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ARGE Heumilch: Raus aus der Kombihaltung

Die Milchproduktion am Berg ist stark von der Kombinationshaltung geprägt. Perspektivisch wird es aber, wo immer es möglich ist, Laufställe brauchen. In den meisten Fällen sind Umbauten möglich. STEFAN NIMMERVOLL hat sich ein Beispiel in Kärnten angeschaut.  

Der Brief, der den rund 8.000 Lieferanten der ARGE Heumilch vor einigen Wochen ins Haus geflattert ist, war mehr als eindeutig: Bis Ende des Jahrzehnts sollen die silofrei gefütterten „Gourmets unter den Kühen“ zur großen Mehrheit in Laufställen stehen. „Wir übernehmen Verantwortung gegenüber unseren Mitgliedern. Daher hat der Vorstand der ARGE Heumilchdas Ziel formuliert, dass Milchviehbetriebe der Zukunft einen Laufstall mit Auslauf und – oder – Weide haben werden“, sagt Obmann Karl Neuhofer. Zwar wolle man dies nicht verpflichtend ins Regulativ aufnehmen, die Umstellung werde aber schneller gehen, als sich dies viele vorstellen können. Ein Teil der Betriebe, die heute ihre Rinder noch zeitweilig anbinden, würden aufgrund des natürlichen Strukturwandels bis dahin aufhören. Der Großteil wird aber einen Laufstall errichten, erwartet Neuhofer. „In Deutschland, aber auch in Österreich, ist das schon eine Frage der Ausschreibungen des Handels. Das anzusprechen, entspricht einer ehrlichen Kommunikation.“

Der Salzburger wünscht sich auch von der Interessensvertretung marktorientierteres Handeln statt Versprechungen, die eher einem Wunschdenken nachkämen. „Wenn das von Konsumenten und vom Handel verstärkt gefordert wird, ist ein bedingungsloses Festhalten an Bestehendem kaum förderlich“, so Neuhofer. Betriebe, die in der Milchwirtschaft bleiben wollten, müssten sich auch entsprechend den Marktbedürfnissen weiterentwickeln. Schon heute differenzieren verschiedene Molkereien bei den Milchauszahlungspreisen nach Haltungsformen. Dieser Trend wird sich aus Sicht des Obmanns fortsetzen. Die ARGE Heumilch möchte die Betriebe folglich animieren, mit einfachen Umbaulösungen oder bei Stallerweiterungen eine Laufstallhaltung zu planen. Deshalb habe man gemeinsam mit dem Brief auch die Broschüre zum im Vorjahr vorgestellten EIP-Projekt „Bergmilch-Vieh“ ausgeschickt. In ihr sind 32 innovative Baulösungen für einen kostengünstigeren Umbau beschrieben. „Nicht jeder hat gleich viel Planungskreativität. Deshalb lassen sich daraus viele gute Ideen kopieren und mit dem eigenen Betrieb kombinieren“, meint Neuhofer.

Einer der in dem Projekt vorgestellten Höfe ist jener von Michael Moser in Wieting im Görtschitztal in Kärnten. Er hat den Fleckviehbetrieb in 875 Meter Seehöhe 2015 von seinen Eltern mit acht Kühen und Kombinationshaltung übernommen, auf biologische Wirtschaftsweise umgestellt und 2017 um einen Tiefliegeboxenstall mit integriertem Auslauf ergänzt. Heute hält er 15 Kühe, für deren Milch er bei der im Tal ansässigen kleinen Sonnenalm-Molkerei einen guten Milchpreis erzielt. „Mein Ziel war es, den Hof so aufzustellen, dass ich davon im Vollerwerb leben kann“, erklärt der Jungbauer. „Stallungen können nüchtern, rein funktionell und zweckgerichtet sein, sie können aber auch eine besondere Ausstrahlung vermitteln“, resümieren die Autoren der Broschüre. Dieses Gefühl habe man bei Mosers Stall. „Mit viel Geschick wurde sowohl die Funktion als auch das Erscheinungsbild zu etwas sehr Gelungenem zusammengefügt.“

Hundert verschiedene Lösungsansätze habe er im Kopf gehabt, erinnert sich der Kärntner. Dank der guten Beratung durch die Landwirtschaftskammer sei es schließlich eine einfache Holzkonstruktion entlang des bestehenden Altgebäudes aus den 1950-er-Jahren geworden. Verbunden werden die beiden Bereiche durch den neuen Futtertisch. Im Altbestand befinden sich heute das Jungvieh und die Abkalbebucht. Neben dem Objekt wurde ein planbefestigter Auslauf angelegt, wobei die Tiere, sobald es die Vegetation zulässt, ohnehin fast den ganzen Tag auf der Weide sind. Gemolken wird in einem Dreier-Fischgrät-Melkstand, eine neue Milchkammer wurde ebenso errichtet. Moser mistet mit dem Hoftrac aus, nur der Auslauf muss noch händisch gereinigt werden. „Es war uns wichtig, dass einer allein die Arbeit erledigen kann. Früher sind wir zu dritt je zwei Stunden in der Früh und am Abend im Stall gestanden.“

