Foto: Österreichischer Bauernbund/Christian Müller

#sowasvonbauernbund!

Bauerbundpräsident Georg Strasser über den neuen Stil der Volkspartei, die ungewissen Rollen von Elisabeth Köstinger und Andrä Rupprechter nach der Wahl, über Anti-Gentechnik-Rabatt und Glyphosat und was ihn von seinem Amtsvorgänger unterscheidet.

BLICK INS LAND: Wer ist Ihr politisches Vorbild – und warum?

Strasser: Leopold Figl. Mich fasziniert einfach seine Lebensgeschichte, wie er bäuerliche Politik gemacht hat oder etwa sein Kampf gegen die Nazis.

Zieht das Vorbild Figl heute noch, vor allem bei jungen Menschen? Die meisten kennen ihn überhaupt nicht mehr. Sie selbst sind erst sechs Jahre nach seinem Tod geboren worden. Ein berühmtestes Zitat von ihm ist „Ich kann euch nichts geben“.

Ich denke es ist auch eine Vorlage, dass ich mich auch als junger Politiker traue, über Figl zu reden, weil mir gerade die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wichtig ist. Damals ist das Land in Trümmern gelegen und Figl hatte nichts zu verteilen. Heute ist die Situation zwar anders. Wir haben uns in Mitteleuropa in den vergangenen Jahrzehnten einen relativen Wohlstand erarbeitet, trotzdem verspüren viele eine relativ große Unzufriedenheit mit den Lebensumständen. Ich wünsche mir vermehrt den Rückblick und damit mehr Wertschätzung für das Erreichte. Das schließt auch die damals handelnden Personen mit ein.

Im gut 200 Seiten starken Wahlprogramm von Sebastian Kurz nimmt die Landwirtschaft nur zwei Seiten ein. Macht Sie das als neuer Bauernbund-Chef nicht stutzig?

Nein. Ich kenne Sebastian Kurz und den Bauernbund. Der NÖ. Bauernbund unterstützt Kurz seit Jahren. Bei seinen ersten Auftritten in meinem Wahlkreis vor sieben, acht Jahren und das in kleinstem Kreis hat er gezeigt, dass ihm die Anliegen der Menschen am Herzen liegen. Und zum Umfang: Wenn er sich ganz klar zur Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe bekennt, dann geht es Sebastian Kurz ganz klar auch um das Einkommen. Damit bekennt er sich zu den öffentlichen Geldern und Leistungsabgeltungen für die Landwirte.

Nun hat die Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger angekündigt, sich nach dem 15. Oktober aus Brüssel zurückzuziehen. Damit verliert der Bauernbund eine wichtige Stimme auf EU-Ebene und auf lange Zeit sein einziges Mandat im EU-Parlament. Österreichs Bauernanliegen sollen dort künftig von einem Südtiroler vertreten werden, meint Köstinger, immerhin auch Generalsekretärin Ihrer Partei. Genügt das dem Bauernbund wirklich?

Diese Personalentscheidung wird im Bauernbund nach der Wahl getroffen, wenn wir klar Bescheid wissen, wie Köstingers Zukunft aussieht.

Sie selbst hat ihren Rückzug aus dem EU-Parlament verlautet …

Ich weiß. Wir werden Köstingers EU-Netzwerk auch weiter nutzen. Ich sehe da zwei kompetente Personen: Herbert Dorfmann und auch Othmar Karas, beides Profis am Brüsseler Parkett.

Karas ist aber kein Bauernbündler…

Wir haben auch noch die Kompetenzen von Andrä Rupprechter, der für uns in Brüssel eine starke Stimme sein wird.

Heißt das, Rupprechter soll aus Ihrer Sicht eine weitere Legislaturperiode Landwirtschaftsminister bleiben?

Die Ministerliste ist Sache des Parteichefs. Auch diese Personalentscheidung wird getroffen, wenn die Wahl geschlagen ist. Rupprechter macht seine Sache gut und hat meine volle Unterstützung.

Köstinger wurde weit besser abgesichert als er, nämlich doppelt: auf Platz 2 der Bundesliste und als Spitzenkandidatin in Kärnten.

Aber ich höre aus Tirol, wo Andrä Rupprechter an der Basis kandidiert, dass er gute Chancen hat. Ich rechne fix mit seinem Einzug in den Nationalrat.

Also alles keine Signale für eine neue Landwirtschaftsministerin. Soll sie Generalsekretärin bleiben?

Ihre derzeitige Funktion ist für uns natürlich wichtig. Aber all diese Debatten werden wir nach der Wahl im Bauernbund und mit Sebastian Kurz führen. Ich möchte mich da noch nicht festlegen.

