Foto: AMA, Adobestock

Fürs Fleisch wird´s eng

Alternativen zu Fleisch boomen. Unternehmen wie der Veggie-Burger-Hersteller Beyond Meat sorgen für einen Hype der jungen Branche. Zugleich steht „Laborfleisch“ vor der Tür, wie der AMA-Fleischmanager Rudolf Stückler im Interview bestätigt. STEFAN NIMMERVOLL wollte mehr wissen.

BLICK INS LAND: Essen wir zu viel Fleisch?

Stückler: Der Fleischkonsum ist ein Indikator für den Wohlstand einer Gesellschaft. Daher steigt dieser vor allem in Asien und in Afrika an. In den Industrieländern haben wir den Zenit überschritten und der Konsum ist rückläufig. Das ist schon ein Indiz dafür, dass wir tatsächlich zu viel Fleisch gegessen haben.

Der weltweite Bedarf wird aber weiter steigen…

Auch weil die Weltbevölkerung wächst. 2050 werden wir zehn Milliarden Menschen mit Eiweiß versorgen müssen. Wir produzieren derzeit jährlich 330 Millionen Tonnen Fleisch. Prognosen sagen, dass das in 30 oder 40 Jahren nochmals um 40 Prozent mehr sein werden.

Muss dieses Fleisch notwendigerweise von Nutztieren stammen?

Nicht nur. Laut einer Studie werden weltweit rund 35 Prozent davon aus Zellkulturen gewonnen. 40 Prozent werden „traditionelles“ Fleisch von Nutztieren sein und 25 Prozent dessen, was als„Fleisch“ verzehrt wird, wird pflanzenbasiert sein.

Heißt das, dass wir uns bald aus der Retorte ernähren werden?

Es wird eine ernstzunehmende Alternative werden. Jährlich werden mehrere Milliarden Euro in „Laborfleisch“ investiert. Man wird zwar in absehbarer Zeit kein Steak züchten können, aber Formfleisch, aus dem man Nuggets presst oder Faschiertes macht. Die Technologie wird auch immer effizienter: 2013 hat die Herstellung des ersten Laborburgers 250.000 Dollar gekostet. Heute kann man den gleichen Burger um acht Dollar erzeugen.

Wer wird so etwas dann essen?

Das ist noch nicht klar. Es gibt zwei Ansätze: Einerseits dass das Laborfleisch besonders exklusiv sein wird und es Leute kaufen, die schon gerne Fleisch essen möchten, es mit ihrem Gewissen aber nicht vereinbaren können, dass dafür Tiere sterben müssen. Andererseits könnte es aber auch sein, dass gerade das klassische Fleisch, das wir kennen, ein ganz besonders wertvolles, rares Lebensmittel werden wird.

Wie darf man sich die Produktion von solchem Laborfleisch vorstellen?

Mittels Biopsie werden Stammzellen von einem lebenden Tier entnommen und auf ein Gerüst geimpft. In einem 30.000-Liter-Reaktor entstehen dann mit viel Energieaufwand innerhalb von drei bis vier Wochen 200 Kilo Gewebe. Die verwendeten Nährlösungen sind ein Vitamin-Aminosäuren-Zucker-Cocktail und enthalten gentechnisch veränderte Bestandteile. Ethisch ganz unbedenklich ist das also auch nicht.

Wer investiert in solche Technologien?

Investoren wie Bill Gates oder Elon Musk. Aber auch das weltgrößte Schlachtunternehmen Cargill steckt Milliarden in die Entwicklung von Laborfleisch.

Ein zweites Hoffnungsfeld ist Insektenprotein. Halten Sie das für interessant?

Insekten sind besonders effiziente Lebewesen. Sie brauchen wenig Fläche, kaum Wasser und produzieren wenig CO2. Wir werden deren Eiweiß sicher zu uns nehmen.

In Europa werden also künftig mehr Heuschrecken geknabbert?

Heute werden Insekten, die als Snack oder in speziellen Restaurants angeboten werden, als Mutprobe gesehen. In Zukunft wird deren Protein aber eher in Energieriegeln oder als Mehl in Convenience-Produkten versteckt sein. Dort wird dann eben nicht mehr Pflanzen-, sondern Insektenprotein enthalten sein. Eine große Problematik für die menschliche Ernährung werden aber die darin enthaltenen Allergene sein.

Großfleischer wie Rügenwalder Mühle, Wiesenhof oder Neuburger sind in die Produktion von Ersatzprodukten auf pflanzlicher Basis eingestiegen. Ist der Markt so interessant?

Für die klassische Fleischindustrie ist es eine Chance, sich zu verbreitern und den Markt für Fleischkritiker abzudecken. Das Know-how in der Produktion und im Vertrieb ist ja vorhanden.

Was bedeutet das alles für die Landwirtschaft?

Der Fleischbereich wird in die Bredouille kommen. Der Absatz geht hierzulande zurück. Die Marktforschung besagt zwar, dass der Prozentsatz der Veganer über viele Jahre konstant bei einem Prozent, jener der Vegetarier bei fünf Prozent liegt. Jeder Fünfte sieht sich aber „Flexitarier“ und schraubt den Fleischkonsum zurück. Insgesamt wird viel bewusster Fleisch gegessen. Gerade beim Schwein werden wir deshalb Probleme bekommen, weil es ethische, religiöse und ernährungsphysiologische Vorbehalte gibt.

Brauchen wir also noch strengere Vorgaben, um uns abheben zu können?

Für den Frischfleischmarkt müssen wir uns dorthin entwickeln. Marketing heißt immer, etwas aus der Sicht des Kunden zu sehen. Die Konsumenten wollen gewisse Dinge nicht, also müssen wir uns darauf einstellen. Wenn es aber in Richtung Rohstoff für die Verarbeitung und den Export von günstigen Teilstücken geht, muss in erster Linie der Preis passen.

Bringt das die gentechnikfreie Fütterung beim Schwein?

Das ist sicher ein Thema. Wenn wir auf Märkten wie China auftreten wollen, müssen wir uns im Premiumsegment positionieren. Dazu gehören auch hofeigenes Futter und sauberes Trinkwasser. Allerdings müssen wir auch feststellen, dass wir uns bei den Modulen, bei denen es die gentechnikfreie Fütterung freiwillig schon gibt, sehr viel mehr Absatz wünschen würden.

ZUR PERSON

Rudolf Stückler (58) ist seit 1995 Marketing-Manager für Fleisch und Fleischwaren, Ei und Geflügel in der AMA-Marketing. Neben seiner Ausbildung an der Universität für Bodenkultur hat der gebürtige Steirer unter anderem Ausbildungen zum Diplom-Fleischsommelier und zum Fleischermeister absolviert.