Viele Bauern steigen aus Ferkelproduktion aus
Auf die schwierige Lage der oberösterreichischen Ferkelerzeuger wies Agrarlandesrat Max Hiegelsberger vor Journalisten in Linz hin. Das niedrige Preisniveau habe dramatische Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Betriebe. „Immer mehr heimische Bauernfamilien ziehen sich aus der Sauenhaltung und Ferkelerzeugung zurück, die Investitionsfreudigkeit der verbleibenden Ferkelerzeuger liegt bereits seit Jahren darnieder“, gab der Landesrat zu bedenken.
37% der heimischen Schweine werden in Oberösterreich gehalten. Im Jahr 2016 lag der Bestand bei insgesamt 1,095.900 gehalten Tieren. Die Ferkelproduktion, die zu den anspruchsvollsten landwirtschaftlichen Betriebszweigen zählt, ist somit von großer Bedeutung für dieses Bundesland. Die heimischen Zuchtschweinebestände und die Anzahl der Betriebe in diesem Bereich sind konstant rückläufig. In Oberösterreich werden rund 95.800 Zuchtsauen gehalten, 2011 waren es noch 105.200 Sauen.
„Nach den Jahren 2010, 2011, 2014 und 2015 ist heuer bereits das fünfte wirtschaftlich schlechte Jahr innerhalb von nur neun Jahren für die Ferkelerzeuger zu verkraften“, berichtete Johann Stinglmayr, Geschäftsführer der Ferkelringe im Verband landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten (VLV). „Zwar konnte im August 2018 der Preissturz der Monate Juni und Juli am internationalen Ferkelmarkt gestoppt werden, dennoch hat das niedrige Preisniveau dramatische Auswirkungen auf die heimische Ferkelerzeugung. Der Hintergrund dieser Entwicklung liegt am deutlich rückgängigen Geschäft mit China. Die hohen Exportmengen von EU-Schweinefleisch nach China in den Jahren 2016 und 2017 sind heuer stark eingebrochen. Die Auswirkungen auf den gesamten EU-Schweinemarkt sind ähnlich stark wie 2014 beim Wegfall des russischen Marktes“, erläuterte Stinglmayr.
Diese Preisentwicklung gehe nicht nur an die wirtschaftliche Substanz, sie schwäche auch das Vertrauen in diese Produktionssparte nachhaltig. Dabei bräuchten gerade die Ferkelerzeuger mehrere einkommensstarke Jahre, um die hohen Umstellungskosten, die durch geänderte politische Rahmenbedingungen entstanden sind, ausgleichen zu können, sagte der Experte und erinnerte dazu an die Einführung der Sauen-Gruppenhaltung und die künftig extrem fordernde Umstellung auf Bewegungsbuchten im Abferkel- und Deckbereich.
Prognosen für die Förderperiode 2014 bis 2020 besagen, dass bei Schweineställen um bis zu 37% weniger Investitionszuschüsse im Vergleich zur Vorperiode 2007 bis 2013 ausbezahlt werden. Dies untermauert die sinkende Investitionsfreudigkeit der Branche. „Aufgrund der vorherrschenden Situation schreitet die Abnahme des heimischen Sauenbestandes immer rascher voran. Einige Jahre konnte die erzeugte Ferkelmenge durch Leistungssteigerungen in den Sauenherden konstant gehalten werden. Die 100%ige Eigenversorgung in der heimischen Schweineproduktion wird mittelfristig nicht zu halten sein. Damit ist auch das höchste Gut der heimischen Schweineproduktion – das in Österreich geborene Ferkel – und damit auch die Grundlage für die erfolgreiche regionale AMA-Gütesiegelproduktion gefährdet“, warnte Stinglmayr.
„Der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch lag 2017 noch bei 102%, doch die aktuelle Situation in der Ferkelproduktion gefährdet auch die Versorgung unserer Bevölkerung mit hochqualitativen Lebensmitteln aus heimischer Produktion“, unterstrich Hiegelsberger.
„Das Grundvertrauen der Bäuerinnen und Bauern in die Politik geht zunehmend verloren, weil sich der Anpassungsdruck durch Forderungen in alle Richtungen der Schweinehaltung ständig erhöht. An den unsicheren Rahmenbedingungen, dem hohen Anpassungsdruck und an der Geringschätzung der Schweinebauern durch Teile der Gesellschaft verzweifeln immer mehr Bäuerinnen und Bauern. Sie haben keine Zeit mehr, sich finanziell zu erholen und werden oft mit völlig irrwitzigen Forderungen und widersprüchlichen Auflagen konfrontiert. Besonders unverantwortlich agieren immer öfter NGOs und Handelsketten. Die Schweinemäster und Ferkelerzeuger haben zunehmend das Gefühl, zum Spielball von Tierschutzorganisationen und Marketingabteilungen zu werden. Die Grundlage von Entscheidungen sind immer häufiger nicht mehr wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern populistische, öffentlichkeitswirksame Thesen“, so Stinglmayr.
„Die derzeitige Stimmung der heimischen Ferkelerzeuger ist das Ergebnis einer langjährigen Verunsicherung, weil der Markt und die Rahmenbedingungen für sie nicht mehr kalkulierbar sind. Ein durchschnittlicher heimischer Betrieb kann im Falle kräftiger Investitionen – etwa durch einen Neubau – die Fixkosten seit 2002 im Durchschnitt nur zu 89% durch den erwirtschafteten Deckungsbeitrag abdecken“, gab der Geschäftsführer zu bedenken.
Dieser seit Jahren andauernde Prozess der ständigen Belastung einer Produktionssparte müsse deutlich verringert werden. Es bleibe nur mehr wenig Zeit, einen noch massiveren Produktionsverlust in dieser Sparte zu vermeiden. Alles, was in der arbeitsintensiven Sauenhaltung mit Ferkelaufzucht einmal an Produktionsumfang und Wertschöpfung verloren gegangen sei, lasse sich nie wieder aufholen, warnte Stinglmayr.