Wichtigster von vier Agrarpunkten im Wahlprogramm der ÖVP ist ein „Anti-Gentechnik-Rabatt“ für Österreichs Landwirte. Was konkret können sich diese davon erwarten?

Das ist jetzt einmal ein Diskussionsansatz für die künftige EU-Agrarpolitik. Es geht um die Leistung des gentechnikfreien Anbaues auch von Österreichs Bauern.

Aber auch Milchbauern oder Geflügelhalter produzieren mittlerweile gentechnikfrei, manche nicht immer freiwillig. Sollen diese nicht vom Rabatt profitieren?

Letztlich sollen alle von den großen Zahlungsflüssen profitieren. Ich weiß, der Begriff Rabatt wurde kritisiert. Es gibt zwei Ansätze: entweder aufgrund unserer Gentechnikfreiheit weniger Geld nach Brüssel zu zahlen. Oder wir bekommen dafür mehr Geld aus Brüssel, etwa für Direktzahlungen. Und davon könnte dann jeder einzelne Betrieb etwa über höhere Flächenprämien profitieren, würde ich meinen.

Am Ende steht also eine nationale Erhöhung der Agrargelder?

Das werden wir sehen. Die Idee ist jedenfalls europäisch. Und wir müssen erst das Beste herausholen, um unsere Bauern zu stärken.

Für die Digitalisierung am Land hat sich schon Ihr Vor-Vorgänger Fritz Grillitsch vor beinahe zehn Jahren stark gemacht. Damals hieß es noch „Breitbandausbau“. Wie schnell ist das Internet eigentlich in Ihrem Heimatort?

Ziemlich schnell, 20 Megabit pro Sekunde. Nöchling war 2012 eine Pilotgemeinde, in der eine neue Glasfaserleitung gelegt wurde. Das ist kein Top-Wert, aber liefert eine gute Grundversorgung für die nächsten Jahre. Ich weiß, dass es in Österreich noch viele weiße Flecken gibt. Aber Digitalisierung bedeutet ja nicht nur Internet-Anbindung.

Aber ohne eine solche stehen auch die besten Farming 4.0-Technologien rasch an …

Das stimmt. Ich meinte auch generell die leistbare Verfügbarkeit solcher Technologien für kleinere und mittlere Betriebe. Ich denke da etwa an die Maschinenringe.

Sie waren vor ihrer Amtsübernahme auf Österreich-Tour. Auf facebook haben Sie danach verlautbart: „#ichbinsowasvonbauernbund!“Was haben Sie noch von den Kontakten mit den Funktionären der Basis mitgenommen?

Mir waren viele Wünsche und Anregungen schon aus meinem Wahlkreis im Mostviertel bekannt– von der Schweinemast bis zur Almwirtschaft. Neben Bauernhöfen habe ich auch Betriebe der vor- und nachgelagerten Gewerbesparten besucht, um mir ein Bild über die Anliegen der regionalen Wirtschaft zu machen. Sie alle benötigen direkt oder indirekt richtige Schwerpunktsetzungen in der Agrarpolitik, um Wertschöpfung zu liefern, von der alle Bewohner am Land etwa durch Kaufkraft profitieren. Das weiß ich als gelernter Bürgermeister.

Sebastian Kurz hat auch Österreich-Gespräche geführt, keines auf einem Bauernhof. Hat das im Bauernbund niemand aufgeregt?

Ich habe gehört, dass bei seinen Gesprächen immer wieder auch Bäuerinnen und Bauern dabei waren, also für Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern ohne Filter. Und das halte ich durchaus für einen gescheiten Ansatz. Herkömmliche Verhaltensmuster wurden so ausgeschaltet.

Aber vergrätzt  man damit nicht langjährige Funktionäre?

Der neue Stil in der Volkspartei wird uns sicher noch einiges aufzulösen geben. Aber die Dinge, die Sebastian Kurz vorgibt, fallen auf fruchtbaren Boden.

Soll das BMLFUW auch in der nächsten Legislaturperiode als solches bestehen bleiben?

Die Ressorteinheit Agrar und Umwelt passt gut und sollte beibehalten werden.

Wer ist eigentlich Ihr Wunsch-Koalitionspartner: Rot oder Blau?

Ich stehe für keine Festlegung vor der Wahl. Sonst bin ich eher pragmatisch: Eine Zusammenarbeit mit jenen, die das beste Regierungsprogramm mittragen.

Aber die FPÖ ist gegen die Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern. Ihre Meinung dazu?

