Mercosur überfordert Verhandler
Seit 20 Jahren versucht die EU, ein Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern abzuschließen. Bei den Gesprächen gibt es wenig Fortschritte, was nicht nur am sensiblen europäischen Rindfleischmarkt liegt. Auch die politischen Entwicklungen in Südamerika verhindern einen Durchbruch in den Handelsgesprächen. Eine technische Verhandlungsrunde ging kürzlich in Buenos Aires wieder einmal ohne sichtlichen Erfolg zu Ende. Dabei standen harmlosere Themen auf der Tagesordnung, wie der Schutz von geografischen Ursprungsbezeichnungen. Selbst dafür fehlte der Schwung der Unterhändler, um ein Ergebnis vorweisen zu können.
Die Mercosur-Verhandlungen sind seit Monaten blockiert, weil sich beide Seiten unzureichende Angebote für den Marktzugang vorwerfen. Klar ist, dass die EU den Südamerikanern für Rindfleisch, Geflügel und Bioethanol nur zollfreie Einfuhrkontingente anbietet. Eine Zollsenkung ohne Mengenbeschränkung kommt für sensible Agrarprodukte nicht in Frage. Nach bisher nicht offiziell bestätigten Informationen soll die EU-Kommission ein zollfreies Einfuhrkontingent für 99.000 t Rindfleisch angeboten haben. Das wäre das Doppelte der Menge, welche die EU 2004 in den ersten Jahren der Verhandlungen ins Spiel gebracht hatte. Dennoch reichen die 99.000 t Rindfleisch den Mercosur-Ländern bei Weitem nicht. Auf der anderen Seite beklagt die EU-Kommission, dem Mercosur-Gegenangebot für den Zugang von Autos, Autoteilen und Dienstleistungen aus der EU fehle es an Ambitionen.
Eine Aussicht auf ein Ende des Stillstands besteht nicht. Im Gegenteil, mit dem Sieg des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien hat sich das politische Umfeld in den Mercosur-Verhandlungen deutlich verschlechtert. Zudem bieten die Europawahlen im Mai und der Wechsel in der EU-Kommission den Europäern kaum zeitlichen Spielraum für substanzielle Verhandlungen.
Beide Seiten scheinen in den nunmehr 20 Jahre andauernden Bemühungen um ein Freihandelsabkommen überfordert zu sein. Als sich Brasilien vor zwei bis drei Jahren in der Klimapolitik der EU annäherte und an einem Abschluss sehr interessiert war, blockierte ein protektionistisches Argentinien die Mercosur-Länder. Inzwischen ist Argentinien wieder exportorientiert, aber der brasilianische Präsident Bolsonaro macht Schwierigkeiten. Er droht mit einem Austritt aus dem Klimaabkommen, stellt agrarische Interessen über jene des Umweltschutzes und verweigert die Landverteilung an Kleinbauern.
In der EU ist dies Wasser auf die Mühle von Globalisierungsgegnern und Politikern, die ein Freihandelsabkommen mit Südamerika verhindern wollen. Der französische Präsident Emmanuel Macron drohte kürzlich mit dem Ende der Mercosur-Verhandlungen, falls Brasilien aus dem Klimaabkommen aussteigt. EU-Agrarkommissar Phil Hogan fällt es immer leichter, die Interessen der irischen und französischen Rindfleischerzeuger zu verteidigen, seitdem er auf den Schutz des Regenwaldes in Brasilien hinweisen kann. Die Unterdrückung von Indianern und Kleinbauern in Brasilien könnte in der EU für Protestbewegungen gegen das Freihandelsabkommen sorgen, die jenen gegen TTIP kaum nachstehen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass das Abkommen mit den Südamerikanern mit Blick auf den potenziellen Handelswert einen sehr hohen Stellenwert habe. Dieser Wert sei bei Mercorsur um das Achtfache höher als beim CETA-Abkommen mit Kanada und um das Vierfache höher als beim Abkommen mit Japan. Der nächste Mercosur-Gipfel im Juli im argentinischen Santa Fé dürfe jedenfalls eine reine Routineübung ohne große Erfolgsaussichten werden.