Neue Züchtungsmethoden – Gentechnik oder nicht?
Mit modernen Züchtungsmethoden werden Mutationen beschleunigt und gezielt gesteuert. Dadurch wird die Entwicklung besserer Sorten einfacher. Aber weil die Züchter in die DNA von Pflanzen eingreifen, stellt sich die Frage, ob neue Methoden, wie das „Genome Editing“, noch zur konventionellen Züchtung gehören und wie sie von der EU-Gesetzgebung behandelt werden sollen. Die EU-Kommission möchte den züchterischen Fortschritt fördern.
Auf einer Konferenz der EU-Kommission in dieser Woche lieferten sich Experten eine Grundsatzdebatte, ohne konkrete Antworten geben zu können. Die neuen Techniken befänden sich zwischen der konventionellen Züchtung und der Gentechnik, betonte Janusz Bujnicki, Professor an der Universität Posen (Polen). Im Endprodukt sei fremde DNA nicht mehr nachzuweisen, auch wenn sie zwischendurch eingesetzt wurde. Das mache eine nachträgliche Unterscheidung unmöglich, gab Bujnicki zu bedenken. Eine Anwendung einer besonderen EU-Gesetzgebung für die neuen Sorten sei deshalb schwierig. Da die neuen Methoden präziser als bisherige in die DNA eingreifen, sei das Risiko von unerwünschten Nebeneffekten geringer, berichtete der polnische Wissenschafter.
Züchter fordern dringend eine Einstufung der neuen Methode als konventionelle Züchtung. Nur so könne der züchterische Fortschritt in der EU zum Durchbruch kommen. Dagegen möchte Martin Häusling, deutscher Europaabgeordneter von den Grünen, dass die neuen Methoden als Gentechnik behandelt werden. Das hätte eine verpflichtende Kennzeichnung und ein aufwendiges Genehmigungsverfahren für die neuen Sorten zur Folge. Die EU dürfe mit ihrer Regelung nicht zu lange warten, mahne der estnische EU-Ratspräsident Tarmo Tann auf der Konferenz. Unschlüssigkeit könnte eine Abwanderung der Züchtung aus der EU zur Folge haben, mit schwerwiegenden Folgen für den europäischen Agrarsektor. Ricarda Steinbrecher vom Europäischen Netzwerk von Wissenschaftern mit besonderer Verantwortung für Umwelt und Soziales (ENSSR) argumentierte mit dem Vorsorgeprinzip. Das fordere eine gründliche Prüfung von neuen Technologien, bevor Produkte auf den Markt kämen, die aus der Natur nicht mehr zurückzuholen seien.
Schließlich lieferten sich die Konferenzteilnehmer einen langen Disput über die Notwendigkeit von züchterischem Fortschritt. Die Befürworter der neuen Methoden wiesen auf die Herausforderungen hin, etwa der Versorgung einer rapide wachsenden Weltbevölkerung oder dem drohenden Wassermangel in der Weltlandwirtschaft. Die Skeptiker argumentierten, die Züchtung verhindere nicht den Hunger von Kleinlandwirten in Afrika, löse keine Probleme der EU-Landwirtschaft mit der Artenvielfalt und sorge für eine Konzentration der Sortenentwicklung in wenigen Konzernen.