Foto: Alois Burgstaller

Der Aubauer braucht keinen Vergleich zu scheuen

Die Entwicklung der Milchviehhaltung scheint klar: mehr Kühe, mehr Fläche, mehr Leistung.  Wenige Betriebe halten sich da heraus. Wie macht das die Familie Heiden vom Aubauernhof?   ALOIS BURGSTALLER hat sie besucht.

Weil ich zu früh dran bin, zuckle ich durch das letzte Dorf vorm Ziel. Ich bin schon gespannt, was diesmal auf der Stalltür zu sehen sein wird. Für die Orden der Milchwirtschaft droht auf so mancher Stalltür Platzmangel. Da gibt es Plaketten für Stalldurchschnitte und Inhaltsstoffe, für Kühe mit hoher Leistung. Es gibt Schilder für hygienische Milchlieferung. Wem es nach dem Studium einer Stalltür noch nicht klar sein sollte, worum es bei der Milchviehzüchtung geht, dem ist nicht zu helfen. Stalldurchschnitt und Milchleistung je Kuh sind die Kennwerte der Züchter.

Die Geschichte mit der Milchleistung

Herta und Helmut Heiden  sind beide  um die 50, Sohn Sebastian ist 22 Jahre und hat die Bergbauernschule Hohenlehen besucht.Tochter Katharina verdient ihr Einkommen auswärts und betreut die Hof-Homepage. Ich trete ins Vorhaus. „Wen soll denn das interessieren?“, begrüßt mich der Bauer verschmitzt auf meine Frage nach den Orden. So spricht einer, der weiß, was er tut und worum es wirklich geht. Er kennt die Milchbauern und ihr Interesse an Alternativen. Solle er sich schämen, fragt er rein rhetorisch, weil sein Fleckvieh magere 5.800 kg Milch gegeben hat?  Dafür bekomme er nicht einmal mehr eine Plakette vom Zuchtverband. Auch er hatte schon vereinzelt 8.000er Kühe. Seine beste Kuh ist 15 Jahre alt bei 90.000 kg Lebensleistung. Aber mit solchen Spitzenkühen versuchen auch die normalen Züchter zu punkten. Es freut ihn, dass die Hälfte der 50 Kühe 5 Laktationen hat. Trotz phasenweiser knapper oder zu üppiger Fütterung liegt die durchschnittliche Nutzungsdauer bei 7 Jahren. Was Heiden braucht, sind Kühe, die jedes Jahr kalben. Im Jahresbericht des Hofs ist es nachzulesen: Zwischenkalbezeit 356 Tage. Dem mitlaufenden Stier sei Dank! Bei mittlerweile mehr als 50 Kühen ist der Stier ein wichtiger Mitarbeiter beim Herdenmanagement. Grasfüttern führt aber zu weniger Inhaltsstoffen: Milch mit 3,1 Prozent Eiweiß und 3,8 Prozent Fett sammelte die Pinzgau Milch 2019 ein.

Die Geschichte mit den Molkereien

Einer Reihe mehrerer Ereignisse ist es zu verdanken, dass im Ybbstal ein Milchwagen der fernen Pinzgau Milch unterwegs ist. Waidhofener, Gmundner, MGN, Freie
Milch und Seifried sammelten in der Gegend schon Milch. Zuletzt konnten einige Bauern wieder zur MGN wechseln. Andere mussten notgedrungen Bio-Heumilch machen, um für die Pinzgauer liefern zu können. Heiden bekam von der MGN die Möglichkeit zugestanden, mit einer Rückkehrgarantie Bio-Heumilch für Pinzgau zu liefern, da die MGN keine Heumilch sammelt. So kann er die Bio-Milch jetzt um 55 Cent bis vorerst zum Jahr 2022 liefern. Für seine 230.000 Liter Liefermenge ist das der bestmögliche Preis.

