Interview mit Reinhard Grandke – DLG
Die Deutsche Landwirtschafts Gesellschaft, DLG, ist Ausrichter der größten Agrarmessen Europas. Stefan Nimmervoll hat mit Hauptgeschäftsführer Reinhard Grandke über die Auswirkungen von Corona und die Zukunft der deutschen Landwirtschaft gesprochen.
Blick ins Land: Sie sind Veranstalter vieler sehr großer Fachmessen. Werden wir jemals wieder Messen wie zuvor erleben oder war Corona eine Zäsur für die Messebranche?
Reinhard Grandke: Corona war bei allen negativen Auswirkungen auf Menschen und Wirtschaft auch ein Innovationsbeschleuniger für die Digitalisierung. Unser Umgang mit digitalen Instrumenten, Medien und Werkzeugen ist selbstverständlicher geworden. Das wird auch bleiben. Messen und Veranstaltungen, ja wahrscheinlich viele Bereiche des täglichen Lebens, werden in Zukunft hybrid. Das persönliche Treffen auf der Veranstaltung selbst wird aber der Höhepunkt in diesem Prozess sein und für Aussteller und Besucher noch emotionaler und effektiver werden. Das zeigt sich auch in den Ergebnissen unseres Agritechnica Trackers. 95 Prozent der befragten Landwirte planen den Besuch der Messe.
BiL: Oft entsteht der Eindruck, dass Messen eher zu einem Abenteuerausflug für die Familie geworden sind. Brauchen Hersteller die Messe überhaupt noch?
Grandke: Dass ein Landwirt ohne Vorinformation und Vorbereitung zur Messe fährt, dort spontan einen Schlepper oder Mähdrescher kauft, ist die Ausnahme. Auf Innovationsmessen wie der Agritechnica werden vor allem vorbereitete Abschlüsse gemacht. Der Kunde informiert und fasziniert sich für die Visionen und Innovationen und will auch nochmals bestätigt sehen, dass seine Entscheidung für eine Investition die Richtige war. Oft ist der Abschluss auf einer Messe schon wieder die Vorbereitung der nächsten Investitionsentscheidung. Die Qualität der Diskussionen auf der Messe nimmt deutlich zu. Regionale Messen gewinnen vor allem für das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft an Bedeutung. Was sich sowohl in den Konzepten als auch in der Aussteller- und Besucherstruktur niederschlägt.
BiL: Ziehen die Bauern Investitionen vor, die dann in ein paar Jahren fehlen werden? Folgt auf die Goldgräberstimmung der Katzenjammer?
Grandke: Klar nützen Landwirte als Unternehmer die Förderkulisse. Aktuell ist sogar der Gebrauchtmaschinenmarkt leergefegt. In vielen Betrieben kommen die Maschinen aber so zum Einsatz, dass die Nutzungsdauer auf eine bestimmte Zeit begrenzt ist. Da kann man eine Investition einmal um ein oder zwei Jahre verschieben, danach wird sie notwendig.
BiL: Das Umfeld, in dem vor allem die deutsche Landwirtschaft arbeitet, wird von der Branche selbst als schwierig erachtet. Dennoch wird viel investiert.
Grandke: Das Investitionsverhalten und die Stimmung unter den Landwirten hängen nicht immer direkt zusammen. Die Landwirte wissen, dass sie ihre Technologien anpassen müssen und in Zyklen oder bei Umfeldveränderungen investieren müssen. Zum Teil ist man da gezwungen, am technischen Fortschritt teilzuhaben.
BiL: In Deutschland stehen einige Umbrüche an, wenn man die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft liest.
Grandke: Die Zukunftskommission Landwirtschaft hat Visionen entwickelt, die jetzt in den politischen Prozess eingebracht werden. Dabei geht es weniger um Umbrüche in der Landwirtschaft, sondern eher um eine Neuausrichtung des gesamten Ernährungssystems. Diese ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
BiL: Für viele Konsumenten ist das Optimalbild der Landwirtschaft sehr romantisch. Wie lässt sich den Menschen erklären, dass sich moderne Technik und nachhaltige Landwirtschaft nicht ausschließen?
Grandke: Die Instrumente, die wir haben, um mit der Gesellschaft zu kommunizieren, sind nicht ausreichend. Es ist positiv, dass es Agrarblogger, Influencer und viele Initiativen gibt. De facto muss aber jeder landwirtschaftliche Unternehmer in seinem Umfeld kommunizieren. Immer noch haben viel zu wenige Betriebe eine eigene Homepage, die auch gepflegt wird.
BiL: Muss die Landwirtschaft nicht dennoch selbstkritisch feststellen, dass es bei den Betriebsgrößen und bei den Maschinendimensionen zu einer gewissen Gigantomanie gekommen ist, die eine Redimensionierung braucht?
Grandke: Eine Redimensionierung wird es geben. Zum Beispiel werden in einigen Einsatzgebieten Schwarmroboter große Maschinen ersetzen. Ich glaube aber nicht, dass wir zu kleineren Betriebsstrukturen zurückkommen. Der Strukturwandel wird weitergehen, ob uns das gefällt oder nicht. Auch die Technisierung auf den Betrieben wird zunehmen. Was immer an Veränderungen kommt, verursacht weitere Neuinvestitionen in Technologien. Diese muss effizient eingesetzt werden. Dafür braucht es oft eine gewisse Größe.
BiL: Wie kann unter diesen Voraussetzungen eine kleinstrukturierte Landwirtschaft, wie es sie in Österreich gibt, bewahrt werden?
Grandke: Natürlich gibt es Möglichkeiten für überbetriebliche Zusammenarbeit über Maschinenringe und Lohnunternehmen. Und gerade in den benachteiligten Gebieten sind die Landwirte mit ihren individuellen Betriebskonzepten schon sehr weit. Wenn ich mir zum Beispiel die Direktvermarktung anschaue, muss man den Österreichern gratulieren. Die Standardlösung, einfach Kühe zu melken, funktioniert da nicht
Zur Person: Reinhard Grandke hat Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Tierproduktion studiert. Von 1991 bis 1994 war er geschäftsführender Vorstand der Zentralbesamungsstation Gießen und von 1994 bis 1998 Managementberater mit den Schwerpunkten Strategie und Projektmanagement bei Hirzel, Leder & Partner. Seit 1998 ist Grandke bei der DLG, seit 2004 deren Hauptgeschäftsführer.