Handelspraktiken: EU einigt sich zu neuen Richtlinien
Im Trilog zwischen Europäischer Kommission, EU-Parlament und der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft wurde doch noch eine Einigung über die neue Richtlinie erreicht, durch die landwirtschaftliche Erzeuger vor unfairen Geschäftspraktiken besser geschützt werden sollen. „Zum ersten Mal gibt es damit auf europäischer Ebene ein verbindliches und detailliertes Regelwerk, das unfaire Praktiken eindämmen und kleine Erzeuger schützen soll“, teilte die EU-Agrarratsvorsitzende, Bundesministerin Elisabeth Köstinger, mit.
Nach fünf Trilogen ohne Einigung sollten die Verhandlungen zunächst in den Jänner verschoben werden. Doch dann machte Ratspräsidentin Köstinger einen erneuten Vorstoß. Sie fand in der arbeitsreichen Vorweihnachtswoche noch eine Lücke für Räumlichkeiten und Übersetzer und einigte sich mit dem italienischen Sozialdemokraten Paolo De Castro und seinen Kollegen im Europaparlament in letzter Minute.
„Dieser Einigung waren monatelange Verhandlungen vorangegangen. Im landwirtschaftlichen Bereich war dies das für mich wichtigste Dossier unserer Präsidentschaft“, betonte Köstinger. Österreich hatte hier vor wenigen Wochen schon auf nationaler Ebene strengere Regeln angekündigt und sich damit als Vorreiter positioniert. „Wir stärken damit die bäuerlichen Familienbetriebe, die oft einen Kampf ‚David gegen Goliath‘ führen müssen“, so die Ministerin.
Für kleinere Akteure in der Lebensmittelversorgung ist es wahrscheinlicher, dass sie Opfer von unlauteren Geschäftspraktiken werden. Landwirtschaftliche Erzeuger sind besonders davon betroffen. Grund dafür ist die fehlende Verhandlungsmacht gegenüber den nachgelagerten Partnern, die ihre Produkte kaufen – vor allem dann, wenn alternative Vertriebswege fehlen.
„Es ist in vielen europäischen Staaten zu häufigen unfairen Vorgangsweisen großer Abnehmer gegenüber kleineren Produzenten gekommen“, berichtete Köstinger. „Wir wollen klare Regeln schaffen, damit kleine Hersteller hier nicht benachteiligt werden und sich dem Druck großer Abnehmer beugen müssen. Die Schutzmechanismen werden mit dieser Richtlinie hier für gleiche Augenhöhe aller Partner sorgen“, zeigte sich die Ressortchefin überzeugt.
Kern der neuen Richtlinie ist der Schutz von kleinen Produzenten und Verarbeitern gegenüber großen Abnehmern. Für die Definition „kleinerer Hersteller“ und „großer Abnehmer“ wird ein Stufenmodell geschaffen, das sich an den Umsatzzahlen der Betriebe und Unternehmen orientiert. Grundsätzlich sollen Landwirte und Lebensmittelproduzenten mit bis zu 350 Mio. Euro Jahresumsatz durch diese Regelung geschützt werden. Damit sind etwa 90% der Anbieter von Agrarrohstoffen und Lebensmitteln in die Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken eingeschlossen. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten eigene zusätzliche Definitionen für Unternehmensgrößen festlegen.
Um unlautere Geschäftspraktiken zu verhindern, sieht die neue Richtlinie unter anderem folgende Regelungen vor: Getroffene Vereinbarungen zwischen Produzent und Abnehmer sollen künftig schriftlich bestätigt werden. Eine rückwirkende Änderung vertraglicher Verpflichtungen soll nicht mehr möglich sein, das Gleiche gilt für Zahlungen oder sonstige geldwerte Leistungen ohne entsprechende Gegenleistung. Festgelegt wurden auch eine 60-Tage-Zahlungsfrist für nicht verderbliche landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel sowie eine Mindestfrist von 30 Tagen für die Stornierung von Lieferungen verderblicher Erzeugnisse. Auch die Kostenübertragung von Werbeausgaben an die Lieferanten soll verhindert werden.
Die Lieferanten können sich künftig auch in ihrem eigenen Mitgliedstaat beschweren – der Vorschlag der Kommission sah hier nur eine Beschwerdemöglichkeit im Land des Käufers vor. NGOs und repräsentative Organisationen können Beschwerden bei einer nationalen Durchsetzungsbehörde einbringen. Die Ermächtigungen für die Durchsetzungsbehörden zum Schutz von Lieferanten wurden deutlich erweitert, gleichzeitig werden die Pflichten dieser Behörden ausgeweitet. Strafbestimmungen wurden klarer formuliert und alternative Streitbeilegungsmechanismen in die Richtlinie aufgenommen. Die EU-Kommission wird eine öffentliche Website zur Unterstützung von Beschwerdeführern zur Verfügung stellen.
„Die heutige Einigung ist eine deutliche Verbesserung der Stellung kleinerer Produzenten und Lieferanten gegenüber großen Abnehmern. Ich freue mich, dass uns das am Ende unserer Präsidentschaft – gemeinsam mit Agrarkommissar Phil Hogan und dem Verhandler des EU-Parlaments, Paolo De Castro – gelungen ist“, so Köstinger.