Ärmel aufkrempeln für Bodensicherung
Der Weltumwelttag am 5. Juni wird heuer im Krisenmodus begangen. Aber abgesehen von der Corona-Krise, Jubelstimmung kommt ohnedies keine auf. Umweltkrise, Klimakrise, Artenkrise. Das Gefühl, dass eine Krise auf die nächste folgt, hat sich festgesetzt, auch wenn langsam der Alltag nach dem Corona-Trauma wieder einkehrt. Die Lehren? Es ist von existentieller Wichtigkeit, diese Krisen nicht singulär zu beurteilen. Ganz im Gegenteil: Die Umweltkrise mit dem Bodenverbrauch, dem Ressourcenschwund und dem Biodiversitätsverlust wird sich weiter zuspitzen und die Klimakrise beschleunigen. Therapie langwierig, Erfolg nicht vielversprechend. „Es sei denn, wir handeln jetzt!“, fordert Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, nicht nur anlässlich des morgigen Weltumwelttages und ergänzt: „Dabei sollte uns aber die Erfahrung der Corona-Krise Mut machen. Nötige Veränderungen und Maßnahmen zum Schutz von Klima, Umwelt und Biodiversität werden ebenfalls alle Lebensbereiche betreffen, aber keineswegs so dramatische Einschnitte bringen wie die Corona-Maßnahmen, die in hohem Maße akzeptiert werden. Beginnen wir mit dem Schutz unserer Lebensgrundlage, dem brennendsten Umweltproblem Österreichs.“
Nach Jahren des leichten Rückgangs kam es letztes Jahr wieder zu einer negativen Trendumkehr – im negativen Sinn: So wurden 2019 in Österreich täglich 13 Hektar wertvoller Wiesen und Äcker für Straßen, Siedlungen, Shoppingcenter und Industriehallen verbaut. Das ist das Fünffache des Zielwertes von 2,5 Hektar/Tag, erstmals festgeschrieben in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung im Jahr 2002 und im aktuellen Regierungsprogramm wieder verankert.
Die Zubetonierung von umgerechnet rund 20 Fußballfeldern pro Tag hat aber dramatische Auswirkungen:
· Gefahr 1: Tag für Tag sinkt durch die Verbauung der Selbstversorgungsgrad und Österreich wird zunehmend durch Importe verletzbar. Beim Brotgetreide haben wir mittlerweile nur noch einen Selbstversorgungsgrad von 87 %, bei Spargel von 49 % und bei Erdbeeren von 35 %. Der Boden ist aber essentiell für die Lebensmittelproduktion – das hat auch die Corona-Krise gezeigt. Von Beton kann man nicht abbeißen.
· Gefahr 2: Tag für Tag leidet die Kulturlandschaft und somit das Tourismusland Österreich unter dem Einfluss der Baggerschaufeln. So kritisieren laut einer market-Umfrage 4 von 5 Österreicherinnen und Österreichern die Verschandelung Österreichs und wollen keine weitere Verbauung.
· Gefahr 3: Tag für Tag nimmt durch die Verbauung die Artenvielfalt ab. So leben rund 1,5 Millionen Regenwürmer in einem Hektar Boden. Pro Tag wird also die Lebensgrundlage von rund 20 Millionen Regenwürmern zubetoniert.
„Faktum ist: Wir brauchen den Boden zum Leben wie die Luft zum Atmen. Der Boden ist die Haut der Erde, und weder Erde noch Mensch sind ohne Haut überlebensfähig. Wir brauchen daher einen Wandel hin zu einem intelligenteren Wirtschaftsdenken. Der Wohlstand einer Volkswirtschaft ist nicht nur an der Kennzahl des Bruttoinlandsprodukts, sondern auch am Erhalt unseres Naturkapitals wie Boden, Luft oder Wasser zu beurteilen. Auch das Humankapital gehört als Messgröße in die Beurteilung miteinbezogen. Diese Lehren müssen wir ziehen und diese Chance müssen wir für unsere nachfolgenden Generationen nützen – eine zweite gibt es nicht“, appelliert Weinberger anlässlich des morgigen Weltumwelttages.