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Genossenschaften für Milch in Berggebieten wichtig

Genossenschaften erfassen rund 60% der Milch in der EU und haben eine wichtige Funktion bei der Stabilisierung der Auszahlungspreise. Darüber sind sich die Abgeordneten im Agrarausschuss des Europaparlaments einig. Anhand von einzelnen Beispielen informierten sich die Agrarexperten im EU-Parlament über die Lage der Molkereigenossenschaften. Die Milchwirtschaft würde in Berggebieten ohne die Zusammenschlüsse nicht überleben, davon ist Robert Zampieri, Leiter der Bergmilch Südtirol in Italien, überzeugt. Nur diese Betriebsform käme mit den schwierigen Produktionsbedingungen in den Alpen zurecht.

Rund 4.000 km müssten die Wagen der Genossenschaften täglich zurücklegen, um die Milch aus den abgelegenen Höfen abzuholen. Ein Viertel der Landwirte habe weniger als zehn Kühe und viele der Tierhalter seien fast 70 Jahre alt. Die hätten nicht die Möglichkeit, in die Kühlung zu investieren, damit der Milchwagen nur noch alle zwei bis drei Tage zu kommen brauche, berichtete der Direktor der Bergmilch Südtirol. Aber die hohen Erfassungskosten könne die Genossenschaft durch überwiegend lokal vermarktete, hochwertige Produkte ausgleichen. Bei 53,62 Cent brutto pro Liter Milch liege man zurzeit. Damit käme der Genossenschaft mit ihren rund 2.500 Mitgliedern bei der Erhaltung der Milchwirtschaft eine entscheidende Rolle zu. Die Landschaft werde durch die Rinder offengehalten, was wieder eine Voraussetzung für den Tourismus sei, von dem auch viele Landwirte lebten. Als Problem des Zusammenschlusses gab Zampieri das Interesse der Mitglieder an einem kurzfristig hohen Milchauszahlungspreis an, was Investitionen in neue Produkte und ins Marketing erschwere.

Vor anders gelagerten Herausforderungen stehen Molkereigenossenschaften an der irisch-nordirischen Grenze. Es müsse einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Kontrollen an der Grenze geben, forderte William Irvine, Vorsitzender des Molkereiausschusses der Ulster Farmers Union. Ein gutes Viertel der nordirischen Milch werde von Molkereien in der Republik Irland verarbeitet und die Produkte kämen dann wieder ins Vereinigte Königreich. Die Milcherzeugung wurde in Nordirland in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut und der Brexit dürfe diese Entwicklung nicht stören, betonte Irvine im Agrarausschuss des Europaparlaments. Die irischen Genossenschaften Lakeland Dairies und Lacpatrick Dairies würden demnächst fusionieren. Sie seien auf die Erfassung der Milch auf beiden Seiten der Grenze angewiesen. Demnächst werde der Zusammenschluss auch seine Verarbeitungskapazitäten in Nordirland ausbauen und wolle sich zudem auf dem nordafrikanischen Markt engagieren, berichtete Irvine. Der Milchauszahlungspreis liege zurzeit bei 0,33 Euro/Liter.

Von den zehn größten Molkereien in der EU seien vier genossenschaftlich organisiert, hielt Michiel Van Galen von der Universität Wageningen in den Niederlanden fest. Genossenschaften bündelten die Verhandlungsmacht der Landwirte und verschafften den Milcherzeugern so einen Zugang zu den Einkäufern des konzentrierten Lebensmitteleinzelhandels. Allerdings werde es mit zunehmender Größe der Milchviehbetriebe schwieriger, die Interessen der verschiedenen Erzeuger unter einen Hut zu bekommen, hat Van Galen in einer Studie festgestellt. Im Wachstum der Molkereigenossenschaften sieht er Vor- und Nachteile. Die Größe sei eine Notwendigkeit, um auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Und solange Großbetriebe wie die Arla oder FrieslandCampina noch um den Rohstoff in Konkurrenz mit anderen stünden, sieht der Wissenschafter auch keine Gefahr für den Auszahlungspreis. Allerdings will er gewisse Entfremdungstendenzen zwischen den Landwirten und ihrer Genossenschaft bei zunehmender Größe nicht grundsätzlich ausschließen.