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Deutschland führt staatliches Tierwohl-Label ein

Für mehr Tierwohl wollen viele Verbraucher in Deutschland grundsätzlich tiefer in die Tasche greifen – tatsächlich setzen sie diesen Vorsatz aber häufig nicht in die Tat um. Das ist das Ergebnis einer Studie der Hochschule Osnabrück zum Kaufverhalten von Supermarktkunden, berichtet Dow Jones News. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner kündigte die Einführung des staatlichen Tierwohl-Labels an.

Für die Konsumenten-Studie untersuchten die Forscher in einem mehrwöchigen Praxistest in einer Reihe von deutschen Supermärkten das tatsächliche Kaufverhalten bei verpacktem Schweinefleisch. „Die Ergebnisse haben uns überrascht“, erklärte Ulrich Enneking von der Hochschule Osnabrück. Demnach waren in dem untersuchten Zeitraum 16% der Kunden in den Märkten der Handelskette Edeka bereit, einen Artikel mit Tierwohl-Siegel zu kaufen. Außerdem wurden Preisaufschläge von etwa 30 Cent für einen mittelpreisigen Schweinefleisch-Artikel nach Tierwohl-Standards akzeptiert. Das entspricht einer Preiserhöhung von 9 bis 13%. Bei Preisaufschlägen von 26% etwa für Gulasch sei der Absatz deutlich zurückgegangen, so die Studie.

„Bisherige Umfragen haben ergeben, dass viele Verbraucher grundsätzlich bereit sind, deutlich mehr Geld für Fleisch auszugeben, wenn es nach höheren Tierwohl-Standards produziert wurde“, so Enneking. Die beobachtete Realität beim tatsächlichen Kaufverhalten sei aber „differenzierter und komplexer“.

Die Ergebnisse basieren demnach auf dem Verkauf von mehr als 18.000 Produkten. Die Hochschule verglich dazu zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember den Verkauf von Bratwurst, Minutensteaks und Gulasch einer günstigen und einer Bio-Marke mit einem neu eingeführten Produkt mit Tierwohl-Siegel im „mittleren Preissegment. Dabei wurde zwischendurch die Werbung verändert, und es wurden Preisanpassungen vorgenommen. Im Kassenbereich gab es parallel dazu eine Befragung: Hier hätten „deutlich mehr“ Verbraucher angegeben, Tierwohl-Produkte zu bevorzugen, als im konkreten Kaufverhalten festgestellt, lautet das Fazit der Hochschule.

Das Thema Tierwohl stand am Freitag auch beim Start der Grünen Woche in Berlin im Mittelpunkt. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner teilte mit, sie habe die Notifizierung eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung eines dreistufigen Tierwohl-Kennzeichens eingeleitet. Ziel sei es, dem Verbraucher sichtbar zu machen, bei welchen Produkten höhere Standards als die gesetzlichen eingehalten wurden, die ein Mehr an Tierwohl garantieren. Klöckner hatte sich in den vergangenen Tagen mit einer Reihe von Verbänden weitgehend auf die entsprechenden Kriterien für das Siegel geeinigt, das auf freiwilliger Basis vergeben werden soll.

Die staatliche Tierwohl-Kennzeichnung gehe über eine reine Haltungskennzeichnung, wie sie der Handel plane, hinaus, denn es werde hier die gesamte Lebensspanne des Tieres einbezogen – von der Geburt bis zur Schlachtung – und nicht nur das Platzangebot und gegebenenfalls der Bewegungsradius wie bei einer Haltungskennzeichnung, gab Klöckner zu verstehen. Es gehe jetzt darum, „einen gemeinsamen Weg zu gehen, mit dem mehr Tierwohl erreicht wird, der für die landwirtschaftlichen Betriebe praktikabel ist und an dessen Ende ein glaubwürdiges, staatliches Kennzeichen steht, auf das sich die Verbraucher verlassen können“.

In der vergangenen Woche hatte der deutsche Lebensmitteleinzelhandel ebenfalls eine einheitliche Kennzeichnung der Tierhaltung angekündigt. Dabei wollen die beteiligten Unternehmen ab April verpackte Fleischprodukte mit der Art der Haltungsform kennzeichnen – je nach Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere.