Smart Farming löst Precision Farming ab
Welche Chancen ergeben sich für die heimische Landwirtschaft durch Smart Farming? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Landtechnik-Fachtag, der erstmals im Rahmen der Wintertagung des Ökosozialen Forums in der HBLFA Francisco Josephinum in Wieselburg stattfand. Die Experten waren sich darüber einig, dass es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für modernste, vernetzte Landtechnik auf allen Betriebsebenen gibt und dass in manchen Segmenten der Landwirtschaft die Entwicklung erst am Anfang steht. Der Nutzen für den Anwender müsse im Vordergrund stehen, wurde betont. Generell gehe es künftig vor allem darum, die bereits vorhandenen Daten besser und gezielter zu nutzen.
Das sogenannte „Precision Farming“ werde in der heimischen Landwirtschaft bereits praktiziert, etwa in Form einer perfekten Steuerung von Maschinen im Ackerbau (Isobus-Terminal im Traktor oder GPS-gesteuerte Spurführungssysteme). Sensoren könnten mittlerweile den Zustand von Pflanzen sowie Böden erkennen und in der Fütterung oder beim Melken würden Roboter eingesetzt, erläuterte Heinrich Prankl, der Leiter der BLT Wieselburg. Die nächste Stufe sei das „Smart Farming“, das vielfach auch unter dem Begriff „Landwirtschaft 4.0“ gehandelt werde. Durch die Vernetzung der Daten würden nicht mehr nur Maschinen, sondern der gesamte Hof einbezogen. Der Zugriff auf die Daten könne mobil (vom Handy oder Tablet aus) in Echtzeit erfolgen.
Die große Herausforderung beim Smart Farming sei es, die vorhandenen Daten (zum Beispiel Boden- und Pflanzenzustand, Betriebsmitteleinsatz, Produkteigenschaften, Arbeitskräfte, Förderanträge, Klima, Wetter usw.) zu vernetzen und gezielt auszuwerten, sagte Prankl. „Derzeit wird aber nur ein Bruchteil dieser Daten genutzt“, gab der Experte zu bedenken. Der erste Schritt in Richtung Smart Farming sei eine saubere Dokumentation, diese wäre dann die Basis für eine weiterführende Beratung und entsprechende Investitionen. Eine hochwertige Ausbildung sei in diesem Zusammenhang ebenso unabdingbar wie eine firmenneutrale Beratung. Ziel sei es, den gesamten Betrieb in einem Managementsystem abzubilden. Letztlich könne dies in einer umfangreichen Datenplattform münden. „Durch Smart Farming wird auch die Transparenz in der landwirtschaftlichen Produktion steigen, dies kann sowohl positive als auch negative Folgen haben“, ergänzte Prankl.
Univ.-Prof. Andreas Gronauer vom Institut für Landtechnik an der BOKU präsentierte die neuesten Trends beim Precision Farming in der Grünlandwirtschaft. Beim Einsatz modernster Technik – etwa bei Mähwerken mit Lenkautomaten – habe man mittlerweile eine sehr hohe Präzision erreicht, was sich in einer geringeren Überlappung zwischen den Überfahrten äußere, so Gronauer. Aus aktuellen Versuchsergebnissen gehe hervor, dass sich dadurch nennenswerte Einsparungen beim Dieselverbrauch und der Arbeitszeit erzielen ließen. Weitere Vorteile seien ein effizienteres Wenden durch Überspringen von Spuren und eine geringere Ermüdung des Fahrers. Aber nicht nur in der Fahrzeugsteuerung gebe es Einsatzmöglichkeiten für digitale Technik im Grünland, erläuterte der Experte. Als weitere Beispiele nannte er die automatisierte Tierbeobachtung auf der Weide (durch GPS-Tracking) oder den Einsatz von „virtuellen Weidezäunen“ (bei Annäherung der Tiere wird ein Warnton abgegeben, beim Überschreiten des Zauns erfolgt ein leichter Stromschlag). Zu den neuesten Trends zählen auch die Ertragsprognose durch Fernerkundung und integrierte Softwarelösungen für das Weidemanagement.
