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Steueranreize für Versiegelungsziel unabdingbar

Es braucht ein umfassendes Maßnahmenbündel von raumplanerischen Vorgaben bis hin zu fiskalischen Instrumenten, um das Bodenverbrauchsziel der österreichischen Bundesregierung von höchstens 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 zu erreichen“, so der eindringliche Appell des Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Hagelversicherung, Kurt Weinberger, des WIFO-Direktors Gabriel Felbermayr und der Autorin der im Rahmen des Pressegesprächs präsentierten und im Auftrag der Hagelversicherung erstellten WIFO-Studie „Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich“, Margit Schratzenstaller.

Felbermayr prognostiziert einen massiven Wohlstandsverlust und Abhängigkeiten, wenn die Eindämmung des hohen Bodenverbrauchs nicht jetzt in Angriff genommen wird: „Bereits in der WIFO-Studie „Bodenverbrauch nimmt uns Essen vom Teller“ von Dozent Franz Sinabell wird die Dringlichkeit der Begrenzung des Flächenverbrauchs dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Ackerland zwischen 1999 und 2020 um über 72.000 Hektar abgenommen hat. Umgerechnet bedeutet dieser Rückgang, dass binnen 20 Jahren etwa 480.000 Menschen pro Jahr weniger ernährt werden können. Die Zukunft muss aber anders aussehen. Das „Gute“ dabei: Es handelt sich beim Bodenverbrauch um ein nationales Umweltproblem. Ein Beispiel für eine konkrete Maßnahme wäre die Einführung einer bundesweiten Leerstandsabgabe. Das würde dem Staat Mehreinnahmen einbringen, mit denen man die Grunderwerbsteuer senken kann, die die effiziente Verwendung von Grund und Gebäuden behindert. Letztendlich braucht es aber auch quantitative Messgrößen, um die Verbauung einzudämmen. Alles andere wäre vergleichbar mit einer gesetzlichen Regelung, mit der die Anzahl der Verkehrstoten durch Raserei reduziert werden sollte, dabei aber auf das Tempolimit vergessen und nur an die eigene Vernunft appelliert wird.“

„Eine Reihe bestehender Steuern seien ein Impulsgeber für den Bodenverbrauch“, so Schratzenstaller. Eine Strukturreform kann eine Mehrfachdividende bringen: Indem man die bodenvernichtenden Gemeindesteuern adaptiert, erzielt man positive Umwelteffekte. „Es braucht beim Bodenverbrauch eine – im wahrsten Sinne des Wortes – bodenständige Reform, beispielsweise bei der Kommunalsteuer. So kann eine verpflichtende interkommunale Teilung des Kommunalsteueraufkommens helfen, Anreize für Umwidmungen zu verringern und Zersiedelung einzudämmen. Gegenwärtig werden ja bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks über die Kommunal- und Grundsteuer belohnt, dabei sollen aber bodenschonende Gemeinden honoriert werden. Eine weitere Tatsache: Wir haben leerstehende Industrie-, Gewerbe- und Wohnimmobilien im Ausmaß von 40.000 Hektar.  Eine verpflichtende österreichweite Leerstandsabgabe sowie die Wiedereinführung der Zweckwidmung des Wohnbauförderungsbeitrages und die Verwendung eines Teils der Mittel für Altbausanierung können helfen, den Leerstand einzudämmen. Tatsache ist aber auch, dass fiskalische Aspekte nur eine Maßnahme eines breiten Ansatzes sein können. Jedenfalls müssen auch raumplanerische Aspekte berücksichtigt werden: eine verpflichtende Leerstandsdatenbank sowie die gesetzliche Ausweisung von wertvollen Agrarflächen sind ebenso konkrete Vorschläge wie mögliche neue Instrumente im Zusammenhang mit handelbaren Flächenzertifikaten oder CO2-Emissionszertifikaten. „Wenn ich mir die aktuelle Diskussion zum Eindämmen des Bodenverbrauchs anschaue, dann ist die Chance hier für eine Reform gar nicht so schlecht,“ ist Schratzenstaller optimistisch.

Es braucht beim Bodenverbrauch einen Maßnahmenmix nach den Prinzipien Vermeiden, Wiederverwerten und Intensivieren. In dem Zusammenhang muss auch die Frage gestattet sein, ob die gegenwärtigen Steuern auch richtig steuern. „Bei der Kommunalsteuer, die auf Gemeindeebene eingehoben wird, sage ich ‚Nein‘“, so Kurt Weinberger, der erläutert: „Jeder Bürgermeister hat ein Anreizsystem, Genehmigungen für Gewerbezentren zu erteilen, weil er daraus Einnahmen lukriert. Wir haben aber in Österreich ohnedies bereits die höchste Anzahl an Supermärkten pro 100.000 Einwohner.  Die Konsequenz: Bei uns sind die Lebensmittelpreise um 15 Prozent höher! Wir bezahlen also beim Einkauf für eine falsche Raumordnung. Die Lösung: Die Kommunalsteuer muss als Bundessteuer eingehoben und im Zuge des Finanzausgleichs an ökologische Kriterien gekoppelt verteilt werden. Weiters muss das jetzige zahnlose System der Flächenwidmungsabänderung auf Landesebene durch einen weisungsfreien Raumordnungsbeirat, der für die Gemeinden die Umwidmungen genehmigt, effizienter und unabhängiger geregelt werden.

Eine wichtige steuerliche Maßnahme wurde im Zusammenhang mit dem Leerstand von der Bundesregierung im Juli durch eine Änderung von § 6 Einkommensteuergesetz schon umgesetzt: Wird nun ein leerstehendes Betriebsgebäude eines Gewerbe- oder Landwirtschaftsbetriebes wegen Betriebsaufgabe vermietet, erfolgt die Überführung dieses Gebäudes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen – wie auch bei Grund und Boden – zum Buchwert statt wie bisher zum Teilwert. Es müssen aber weitere konkrete Maßnahmen gesetzt werden, um die nationale Lebensmittelhoheit zu bewahren. Von Beton können wir jedenfalls nicht abbeißen.“

Heuer ist wieder ein Jahr des Finanzausgleichs, wo zwischen Bund, Ländern und Gemeinden für die kommenden Jahre die Aufteilung von Steuereinnahmen verhandelt wird. Im Grunde eine große Chance, Dinge zum Besseren zu wenden, den Bodenverbrauch endlich gesetzlich zu limitieren und einen sorgsamen Umgang mit den Äckern und Wiesen in den Finanzausgleichsverhandlungen entsprechend zu berücksichtigen. „Tatsache ist: Der Boden ist das höchste Gut. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann haben wir in 200 Jahren keine Agrarflächen mehr. Vielleicht haben wir dann einen wunderbaren Industriestandort, aber keinen Lebensstandort mehr. Ein Land ohne Äcker, zukunftslos, kann nicht die Zielsetzung sein. Daher muss der verbliebene Naturraum geschützt werden. Eine Vielzahl an Maßnahmen liegt mittlerweile auf dem Tisch. Die WIFO-Studie zeigt, dass steuerliche Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauchs unerlässlich sind“, so Felbermayr, Schratzenstaller und Weinberger abschließend.

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