Das ist für mich und ich denke auch für die meisten Bäuerinnen und Bauern kein Thema. Eine Berufsgruppe, die immer kleiner wird, sollte ihre Mitglieder bei der Stange halten. Die Kammern müssen im Gegenzug aber auch beweisen, dass sie den Mitgliedsbeitrag wert sind.

Kommen wir zu einigen Fachthemen: Wie realistisch ist es aus Ihrer Sicht, dass das Glyphosat auf den Feldern langfristig erlaubt wird, dessen Ausbringung in Gärten, auf Spielplätzen oder in den Blumenrabatten vor dem Gemeindeamt aber verboten bleibt?

Die mediale Berichterstattung über Glyphosat hat zu einer enormen Emotionalisierung geführt. Ich sehe mich als Kämpfer für die Sachlichkeit und wünsche mir eine Entscheidung darüber an Hand von wissenschaftlichen Fakten. Chemischer Pflanzenschutz wird auch in Zukunft notwendig sein. Darüber würde ich mir eine europäische Grundsatzentscheidung wünschen, weil es dabei nicht zuletzt auch um die Leistbarkeit von Lebensmitteln geht. Generell sind wir gefordert, unsere Produktionserfordernisse besser zu erklären als bisher. Es kann auch nicht sein, dass sich manche Wissenschaftler mittlerweile ihre Forschungsergebnisse Pro-Pflanzenschutz nicht mehr veröffentlichen trauen.

Noch ein Aufreger: Hat der Wolf, obwohl europaweit streng geschützt, in Österreich nun Aufenthaltsrecht oder nicht?

Das sehe ich sehr kritisch. Mittlerweile wurde dem Vernehmen nach auch in meiner Nachbargemeinde ein Kalb vom Wolf gerissen. Hier werden Grenzen des Zumutbaren erreicht. Aber der Diskurs wird wohl in Brüssel zu führen sein.

Gehört der Wolf nicht zu Schöpfung, als deren Bewahrer sich die Landwirtschaft gerne sieht?
Durchaus. Aber unsere Kulturlandschaft, wie wir sie heute vorfinden und auf die wir so stolz sind, wurde von den Bauern geprägt. Wenn sie diese schöne Schöpfung weiter erhalten sollen, muss man die Bauern ihre Arbeit machen lassen.

Manche träumen immer noch vom steuerbegünstigten Agrardiesel. Sie auch?

Wenn es um gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa geht, ist der Agrardiesel ohne Zweifel weiterhin ein Thema. Unter berechenbaren Bedingungen in einem Standortpaket am Verhandlungstisch würde ich dazu jederzeit ja sagen.

Ihr Vorgänger hat in seiner Abschiedsrede „Friedhofsblumen“ von Schulterklopfern zurückgewiesen, er hätte sich als Bauernbundpräsident mehr Unterstützung erhofft. Stimmt Sie das zuversichtlich?

Ich kann nur sagen: in den ersten zwei Monate wurde mir mit sehr viel Wohlwollen begegnet. Ich weiß aber auch, dass noch harte Zeiten auf mich zukommen werden, weil man es nicht jedem Recht machen kann. Aber ich kann mit Kritik sehr gut umgehen und freue mich über jedes Lob.

Jakob Auer wurde wegen seiner knapp zwei Dutzend Ämter und Funktionen oft kritisiert. Ihnen wurde nebenher schon der Bürgermeister von Nöchling zu viel, der Sie bisher waren. Was unterscheidet Sie noch von Auer?

Auer hat seine Funktion verdienstvoll ausgefüllt. Als Bürgermeister wird man jeden Tag von der Bevölkerung kontrolliert. Daher sollte man als solcher nicht nur immer wieder mal im Rathaus vorbeikommen, um etwas zu unterschreiben. Daher habe ich für dieses Amt einen Nachfolger gesucht. Ich möchte auch volle Arbeitsleistung erbringen.  Als Abgeordneter im Parlament, Spitzenkandidat in meinem Wahlkreis und als Bauernbundchef fühle mich völlig ausgelastet.

Interview: BERNHARD WEBER
Zur Person: DI Georg Strasser, 46, ist Absolvent des FJ Wieselburg, danach Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Ab 2008 Milchbauer mit 15 Kühen, Nachzucht und 20 Hektar Wiesen und Felder, ab 2005 Kommunalpolitiker, ab 2009 bis 2017 Bürgermeister in Nöchling, seit 2014 VP-Abgeordneter zum Nationalrat. Seit Ende August ist Strasser neuer Präsident des Österreichischen Bauernbundes.