Agrargelder mehr an Leistungen binden
Die biologische Landwirtschaft boomt sowohl in Österreich als auch europaweit. Die Obfrau der
Bio Austria, Gertraud Grabmann, hat mit STEFAN NIMMERVOLL über Förderoptimierer, Marktchancen und
die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik gesprochen.
Blick ins land: Die aktuellen Zahlen des Landwirtschaftsministeriums weisen einen neuen Rekord an Biobetrieben in Österreich aus. Sind Sie zufrieden?
Grabmann: Ja. Wir haben in den letzten Jahren eine sehr gute Entwicklung im Biolandbau hingelegt. Die Zahl der Betriebe ist von 2017 auf 2018 um über 400 auf 23.500 gestiegen.
Bis zum Beginn der nächsten GAP-Periode ist der Einstieg in die Förderprogramme nun nicht mehr möglich. Weitere Biobauern werden also kaum noch dazukommen?
Mit dem Herbstantrag war der Umstieg in die Maßnahme „biologische Wirtschaftsweise“ im ÖPUL zum letzten Mal möglich. 2019 werden also noch neue Betriebe dazukommen. Danach wird sich die Zahl der Umstellungen aufgrund des Einstiegsstopps aber stark reduzieren.
Könnte man das nicht anders lösen?
Das wäre wünschenswert. Viele Bauern mussten eine geplante Umstellung vorverlagern, weil sie gewusst haben, dass sie nur mehr bis Ende des Vorjahres einsteigen können. Damit kommen in relativ kurzer Zeit viele Betriebe dazu. Das wird sich auf den Markt auswirken, weil dann plötzlich viel zusätzliche Ware verfügbar sein wird. Mit einem kontinuierlichen Einstieg über die gesamte Förderperiode, wie dies etwa in Deutschland der Fall ist, wäre die Situation ausgewogener gewesen.
Besteht also die Gefahr, dass wir Überschüsse und einen Preisverfall erleben?
Punktuell ja. Das Preisthema wird uns vor allem im Umstellungsbereich begleiten. Wir haben schon bisher immer wieder erlebt, dass Umstellerware zu konventionellen Preisen verkauft werden musste. Im anerkannten Biobereich sehe ich diese Gefahr aber weniger.
Ein guter Teil der Bio-Neueinsteiger der letzten Jahre kommt aus dem Ackerbaugebiet im Osten Österreichs. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass es sich dabei oft um „Förderoptimierer“ und keine überzeugten Biobauern handelt?
Grundsätzlich begrüße ich jedes Hektar, das in Österreich zusätzlich biologisch bewirtschaftet wird. Mein Zugang ist: Geben wir jedem, der jetzt umgestellt hat, die Chance, die biologische Landwirtschaft auch zu leben. Begleiten wir diese Bauern, damit sie lernen, biologisch zu denken. Ich bin selbst ja auch nicht als Biobäuerin zur Welt gekommen. Man braucht Zeit, um eine Umstellung zu verinnerlichen.
Auch im Ausland wächst die Zahl der Biobauern. Verliert Österreich sein Alleinstellungsmerkmal?
Nein. Zwei Drittel der österreichischen Bioproduktion kommt von Verbandsmitgliedern. Da gelten strengere Vorschriften. Wir heben uns damit qualitativ von Produkten ab, die nach den Basisregeln der EU-Bioverordnung erzeugt werden. Diese Differenzierung greift am Markt.
Aber der Konkurrenzdruck steigt. Freut es Sie überhaupt, dass die biologische Landwirtschaft europaweit so boomt?
Aus ökologischer Sicht ist diese Entwicklung natürlich richtig und wichtig. Aber wenn in unseren Nachbarländern die lokale Produktion steigt, wird es zu Marktverschiebungen kommen. Der Grad der Eigenversorgung wird in Ländern wie Deutschland steigen. Unsere Aufgabe als Verband ist es daher, auch Exportmärkte zu entwickeln, die den Bedarf langfristig nicht im eigenen Land decken können.
Wo sehen Sie diese?
Zum Beispiel in Japan oder am arabischen Golf. Dort werden wir daher in nächster Zeit gemeinsam mit Marktpartnern auf Messen vertreten sein.
