„Bioenergie-Branche steht still“
„Durch die aktive Waldbewirtschaftung wird der vielseitig einsetzbare und geniale Rohstoff Holz nachhaltig produziert. Da stets weniger Holz geerntet wird als zuwächst, steigt der Holzvorrat in Österreichs Wäldern kontinuierlich an. Die Botschaft sowie der Auftrag des Klimagipfels in Paris ist eindeutig und klar: Der Ausstoß von fossilem CO2 muss so rasch wie möglich beendet werden. Nur mit dem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Rohstoffe können wir den Klimawandel stoppen und Milliardenschäden verhindern.“ Dies erklärte Franz Titschenbacher, Präsident der Landwirtschaftskammer Steiermark, bei einer Pressekonferenz anlässlich der 5. Mitteleuropäischen Biomassekonferenz in Graz.
„Wer den Wald bewirtschaftet und das Holz daraus verwendet, egal ob für Bauten, Möbel oder anderes, der speichert langfristig CO2, denn jeder verwendete Kubikmeter Holz entlastet unsere Atmosphäre. Die energetische Verwertung von Holz, die vorwiegend auf Basis von Reststoffen und Nebenprodukten aus Land-, Forst- und Holzwirtschaft basiert, spielt bei der Erneuerung unseres Energiesystems eine Schlüsselrolle. Wichtig ist, die Größenordnungen im Auge zu behalten: 1% Steigerung der Bioenergienutzung entspricht der gesamten heimischen Fotovoltaikstrom-Erzeugung von 2014“, gab Titschenbacher zu bedenken.
Der Wissenschafter Tomas Lundmark von der Swedish University of Agricultural Sciences untermauerte die Aussagen von Titschenbacher mit weiteren Zahlen: „Mehr als 40% der gesamten EU-Fläche sind mit Wäldern bedeckt. EU-weit werden nur 60% des Holzzuwachses genutzt.“ Da die meisten Wälder bereits bewirtschaftet werden, sind laut Lundmark zwei Maßnahmen für den Klimaschutz und die Bioökonomie wesentlich: einen höheren Anteil an Holz nachhaltig zu nutzen und das Wachstum der Wälder durch noch bessere Bewirtschaftung zu erhöhen. In Schweden und Österreich haben Wissenschafter die Klimaschutzeffizienz analysiert. Ergebnis: Für jeden produzierten Kubikmeter Holz werden je nach Waldbewirtschaftung 500 bis 700 kg CO2-Emissionen vermieden. Das bedeutet, dass der CO2-Ausstoß (netto) in Österreich durch die Holznutzung um rund 20 Mio. t niedriger wäre als ohne aktive Waldbewirtschaftung. Zum Vergleich: Zurzeit beträgt der Gesamtausstoß 80 Mio. t. „Die Klimaschutzeffizienz nimmt mit einem größeren Anteil an Bioenergie und Massivholzprodukten zu. Das Motto sollte lauten: bauen und heizen mit Holz“, so Lundmark.
Die Nutzung von Biomasse für energetische Zwecke ist in Österreich eine Erfolgsgeschichte. „Innovative heimische Biowärmetechnologien sind weltweit das Maß der Dinge und seit vielen Jahren ein Exportschlager“, erklärte Walter Haslinger, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Bioenergy 2020+. Die österreichische Wissenschaft und Forschung liefere mit vergleichsweise geringer öffentlicher Unterstützung weltweit anerkannte Spitzenergebnisse. Eine Vielzahl von Innovationen sowie Schlüsseltechnologien für Bioökonomie und Energiewende werde von heimischen Technologieanbietern am Markt umgesetzt. Sie seien die Grundlage für ihre Exporterfolge. Ermöglicht wurde dies auch durch einen attraktiven Heimmarkt: Die Biomasse-Nutzung wurde in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und ist mit etwa 20% des Primärenergieverbrauchs die größte heimische Energiequelle.
„Diese positiven Entwicklungen der Bioenergiebrache sind aber in der jüngsten Vergangenheit in Österreich fast gänzlich zum Stillstand gekommen“, erklärt Univ.-Prof. Hermann Hofbauer von der TU Wien, und begründete dies folgendermaßen: „Aufgrund zu geringer Forschungsmittel können nur zirka 15% der eingereichten Forschungsprojekte durchgeführt werden. Durch fehlende Nachfolgetarife im Ökostromgesetz für KWK-Anlagen auf Basis von Biomasse und Biogas stehen funktionstüchtige Anlagen vor dem Aus. Durch die gezielte Absenkung des Ölpreises durch die OPEC werden massive Rückgänge von neu installierten Holzheizungen verzeichnet, was die heimische Kesselbranche massiv bedroht“, warnte Hofbauer.
„Die Politik hat es verabsäumt, solide Rahmenbedingungen für eine gedeihliche Weiterentwicklung der Bioenergie zu schaffen und der Branche positive Zukunftsperspektiven sowie ein freundliches Investitions-Klima zu geben. Ohne Bioenergie werden die in Paris vereinbarten Klimaziele nicht erreichbar sein. Gleichzeitig läuft man Gefahr, Volksvermögen, das in die Förderung der Anlagen geflossen ist, nach und nach zu vernichten. Das von den Forschungsorganisationen und den Unternehmen aufgebaute Know-how droht in das Ausland abzuwandern. Es besteht dringender politischer Handlungsbedarf“, so Hofbauer. „Für die Bioenergieforschung stehen zu geringe Mittel zur Verfügung. Die Gestaltung vernünftiger Rahmenbedingungen für Investitionen in gewerbliche und industrielle Umsetzungsprojekte sowie die Stimulierung von Endkundenmärkten wurde verabsäumt. Den österreichischen Technologieanbietern wurde damit die wichtige Basis für einen funktionierenden Heimmarkt entzogen“, ergänzte Haslinger.