Foto: Hagelversicherung

Smart und nachhaltig in die Zukunft

 

Aus Anlass des 75-Jahr-Jubiläums der Österreichischen Hagelversicherung wurde von ihr die Studie „Die Zukunft der Landwirtschaft in Österreich 2050+“ beim Zukunftsinstitut rund um Matthias Horx in Auftrag gegeben. Diese zeigt auf, welche Megatrends die Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten beeinflussen. In vier Szenarien werden künftige Entwicklungen beleuchtet. Daraus werden konkrete Handlungsempfehlungen für den Erhalt einer smarten und nachhaltigen Landwirtschaft, die unsere Bevölkerung mit ausreichend qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt, abgeleitet. 

 Horx: Eine neue Ära der Landwirtschaft beginnt

„Die Landwirtschaft hat sich radikal gewandelt. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die landwirtschaftliche Produktion stetig automatisiert. Durch den Bodenverbrauch erfolgt auf immer weniger Agrarflächen eine landwirtschaftliche Produktion. Zusätzlich schwebt das Damoklesschwert des Klimawandels mit den einhergehenden Wetterextremen über einem hoffentlich stabilen Ertrag. Zusätzliche Herausforderungen sind Dumpingpreise von Lebensmitteln und der Wegfall von Arbeitskräften in der Landwirtschaft sowie die fehlende Work-Life-Balance, da viele Landwirtinnen und Landwirte 365 Tage im Jahr hart arbeiten. Die Diskussion in der Ernährungsfrage nimmt auch zu. Die vegane Front auf der einen, die Fleischfreunde auf der anderen Seite“, so der bekannte Zukunftsforscher Matthias Horx in einer Bilanz über den Status quo der österreichischen Landwirtschaft. Und was bringt die Zukunft?

 Folgende Megatrends (Veränderungen) sind Zukunftstreiber auf dem Land

1.    Megatrend Neo-Ökologie: Das Landleben wird neu gedacht, regionale und nicht zuletzt biologische Lebensmittel gewinnen weiter an Bedeutung, die konventionelle Landwirtschaft positioniert sich stark dank ausgebauter Markenprogramme und der Bodenschutz rückt zunehmend in den Mittelpunkt neo-ökologischen Handelns.  

2.    Megatrend Gesundheit: Die Ernährungssouveränität als Gebot der Stunde und damit einhergehend ausreichend Äcker und Wiesen für eine stabile, vom Ausland unabhängige Produktion.

3.    Megatrend Urbanisierung: Neben der „Verdörflichung“ der Stadt kommt es zu einer „Verstädterung“ des Landes.

4.    Megatrend Konnektivität: Digitale Technologien und künstliche Intelligenz nehmen eine zentrale Rolle ein. 

5.    Megatrend Globalisierung: Durch Corona und durch den Ukrainekrieg wurden Grenzen geschlossen, Wertschöpfungsketten unterbrochen. Das Verhältnis zwischen lokal und global muss neu austariert werden. 

6.    Megatrend Sicherheit: Klimawandel und Preisdruck beeinträchtigen das Gefühl der Sicherheit. Das Thema Resilienz gewinnt an Relevanz.

 Welche Landwirtschaft wollen wir 2050?

1.    Szenario 1 – Post-Landwirtschaft 2050: Nach ungebremstem Bodenverbrauch und anhaltender Erderwärmung werden die schlimmsten Befürchtungen wahr. Österreich gibt die Landwirtschaft weitgehend auf. 

2.    Szenario 2 – Stadt-Landwirtschaft 2050: Die Grenzen der Städte verschieben sich in den ländlichen Raum hinein. Österreich kann sich bei weitem nicht selbst versorgen und ist abhängig von Importen.

3.    Szenario 3 – Biologische Landwirtschaft 2050: Österreich bleibt Musterland der ökologischen Landwirtschaft und passt sich beispielhaft an die Herausforderungen des Klimawandels an. Doch das Land bleibt hinter den eigenen Möglichkeiten zurück.

4.    Szenario 4 – Robuste, smarte Landwirtschaft 2050: Satelliten und Drohnen ersetzen weitestgehend die Augen und Ohren der Bauern auf dem Feld, Roboter ihre Hände. Im Einklang mit der Natur und dank Big Data lassen sich Anforderungen und Erträge in der Landwirtschaft präziser vorhersagen, wobei die Erträge durch die Zunahme der Wetterextreme zunehmend volatil werden. Die Lebensmittelversorgung ist durch den Erhalt der noch bestehenden Agrarflächen gewährleistet, Klimaschutz ist ein Gebot der Stunde.