„Wir müssen aber danach trachten, eine Datenüberfrachtung zu vermeiden, generell brauchen wir für diese neuen Technologien auch entsprechende Ausbildungsangebote. Es gilt, die weiteren Entwicklungen und deren Wirtschaftlichkeit zu beobachten“, unterstrich Gronauer. Wünschenswert wären aus seiner Sicht möglichst einfache Benutzeroberflächen sowie kompatible Schnittstellen für die Informations- und Kommunikationstechnologie.
Über praktische Erfahrungen mit Precision Farming im Marktfruchtbau berichtete Rüdiger Klamroth. Er ist Geschäftsführer der LDL (Landwirtschaftliche Dienstleistungen & Logistik) und bewirtschaftet einen 660 ha großen Betrieb in Blankenburg, Deutschland. Zu den von ihm angewendeten Verfahren gehört unter anderem die sensorbasierte Umsetzung der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung, also etwa die Ausbringung von organischen und mineralischen Düngemitteln unter Berücksichtigung sektoraler Standortunterschiede. Dadurch kann der Einsatz von Mineraldünger optimiert werden, wenngleich auch eine partielle Unterversorgung mit Nährstoffen nicht ausgeschlossen werden kann.
„Aus der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung kann der Landwirt jene Werkzeuge entnehmen, die für das jeweilige Ziel geeignet erscheinen“, so das Fazit von Klamroth. Die digitale Technik sei grundsätzlich in der Lage, ackerbauliche Algorithmen sicher umzusetzen. Die Entwicklung verlaufe immer rasanter, etwa beim Drohneneinsatz. Im Softwarebereich gebe es eine unübersehbare Fülle von Angeboten, aber keine einheitlichen Lösungen, so der Praktiker. Notwendig wäre eine Software-Kombination je nach betrieblichem Anspruch.
Wie modernste Landtechnik auf überbetrieblicher Ebene eingesetzt werden kann, darüber berichtete Helmut Scherzer, der Geschäftsführer der Vereinigung der Lohnunternehmer Österreich (VLÖ). Er verwies auf Reifendruck-Regelanlagen am Traktor oder neueste Mähdrescher-Erntetechnik mit Verlustminimierung im Ackerbau.
„Neue Technologien setzen sich in der überbetrieblichen Arbeit dann durch, wenn sie einen klaren Nutzen für den Kunden bieten. Die Bereitstellung und Verarbeitung von mobilen Daten kann einen monetären Vorteil, der sich auf das Betriebsergebnis positiv auswirkt, bieten, aber auch einen Zusatznutzen durch vereinfachte Abläufe. Auch der psychologische Nutzen in Form eines Informationsvorsprungs oder einer Alleinstellung kann eine Rolle spielen“, so Scherzer.
Im Ackerbau sei die Professionalisierung am höchsten. Für größere Betriebe ab 150 ha sehe er in Verbindung mit GPS-Daten und der Anwendung in der Düngung, Bestandsführung sowie bei der Ernte absolute Vorteile im Precision Farming. Die Dienstleister würden hier bereits schrittweise entsprechende Angebote für die Landwirte entwickeln. „Der Einstieg in neue Technologien macht nach genauer Prüfung der Vorteilhaftigkeit einer Investition durchaus Sinn. Man muss aber gemeinsam mit dem Landwirt den Nutzen und den Mehrwert erarbeiten“, unterstrich Scherzer.
„Die Strukturen der Betriebe und der Agrarflächen in Österreich fordern für eine wirtschaftliche Nutzung von Großtechnik den überbetrieblichen Einsatz. Kleinere Betriebe können dadurch vergleichbare Hektar-Kosten gegenüber größeren Betrieben erreichen“, wies der Geschäftsführer auf die Vorteile hin. Für viele Höfe sei der überbetriebliche Einsatz modernster Landtechnik die Antwort auf die großen Herausforderungen der Zukunft. Einig waren sich die Experten beim Landtechniktag auch darüber, dass es ebenfalls wichtig sei, die gesellschaftliche Akzeptanz für den Einsatz modernster Landtechnik zu erreichen, weil vielfach immer noch ein romantisiertes Bild von der heimischen Landwirtschaft gezeichnet werde.