Patententscheidung erntet Proteststurm
Das Europäische Patentamt hat gestern Abend ein besonders skandalöses Patent auf Leben durchgewunken: Das EPA in München hat den Einspruch gegen ein umstrittenes Patent von Syngenta (Chemchina) auf konventionell gezüchtete Paprika abgelehnt. Ein breites Bündnis von NGOs, Züchtern, Saatgut-Initiativen und bäuerlichen Organisationen aus 27 Ländern hatte bereits 2014 diesen Einspruch eingelegt. Der Agrochemie-Konzern Syngenta beansprucht eine natürlich entstandene Resistenz gegen den Pflanzenschädling Weiße Fliege als angebliche Erfindung für sich. Diese Eigenschaft wurde allerdings lediglich in einer wilden Paprika aus Jamaika gefunden, und dann in eine Handelssorte eingekreuzt. Immer noch werden laufend neue Patente auf konventionelle Lebensmittel und Pflanzen erteilt, obwohl europäische Patentgesetze diese ausschließen sollten. „Große Teile der europäischen Politik verschlafen die dramatische Situation völlig“, kommentiert Dagmar Urban, politische Referentin bei Arche Noah.
„Dieses Patent ist ein Skandal: Konventionelle Paprika mit einer wichtigen, aber natürlich entstandenen Eigenschaft einer wilden Pflanze aus Jamaika können keine ‚Erfindung‘ eines Agrarkonzerns sein, das ist ein krasser Fall von Biopiraterie. Die Monopolisierung unserer biologischen Vielfalt durch Agrochemie-Konzerne und die jahrzehntelange Unsicherheit für Züchter:innen gehen damit weiter“, kritisiert Dagmar Urban. Im vorliegenden Paprika-Fall hat es neun Jahre bis zur Verhandlung des Einspruchs gedauert.
Die Anwälte von Syngenta mussten während der langwierigen Verhandlung das Patent EP2140023 mehrfach umformulieren, letztlich wurde der berechtigte Einspruch gegen das Patent vom Europäischen Patentamt abgelehnt. „Das Problem wird immer größer und betrifft längst nicht nur Paprika: Alleine im Dezember 2022 wurden mindestens vier weitere europäische Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt! Betroffen sind Braugerste und Bier, Melonen, Tomaten und sogar Löwenzahn“, erklärt Urban. Bei diesen neuen Patenten nützen Saatgutkonzerne Lücken im Patentrecht aus, um Pflanzen mit zufällig („Zufallsmutagenese“) entstandenen genetischen Veranlagungen zu beanspruchen oder bestimmte in der Natur vorkommende Gene und ihre Eigenschaften zu patententieren.
„Eine Lösung für diesen Missbrauch des Patentrechts kann nur von der Politik kommen, die Auslegung der Patentgesetze muss korrigiert werden. Österreich muss Vorreiter gegen den Missbrauch des Patentrechts bleiben – die zuständigen Ministerinnen in ganz Europa müssen diese Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere endlich wirksam stoppen!“, fordert Dagmar Urban von Arche Noah abschließend.