen umzusetzen sind, ohne die Betriebe zu gefährden. Neben der Verantwortung von Schlachtunternehmen, dem Lebensmitteleinzelhandel und den Konsumenten – durch die Zahlung höherer Erzeugerpreise – könnten dazu übrigens auch die Tierärzte etwa durch Reduzierung ihrer Gebühren einen entscheidenden Anteil leisten.

Dr. Manfred Weber ist Experte für Nutztierhaltung und -fütterung an der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Sachsen-Anhalt.

 

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