Rupprechter fordert Kurskorrektur in der Agrarpolitik
Mit dem „Masterplan für den ländlichen Raum“, der im aktuellen Regierungsprogramm verankert ist, den zu stellenden Weichen für die zukünftige Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) und den bevorstehenden Verhandlungen zum „Brexit“, der auch Auswirkungen für den EU-Agrarsektor haben wird, steht dem österreichischen Landwirtschafts- und Umweltministerium im ersten Halbjahr 2017 ein dichtes Arbeitsprogramm bevor, wie Ressortchef Andrä Rupprechter gegenüber Journalisten mitteilte.
Der Konsultationsprozess der EU-Kommission zur neuen Periode der GAP nach 2020 wurde vor Kurzem gestartet. Der Minister rät der Bevölkerung, sich intensiv daran zu beteiligen. „Jeder Einzelne muss die Chance nutzen, sich hier einzubringen, denn die ersten Weichen für die zukünftige Ausrichtung der GAP werden jetzt gestellt.“ Ende des Jahres wird eine Mitteilung der Kommission zum Ergebnis erwartet.
Mit dem in einigen Wochen von der britischen Regierung erwarteten Antrag für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union („Brexit“) stehen auch hier langfristige und zähe Verhandlungen an, insbesondere finanzieller Natur. Mit dem Brexit geht der EU ein maßgeblicher Nettozahler verloren, der 5 Mrd. Euro zum europäischen Gesamtbudget beigetragen hat. „Wenn Großbritannien jedoch weiter einen Zugang zum Binnenmarkt will, werden sie gezwungen sein, diesen neu auszuverhandeln. Zum Nulltarif wird es sicher keinen Marktzugang geben“, betonte Rupprechter unter Verweis auf die Schweiz (rund 1,5 bis 2 Mrd. Euro) und Norwegen (etwa 400.000 Euro).
Es ist davon auszugehen, dass mit dem Ausscheiden der Briten ein Fehlbetrag im EU-Budget von 2 bis 3 Mrd. Euro entsteht. „Die Landwirtschaft hat bereits in der letzten finanziellen Vorschau ihren Beitrag geleistet. Um die künftige Finanzierung der GAP sicherzustellen, muss diese mehr ökosozial und weniger neoliberal werden – weniger die Agrarindustrie und verstärkt die bäuerlichen Familienbetriebe unterstützen“, so der Minister.
„Die zentralen Forderungen sind dabei Nachhaltigkeit und Multifunktionalität der Bewirtschaftung durch das Agrarumweltprogramm sowie die Unterstützung der Landwirtschaft in den Berg- und benachteiligten Gebieten. Zudem brauche es eine verstärkte finanzielle Abgeltung der vielfältigen gesamtgesellschaftlichen Anliegen wie Ressourceneffizienz, Natur- und Klimaschutz, Tierwohl oder dem Erhalt der Kulturlandschaften“, so der Ressortchef. Gemeinsam mit dem Bauernbund und der Landwirtschaftskammer werde er die österreichischen Interessen in Europa stark vertreten und in Brüssel „alle notwendigen Allianzen schmieden“, denn zur Erreichung dieser Ziele brauche es gute Verbündete, wie die heimischen Verbraucher. „Unser Kapital ist die große Wertschätzung der Gesellschaft für unsere heimische Landwirtschaft.“
In Hinblick auf die Einkommenssicherung (Direktzahlungen) sollen vielfältige Strukturen ermöglicht, aber der bäuerliche Familienbetrieb gesamteuropäisch stärker in den Fokus gerückt werden. „Kleine, flächendeckende Familienbetriebe sind krisensicher. Daher müssen wir alles daran setzen, sie mit der Reform der GAP zu stärken.“
Gleichzeitig habe die Vereinfachung oberste Priorität, so Rupprechter. Es gelte, die Flächenermittlung zu vereinfachen, Toleranzen auszubauen und ein neues praktikableres Modell für Almen und extensive Futterflächen zu verankern. Klar ist für ihn: „Es muss Schluss sein mit der alljährlichen Vermessung der Almen, das ist reine Ressourcenverschwendung.“
Innerösterreichisch soll der Masterplan, der gezielt mit einer großen Beteiligung von Bürgern und Stakeholdern, Bürgermeistern und Experten, den LEADER-Regionen sowie unter wissenschaftlicher Begleitung stattfindet, zu einer allgemeinen Belebung der ländlichen Regionen beitragen, der Abwanderung entgegenwirken und den ländlichen Raum insgesamt wirtschaftlich sowie sozial attraktiver gestalten. Die maßgeblichen Kapitel dabei sind „Wirtschaft am Land“, die kleinere und mittlere Unternehmen sowie die Landwirtschaft miteinschließt und auf die Schaffung nachhaltiger Arbeitsplätze ausgerichtet ist, des Weiteren „Infrastruktur und Mobilität“, wo es darum geht, die Notwendigkeit der Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz sowie andere infrastrukturelle Bereiche zu eruieren. Das Kapitel „Leben am Land“ befasst sich mit der Rolle der Vereine und der Stärkung des Ehrenamtes. Der Bereich „Sozialer Zusammenhalt“ konzentriert sich darauf, den ländlichen Raum etwa durch moderne Arbeitsplätze und ein ausreichendes Kinderbetreuungsnetz vor allem für junge Frauen attraktiver zu machen. Schließlich benötigen die ländlichen Regionen Österreichs vor allem auch die Anbindung an das Breitbandnetz („Digitales Dorf“). „Zwei Drittel der Österreicher leben in den ländlichen Regionen, daher müssen auch zwei Drittel der Finanzen für den Breitbandausbau dorthin fließen“, fordert der Minister.
In den vergangenen Wochen haben bereits vier Veranstaltungen zum Masterplan in den Bundesländern Steiermark, Niederösterreich, Salzburg und Tirol stattgefunden. Beim Gemeindetag in Salzburg zur Jahresmitte sollen die Ergebnisse dieses Prozesses präsentiert und im Herbst der Regierung vorgelegt werden.
Weitere Aktivitäten im Rahmen dieses Schwerpunkts sind das CommunalAudit Neu, mit dem das BMLFUW Gemeinden ein Werkzeug zur Verfügung stellt, um sich gezielt weiterzuentwickeln, und schließlich die Leistungslandkarte, die aktuell rund 40.000 Projekte des Ministeriums aus den vergangenen Jahren enthält. Bis Jahresende sollen 250.000 auf maps.bmlfuw.gv.at/ aufbereitet werden, was Rupprechter zufolge auch „ein wichtiger Beitrag zur Transparenz ist“.
Einen weiteren positiven Abschluss sieht der Ressortchef in der Ausweitung des Bestbieterprinzips bei der Bundesvergabe: „Damit wurde eine wichtige Forderung der Landwirtschaft umgesetzt.“ Die Vergaberechtsreform dazu befindet sich in Begutachtung. Die parlamentarische Behandlung soll noch vor dem Sommer stattfinden