 Handlungsempfehlungen für smarte und nachhaltige Landwirtschaft 2050+

„Faktum ist: Nur ein hoch digitalisierter Agrarsektor mit ausreichend Agrarflächen kann die Balance zwischen Ernährungssicherheit, Umweltgesundheit und hochwertigen Produkten herstellen. Politik, Gesellschaft und (Agrar-)Wirtschaft müssen schon jetzt auf diese vier agrarischen Handlungsempfehlungen reagieren, damit diese smarte und nachhaltige Landwirtschaft 2050 keine Utopie bleibt“, weist Horx auf die Dringlichkeit hin:

1.    Verständnis für Landwirtschaft und Landleben fördern: Bäuerinnen und Bauern müssen wieder Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren, damit auch kommende Generationen noch in der Landwirtschaft arbeiten wollen. Zudem muss die Qualität der heimischen Ernährung in der Schulausbildung Berücksichtigung finden. Der ländliche Raum gehört durch Digitalisierungsoffensiven gestärkt.  

2.    Faire Einkommen und Work-Life-Balance garantieren: Die Politik muss den Preiskampf um landwirtschaftliche Produkte entschärfen, Konsumentinnen und Konsumenten müssen angemessenere Preise zahlen. Der Gesundheitsschutz der Landwirte muss darüber hinaus einen höheren Stellenwert bekommen.

3.    Bodenschutz priorisieren: Der Bodenverbrauch in Österreich muss schnellstmöglich gestoppt werden. Stadt- und Gemeindeentwicklung darf nicht mehr auf Kosten fruchtbarer Flächen betrieben werden. Innovativ planen und bauen, Leerstand nutzen, aber auch politische Zuständigkeiten und Steuern reformieren – effektiver Bodenschutz setzt an vielen Hebeln gleichzeitig an. Dafür braucht es ein umfassendes Maßnahmenbündel!

4.    Nachhaltigkeit intensivieren: Österreich muss zum Forschungs- und Entwicklungsstandort für Nachhaltigkeit werden. Mehr Digitalisierung, moderne Tierwohlkonzepte, verstärkter Klimaschutz und wegweisende Pflanzenzüchtungen schaffen Sicherheit unter unsicheren (klimatischen) Bedingungen.

Appell: Gestalten, nicht zerstören!

Wollen wir, dass auf der Speisekarte des Restaurants der Name eines Labors in Amerika als Produzent des Wiener Schnitzels steht? Dass die Supermarktregale ähnlich ausgeräumt sind wie zu Corona-Zeiten in vielen Ländern Europas? Dass es in Zeiten von kriegerischen Handlungen Lieferengpässe bei vielen Grundnahrungsmitteln gibt? Wollen wir, dass unsere Enkel die Landwirtschaft nur mehr aus YouTube Videos kennen?  Wollen wir das als Realität für Österreich oder tun wir es als Science-Fiction ab? Wenn wir das nicht wollen – und davon ist auszugehen – müssen diese Handlungsempfehlungen von der Wertschätzung und der fairen Preisgestaltung bis hin zum Kampf gegen den Klimawandel und den Bodenverbrauch ernst genommen werden. Es muss ein Umdenken stattfinden, ein neuer Umgang mit der Natur erfolgen, in der der Mensch als ihr Gestalter auftritt, nicht als ihr Zerstörer. Und gerade Corona und der jetzige Krieg in der Ukraine zeigen auf dramatische Weise, wie wichtig eine intakte Landwirtschaft im eigenen Land ist. Die Lösung liegt jedoch nicht primär in einem „Zurück zur Natur“, sondern in einer klugen Synthese von traditionellen Methoden und neuen Technologien. Der Umbau der Landwirtschaft muss rasch beginnen, in einem betriebs- und volkswirtschaftlichen Erfolg münden und auch soziale Anerkennung verdienen. „Denn wir dürfen eines nicht vergessen: Die Landwirtschaft ist zweifelsfrei eine Schlüsselbranche für die Zukunft der Menschheit. Wir brauchen sie zum Leben. Von ihr kommen unsere Lebensmittel, sie gestaltet die Schönheit unseres Landes. Niemand kann in die Zukunft sehen, aber wir können sie gestalten. Daher werden wir unsere Initiativen konsequent fortsetzen. Zum Wohle der österreichischen Landwirtschaft und damit zum Wohle der zukünftigen Generationen!“, so der abschließende Appell von Kurt Weinberger.  

Die gesamte Studie ist hier zum Download verfügbar: https://www.hagel.at/presseaussendungen/zukunftsstudie