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Deutschland diskutiert „fleischfreies Fleisch“

Die von der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) zu Jahresende veröffentlichten „Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeiten zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ werden nach Auffassung des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) zu einigen Herausforderungen für die produzierende Wirtschaft, aber auch für die Konsumenten führen. Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht in den neuen Leitsätzen bestenfalls das „Bemühen, mehr Klarheit und Wahrheit in die Kennzeichnung von Fleischersatzprodukten“ zu bringen. Manche Veggie-Bezeichnungen würden aber nach wie vor für Verwirrung bei den Verbrauchern sorgen. „Es gibt kein fleischfreies Fleisch“, bringt der Verband die Problematik auf den Punkt.

„Vegane und vegetarische Produkte liegen im Trend, und die wachsende Zahl derer, die kein oder selten Fleisch essen, möchte auf eine gewisse Vielfalt zurückgreifen. Wichtig ist aber, dass keiner durch die Bezeichnungen irregeführt wird“, erklärte Sieglinde Stähle von der Wissenschaftlichen Leitung des BLL und zugleich Mitglied in der DLMBK gegenüber Dow Jones News.

Deshalb habe die Frage im Raum gestanden, ob die gängige Praxis, solche Ersatzprodukte analog zu den vertrauten Fleisch- und Wurstwaren, denen sie nachgebildet sind, zu bezeichnen, hilfreich oder verwirrend ist und ob solche Bezeichnungen nicht dem Original vorbehalten sein sollten. „Letztendlich hat die Kommission einen Kompromiss in Form eines abgestuften Kennzeichnungskonzepts in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit zwischen Fleischerzeugnissen und deren Analogen gefunden. Ein Teil der Bezeichnungen ist tabu, ein Teil kann beibehalten werden, während andere eine Umschreibung tragen müssen“, so Stähle.

Der Bauernverband sieht die Sache kritischer: Mit den neuen Leitsätzen werde zwar der bestehende Wildwuchs bei Veggie-Bezeichnungen kanalisiert und es würden die größten Auswüchse beseitigt. Nach wie vor sei aber schwer vermittelbar, wenn die Bezeichnung eines aus Pflanzenbrei bestehenden Stücks als „vegetarisches Schnitzel“ nicht beanstandet werde, während eine aus einem Fleischbrei geformte Schnitte zu Recht nicht „Schnitzel“ heißen dürfe, erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Denn nach den Leitsätzen für echtes Fleisch und Fleischerzeugnisse sei ein Schnitzel eine zum Kurzbraten oder Grillen geeignete Scheibe von in natürlichem Zusammenhang belassenem sehnen- und fettgewebsarmen Fleisch. „Das passt nicht zusammen“, so Krüsken. Weil in der Vergangenheit Hersteller von vegetarischen oder veganen Lebensmitteln dazu übergegangen sind, für diese Ersatzlebensmittel den guten Namen von Fleischerzeugnissen wie zum Beispiel Schinken zu verwenden, hatte der DBV zusammen mit dem Deutschen Fleischer-Verband eine Klarstellung in den bestehenden Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches beantragt. Demnach seien fleischlose Erzeugnisse als Produkte eigener Art anzusehen, für welche die Bezeichnungen für Fleisch und Wurstprodukte nicht verwendet werden dürften. Anderenfalls würden die strengen Qualitätsanforderungen des Originals unterlaufen, so die Argumentation.

Im Ergebnis sehen die neuen Leitsätze laut DBV vor, dass je höherwertiger die Qualität des imitierten tierischen Original-Lebensmittels ist, umso höher sind auch die Anforderungen an eine korrekte Bezeichnung des Pseudofleisch-Produktes. Deshalb bewertet der Verband die Leitsätze als wichtigen Schritt zum Schutz vor Täuschung. „Wir werden uns aber weiter für einen umfassenden Schutz der Bezeichnungen für Fleisch und Wurstwaren einsetzen. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, wie bei Milch einen Bezeichnungsschutz auf EU-Ebene für das Original festzuschreiben“, sagte Krüsken. So wenig, wie es einen veganen Käse geben dürfe, so wenig könne es eine fleischfreie Schinkenwurst geben. Der Bauernverband fordert die Hersteller der Fleischersatzlebensmittel auf, irreführende Bezeichnungen und Produktaufmachungen zu unterlassen.