Die Geschichte mit dem System

Der Aubauer ist seit 10 Jahren beim Milcharbeitskreis. Selbst wenn die Begeisterung dafür schon einmal größer war, sie werden Mitglied bleiben. Das System der kraftfutterfreien Fütterung spart sogar beim Ausfüllen der Daten für den Arbeitskreis Arbeit, witzelt er. Mit Genuss vernimmt er, wenn der Arbeitskreis-Berater seine Daten zur Auswertung nicht früh genug erwarten kann. Da sich mittlerweile mehrere Betriebe dem Low-Input-System verschrieben haben, gibt es einen separaten Arbeitskreis, der sich international austauscht. Warum solle er auf die Weide verzichten, wenn er so laut Auswertungen für 10 Cent Direktkosten Milch erzeugt? Sein System ist durchdacht. Er praktiziert Kraftfutterfreiheit seit 10 Jahren. Von seinen 66 ha sind 14 Hektar Weiden und 2–3 ha Speisegetreide. Die Weiden sind in fünf Koppeln aufgeteilt. Nach jedem Melken gehen die Kühe auf eine andere Fläche. Auf diesen Koppeln hat der Traktor nichts verloren. Kein Mähen, kein Mulchen, keine Engerlingjagd, nichts! Auf den Mähflächen wird Heu gemacht. Sie hätten das immer schon so gemacht, jetzt nennt man es halt Kurzrasenvollweide. Aus den Auswertungen der Low-Input-Betriebe zitiert Heiden, dass seine Kühe aus den Weideflächen knapp 10.000 Liter Milch/ha erzeugen. Erstmals fällt jetzt der Begriff Hektarleistung. Dafür gibt es noch keine Plaketten auf der Stalltür. Leider habe er Pachtflächen, die weit weg vom Hof liegen, beteuert der Milchbauer. Damit die Kühe so viel Gras wie möglich fressen, hat er vor 10 Jahren aufgehört, Getreide zu füttern. Um die Futterqualität und Schlagkraft abzusichern, haben sie sich eine moderne Entfeuchtungsanlage angeschafft. Bei ihr und der Erntetechnik denken Heidens nicht an Low-Input sondern an High-Output. Auf niemanden bei der Futterernte angewiesen zu sein, erfordert Top-Mechanisierung. Weil Herta Heiden sich um die Tiergesundheit kümmert, verzichtet sie seit drei Jahren auf den Einsatz von Antibiotika. Stattdessen setzt sie auf die heilende Kraft der Pflanzen und ihrer Öle. Die Fliegenplage lasse sich beispielsweise mit Lavendelöl gut eindämmen, erzählt sie aus der Praxis.

Die Frage nach der Zukunft

Die Familie ist noch am Überlegen, wie der künftige Stall sein soll. Jedenfalls strohreich, wegen der Emissionen. Beim Stallbau gebe es jetzt nur eines: Wer kann, baut einen Stall mit Robotern. Ihr Betrieb wäre dafür groß genug. Jungbauer Sebastian lassen die Kennwerte der normalen Milchproduktion erstaunlich kalt. Warum sollte er die Leistung steigern? Diesbezüglich komme er nicht ins Grübeln. Welches Futter sollte er im Mischwagen mischen? Sie hätten sich auch Melkroboter angeschaut. Er will als Bio-Weidebetrieb die Stickstoff-Verluste minimal halten, das ginge mit dem Roboter schlecht. Er ist schlicht nie in Versuchung gekommen, leistungsfördernd zu füttern. Dies haben sie sich erspart, weil ihr Einkommen locker mithalten kann. Zahlen könne er diesbezüglich vorweisen, aber er wolle lieber kein Öl ins Feuer der Einkommensdebatte gießen.

Der Betrieb in Biberbach wird seit 27 Jahren biologisch bewirtschaftet. Helmut ist im Vorstand von Bio­-Austria NÖ. Durch Schule­ am­ Bauernhof steht die Familie in engem Kontakt zu erwachsenen und künftigen Konsumenten. Mehr info auf www.bio-aubauernhof.at