„Manches nicht akzeptabel“
Der steirische Agrarlandesrat Johann Seitinger sprach sich in einem Interview mit der Kronen Zeitung für einen „radikalen Kurswechsel“ in der Landwirtschaft aus. BLICK INS LAND bat ihn um Konkretisierung.
Entwickelt sich die Landwirtschaft in eine falsche Richtung?
Seitinger: Manche Entwicklungen, die wir in der globalen aber auch europäischen Landwirtschaft sehen, sind für mich nicht akzeptabel. Ob dies gigantische Größenordnungen an Betriebseinheiten oder ethisch grenzwertige Produktionsmethoden sind, beides ist auf unser Land nicht übertragbar.
Sie sprechen von „intensiven Auswüchsen“. Gibt es solche auch in der Steiermark?
Gott sei Dank nur vereinzelt. Diese lösen jedoch heftige Reaktionen in einzelnen Dorfgemeinschaften aus, die oft nachhaltige Problemfelder nach sich ziehen.
Sie sehen in der „Massenproduktion“ keine Zukunft für die Steiermark. „Klein und transparent statt groß und hocheffizient“ sei die Devise. Ein Lebensmittel dürfe kein Produkt sein. Haben Sie das auch schon mit Ihren Schweine- und Geflügelbauern besprochen?
Ja, weil es notwendig ist, einen neuen und mutigen Weg in seiner Gesamtheit zu erklären. Dies alles bedarf auch einer umfassenden Betrachtung von der Tierhaltung bis hin zu einem professionellen Marketing. Den Wettbewerb mit den Giganten werden wir hinsichtlich der Preispolitik nie gewinnen. Es braucht daher eine große Differenzierung in Richtung Qualität und Regionalität. Ich bemühe mich sehr, diesen Weg in ein rechtes Licht zu rücken. Einfach ist dies aber nicht.
Sie betreuen mehrere Ressorts. Spricht bei dieser Argumentation eher der Agrar- oder der Umwelt- und Wasserlandesrat?
Als Leiter des Lebensressorts ist es meine Aufgabe, eine breite politische Verantwortung zu leben. Ich bin der Meinung, dass es möglich ist, einen guten Konsens zwischen Agrar-, Umwelt- und Wasserwirtschaft herzustellen.
Sie sind ja nicht neu im Amt, sondern seit mehr als 15 Jahren in der Landesregierung. Wäre manches nicht schon in diesen eineinhalb Jahrzehnten zu verhindern gewesen?
In den letzten 15 Jahren ist sehr viel Positives im Bereich des Tier- und Umweltschutzes passiert. Ich erinnere nur an die Umstellung der Käfighaltung bei Geflügel, das Verbot der Anbindehaltung bei Kälbern oder die Einführung der Fruchtfolge im Ackerbau.
Was kann die Politik tun, um eine solche Neuausrichtung zu unterstützen?
Hiefür gibt es ein breites Handlungsfeld von der Bewusstseinsbildung der Konsumenten bis hin zu Investitionsförderungen. Auch eine stärkere Unterstützung kleinerer und mittlerer Betriebe insbesondere im Berggebiet ist ein wichtiges Erfordernis. Das Wesentliche ist aber, dass qualitätsvolle, regionale und streng kontrollierte Lebensmittel auch eine höhere Wertschätzung verdienen. Damit natürlich auch einen höheren Preis.
Ein klassisch kleinstrukturierter Produktionszweig ist die Mutterkuhhaltung. Dürfen sich die Bauern von Seiten des Landes Hoffnung machen?
Wir haben in der Steiermark eine Fördermaßnahme für die Mutterkuhhaltung vorbereitet, die für ganz Österreich umsetzbar wäre. Der entscheidende Punkt wird jedoch sein, dass die politischen Vertreter der anderen Bundesländer diese Maßnahme auch unterstützen, wie sie es mehrfach schon angekündigt haben.
Sie fordern eine „Grüne Revolution“. Was verstehen Sie darunter?
Unter „grüner Revolution“ verstehe ich einen aktiven Kampf für mehr Bewusstsein in der Gesellschaft für die bäuerliche Arbeit und die nachhaltige Lebensmittelerzeugung, sowie das Erkennen der hohen Wertigkeit regionaler Lebensmittel. Ich verstehe darunter aber auch, dass sich bäuerliche Genossenschaften gegenüber dem sehr marktbestimmenden Handel wesentlich besser aufstellen und mit starken bäuerlichen Marken mehr Wertschöpfung für die Bauern erreichen .
Interview: Stefan Nimmervoll