Ist es denn besonders „bio“, Produkte über die halbe Erdkugel zu verschicken?
Eine spannende Frage, die aber so meist nur in Bezug auf Bio-Lebensmittel gestellt wird. In anderen Bereichen werden steigende Exportzahlen gerne als Erfolg kommuniziert und kaum hinterfragt. Warum sollte ein Bio-Käse nicht schaffen dürfen, was Manner-Schnitten und Mozart-Kugeln erreicht haben?
In Österreich ist der Bio Anteil im Verkauf immer noch hinter jenem in der Produktion …
Der direkte Vergleich zwischen Fläche und Umsatz hinkt. Davon abgesehen muss es natürlich unsere erste Aufgabe sein, den Heimmarkt zu stärken. Da haben wir noch sehr viel Luft nach oben. So sind 95 Prozent der Waren, die im Lebensmitteleinzelhandel zu finden sind, nicht biologisch, obwohl die Werbung dafür sehr präsent ist und einen anderen Eindruck vermittelt. Ein anders Beispiel ist die Gemeinschaftsverpflegung: Wien hebt den Anteil beim Schulessen jetzt von 40 auf 50 Prozent bio und liegt damit weit vor anderen Bundesländern. Kopenhagen hat im Vergleich dazu mehr als 90 Prozent.
Ginge nicht auch im Bereich der Gastronomie viel mehr?
Ja, hier muss es aber auch verbindliche Spielregeln geben. Derzeit kann jeder Gastronom „bio“ ausloben. Was tatsächlich eingesetzt wird, ist allerdings ohne Zertifizierung durch eine Kontrollstelle nicht transparent. Das verhindert einen fairen Wettbewerb zwischen jenen, die sich bereits freiwillig zertifizieren lassen und dem Rest, der „bio“ nur auslobt.
Wie die Gemeinsame Agrarpolitik in der nächsten Periode aussehen soll, wird gerade heiß diskutiert. Was fordert die Bio Austria?
Die Gewichtung muss sich ändern: Mindestens die Hälfte der GAP-Mittel muss für die Bezahlung von jenen Leistungen reserviert sein, die Bauern im Bereich Umwelt, Klima, Tierwohl und Artenvielfalt für die Gesellschaft erbringen. Laut derzeitigem Kommissions-Vorschlag sind dafür im EU-Schnitt acht Prozent vorgesehen. In Österreich wird dafür derzeit ein Viertel der Mittel eingesetzt. Wir reden also auf Ebene Österreichs von einer Verdopplung dieser Mittel.
Also eine finanzielle Besserstellung der biologischen gegenüber der konventionellen Landwirtschaft?
Nein. Hier geht es nicht um bio oder konventionell, sondern darum, die steigenden Anforderungen, die Gesellschaft und Politik an uns Bauern stellen, abgegolten zu bekommen. Wer freiwillig mehr leistet, soll auch mehr bezahlt bekommen.
Aber Sie fordern schon mehr Geld für die biologische Landwirtschaft?
Im Jahr 2017 sind 115 Millionen Euro in die ÖPUL-Bio-Maßnahme gegangen. Das sind 26 Prozent des gesamten ÖPUL-Budgets, bei einem Flächenanteil von 25 Prozent. Bio ist also nicht „überfördert“, wie manche behaupten. Bis 2025 wird die Bio-Fläche wahrscheinlich auf 30 Prozent steigen. Rein prozentuell gerechnet wären das 23 Millionen Euro mehr. Wenn es darum geht, angemessene Prämien für die Biobetriebe zu garantieren, muss das bei einem Gesamtbudget von über einer Milliarde Euro in der Ländlichen Entwicklung machbar sein.
Wenn das Agrarbudget, wie erwartet, insgesamt kleiner wird, wird man dieses Geld aber jemand anderem wegnehmen müssen.
Nicht unbedingt. Wir wissen nicht, wie groß der finanzielle Rahmen tatsächlich sein wird. Falls er wirklich kleiner wird, hat die österreichische Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm aber versprochen, dass sie den Verlust aus nationalen Mitteln kompensieren wird.