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„Wir sind hier noch nicht fertig“

Mit dem am Montag per Misstrauensvotum im Nationalrat besiegelt Aus für die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz endet auch die Amtszeit von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Wer ihren Posten in der Übergangsregierung der designierten Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein für einige Monate übernehmen wird, ist noch offen. Diese hatte angekündigt, dass hohe Beamte mit Expertenwissen die Ministerien übernehmen werden. Im Haus am Stubenring entspräche diesem Anforderungsprofil etwa der Leiter der Sektion Steuerung und Services und frühere Generalsekretär Reinhard Mang. Er gilt Medienberichten zufolge auch als Favorit für das Amt im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus.

Noch ist aber Köstinger mit der Fortführung der Geschäfte beauftragt. Sie zog am Freitag vor Journalisten in kleiner Runde Bilanz über die vergangenen knapp eineinhalb Jahre. „Wir haben bis zum Tag der Veröffentlichung des Ibiza-Videos hervorragend gearbeitet und gute und wichtige Dinge auf den Weg gebracht“, lobte sie zunächst das Arbeitsklima in der Koalition. Es wäre unehrlich zu sagen, dass es mit der FPÖ nicht gepasst hätte. Die Vorfälle auf der Ferieninsel seien aber mit den Grundsätzen der ÖVP nicht vereinbar gewesen. Neuwahlen seien daher kein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit gewesen.

Als Beispiele für Erfolge nannte die Kärntnerin das Dürrepaket, die Senkung der Versicherungssteuer für alle Elementarrisikoversicherungen und die Einführung einer Tierausfallsversicherung. Auch die Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 mit der Thematisierung unlauterer Geschäftspraktiken im Handel sei laut der Ministerin bedeutend gewesen. Bereits akkordierte, aber vom Nationalrat noch nicht beschlossene Vorlagen wie die Steuerreform oder die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel sind aber noch in Schwebe. Auch die als „Maßnahmenpaket für die Almen“ bezeichneten Gesetzesänderungen für mehr Rechtssicherheit nach dem tödlichen Unfall mit einer Kuh in Tirol sind noch nicht beschlossen. „Im freien Spiel der Kräfte wissen wir nicht, wie das alles ausgehen wird,“ so Köstinger. Sie rief den Ex-Koalitionspartner FPÖ dazu auf, zu dem zu stehen, was man gemeinsam ausgemacht habe.

Angesichts der aufgeheizten Stimmung und der spürbaren Annäherung zwischen FPÖ und SPÖ scheinen Mehrheiten dafür im Parlament aber alles andere als fix. Eine Übergangsregierung wird jedenfalls keine neuen Beschlüsse fassen und in Umsetzung bringen, sondern ihre Aufgaben in der Aufrechterhaltung der Verwaltung sehen. Sollte eine neue Regierung – unter welchen politischen Farben auch immer – nach der Wahl im Herbst neue Ideen haben, könnten die nun be- und versprochenen Maßnahmen somit bereits wieder Makulatur sein. Ähnlich wie 2008, als in einer „langen Nacht der Wahlzuckerl“ zahlreiche (meist kostspielige) Gesetze beschlossen wurden, könnten es zudem auch diesmal im Nationalrat zu Allianzen für wahlkampftaugliche Schnellschüsse kommen. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass sich etwa Themen wie ein Glyphosatverbot oder Verschärfungen beim Tierschutz für solchen Aktionismus eignen würden. Köstinger warnte in diesem Zusammenhang auch vor der von SPÖ- Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil für das Burgenland angekündigten „Bio-Wende“. Zwangsverordnungen zu bio würden dazu führen, dass man am Markt vorbei produziere. „Das ist Kommunismus am Rücken der Bauern und ein Rückfall in das alte Konzept des Klassenkampfes“, meinte sie, bereits im Wahlkampfmodus.

Gut aufgestellt sei man in ihrem Haus für die weiteren Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, GAP, so die Noch-Ressortchefin. Ihre ganz große Sorge sei aber der mehrjährige Finanzrahmen. „Wir haben im Regierungsprogramm vereinbart gehabt, dass wir mit aller Kraft für die Zahlungen kämpfen werden. Sollte es zu Kürzungen kommen, wollten wir diese national ausgleichen“, erinnerte Köstinger. Niemand könne aber nun sagen, wie auch die Übergangsregierung die weiteren Verhandlungen anlegen werde. Ein Vorteil hinsichtlich der Zeitabläufe ist allerdings, dass erst EU-Wahlen waren und auch in Brüssel erst eine neue Kommission zusammengestellt werden muss. Fachlich wird also bei der GAP auch auf EU-Ebene nicht viel weitergehen. „Es wäre aber wichtig, dass Österreich bei der Bestellung des Kommissionspräsidenten und der Kommissare mitspricht“, bedauert Köstinger, dass Österreich de facto nicht mehr handlungsfähig sei.

Die Frage, ob sie selbst als Agrarkommissarin denkbar wäre, wie es vor einiger Zeit in Gerüchten geheißen hatte, stellt sich für Köstinger nicht: „Für mich ist es klar, dass ich an der Seite von Sebastian Kurz wieder in den Wahlkampf ziehe.“ Sie würde auch gerne wieder als Ressortchefin ins Landwirtschaftsministerium einziehen. „Wir sind hier noch nicht fertig und haben so viel an Reformen begonnen. Ich möchte wieder zurückkommen und das zu Ende bringen.“

STEFAN NIMMERVOLL