Der Tiroler Stefan Lindner, seit dem Vorjahr Obmann der Berglandmilch, berichtet von interessanten Aha-Erlebnissen, die manche Kollegen hatten. „Leute, die ursprünglich nie auf einen Laufstall umbauen wollten, erzählen mir, wie viel Freude sie jetzt damit haben.“ Er rät dazu, sich andere Betriebe anzusehen, wenn man unschlüssig ist und sich nicht vorstellen kann, wie ein Umbau möglich ist. Um positive Beispiele vor den Vorhang zu holen, habe sich die Genossenschaft an dem EIP-Projekt beteiligt. Zugleich warnt er davor, bei dem Thema nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten: „Wenn jemand investiert, muss es ein Laufstall sein. Für Höfe mit Kombinationshaltung muss es aber mittelfristig trotzdem Perspektiven geben.“ Statt mit Verpflichtungen arbeite man bei der Berglandmilch daher mit starken finanziellen Anreizen in Richtung Tierwohl. Ab 2025 wird es als Mindeststandard die Kombinationshaltung geben. „Um diese abzusichern, müssen wir rasch weg von der permanenten Anbindehaltung“, unterstreicht Lindner.

Auch die HBLFA Raumberg-Gumpenstein war an dem Bergmilchviel-Projekt beteiligt. Beim Vergleich von Kombihaltung und Laufstall möchte der Leiter für Forschung und Innovation, Andreas Steinwidder, nicht schwarz-weiß malen: „Gut geführte Kombinationshaltungsbetriebe sind mit durchschnittlichen Laufstallbetrieben vergleichbar. Sie werden erhalten bleiben, aber in der Kommunikation eine Herausforderung sein.“ Auch er betont, dass jeder, der seinen Betrieb adaptieren will, unbedingt einen Laufstall planen soll. Zugleich müsse man sich aber bemühen, jene Betriebe nicht zu verlieren, die aktuell nicht umbauen können oder wollen. „Wir werden die Milchwirtschaft am Berg brauchen. Nicht jeder kann Alpakas halten.“

Manche Bauern haben indessen immer noch fachliche Vorbehalte gegen den Laufstall. Milchbauer Michael Moser kommuniziert seine Erfahrungen Besuchern gegenüber sehr offen: „Im Anbindestall waren die Kühe etwas ruhiger, weil wir da noch mehr Kontakt mit ihnen hatten. Und wenn es kalt ist, gefriert im Offenstall alles.“ Unter dem Strich sind seine Erfahrungen aber positiv. „Ich merke, wie es den Rindern gefällt, wenn die Sonne in den luftigen Stall hineinscheint. Wir produzieren kostengünstig und tierfreundlich. Ich blicke grundsätzlich positiv in die Zukunft.“ Abgeschreckt werden manche Landwirte auch von den Kosten für den Umbau. Diese sind bei Moser überschaubar gewesen. „Unser Gedanke war, dass wir unter 200.000 Euro bleiben. Das ist uns, dank der vielen Eigenleistungen und dem Holz, das wir selber geschlagen haben, gelungen.“

Nach der Inflation der letzten Jahre würde das so wohl nicht mehr möglich sein. Millionenbeträge sind aber auch heute nicht nötig, um einen Milchbauernhof zukunftsfit zu machen. ARGE Heumilch-Obmann Karl Neuhofer geht von 10.000 bis 20.000 Euro pro Rind aus und fordert deshalb eine Anhebung der Obergrenze bei der Investitionsförderung von 400.000 auf 600.000 Euro. „Das würde dann für einen 30 Kuh-Betrieb gut passen“, meint er. Da die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik schon verteilt sind, brauche es ein Sonderprogramm seitens der Bundesregierung mit dem Titel „Umbau der Haltungsformen“. Zugleich müsse das Problem behoben werden, dass Förderungen aktuell nur dann genehmigt werden können, wenn auch im Altbestand emissionsmindernde Maßnahmen gesetzt werden, selbst wenn der Stall erst ein Jahr alt ist. Das sei meist technisch gar nicht möglich. Einige hundert Anträge seien deshalb aktuell gar nicht abschließbar. „Da sind Bauern darunter, die schon vor der Teuerung bauen wollten, das aber nicht konnten, weil damals die Töpfe der Länder ausgeschöpft waren.“

www.bergmilchvieh.at

www.heumilch.at

Ergebnisse aus dem EIP Projekt Berg-Milchvieh (Datenerhebungsphase 2020-2021). Das Projekt wurde finanziell unterstützt durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) sowie durch das Österreichische Programm für Ländliche Entwicklung 2014 bis 2020 (LE 14-20) des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus.