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Galgenfrist für die Zuckerrübe

Auf den Äckern läuft gerade der Zuckerrübenanbau. Oder sollte Zückerrübe angebaut werden. Die nächsten Wochen werden entscheidend für die Zukunft der Kultur sein. Frisst sich, wie im Vorjahr, der Rübenderbrüssler durch die Bestände, könnten sich viele Bauern von dieser Ackerfrucht abwenden.

„Noch haben wir keine Maschine verkauft.“ Wolfgang List aus Breitstetten im Marchfeld übt sich in Zweckoptimismus. Dennoch schwingt bei dem Rübenbauern und Lohnunternehmer auch eine klare Sorge mit. Denn ob die Zuckerrübe auch weiterhin das wirtschaftliche Rückgrat seines Betriebes darstellen wird, ist ungewiss: „Wenn die Käfer wieder so massiv kommen, ist das das Ende vom Rübenanbau.“ 900 Hektar haben List und seine drei Söhne mit ihren Rübenvollerntern in guten Jahren gerodet – 70 davon am eigenen Betrieb. Heuer werden im besten Fall 350 Hektar abzuernten sein. Aber auch nur, wenn diese nicht wieder großflächig vernichtet werden müssen.

„Bei den Rübenbauern sind die Schrecken des Vorjahres noch sehr präsent“, meint auf Anfrage auch der Rübenverarbeiter Agrana. Kommt es zu keiner Massenvermehrung der Schädlinge, könnte die gesamte Branche allerdings nochmals mit einem blauen Auge davongekommen sein. Denn die Landwirte haben trotz weiterhin mieser Zuckerpreise doch noch 32.000 Hektar Anbaufläche kontrahiert. „Das sind zwar um 8.000 Hektar weniger als im Vorjahr, aber noch genug um die Fabriken in Tulln und Leopoldsdorf einigermaßen auszulasten“, weiß der Geschäftsführer des Rübenbauernbundes Niederösterreich-Wien, Markus Schöberl. Noch im Herbst hatte es wesentlich schlechter ausgesehen. Im Frust rund um Käferfraß und Preisverfall hatten viele Ackerbauern darüber nachgedacht den Rübenanbau auszusetzen oder ganz damit aufzuhören. „Die Agrana ist uns mit einer Anbauprämie von 170 Euro pro Hektar entgegen gekommen. Damit sind die Kosten für das Saatgut fast abgedeckt“, so Schöberl. So mancher Rübenbauer in den besonders betroffenen Regionen des Weinviertels und im Marchfeld will es nun doch noch auf einen Versuch ankommen lassen.

Kurzfristig ergeben sich für die Agrana daher keine Konsequenzen für Kapazitätsanpassungen. „Sollte dieses geringere Flächenniveau aber nachhaltig sein, müsste überlegt werden“, so der Zucker-Konzern etwas kryptisch. Einen zweiten Anlauf wird es auf den meisten Betrieben heuer ohnehin nicht mehr geben. „Sogar die Agrana empfiehlt, keine Rüben mehr nachzubauen. DerAufwand, den wir im letzten Jahr betrieben haben, hat sich nicht gerechnet“, meint Wolfgang List. „Da und dort bekommen wir Rückmeldungen, dass Rübenderbrüssler gesichtet wurden. Es wäre aber falsch, jetzt Panik zu verbreiten“, ist Schöberl um Zuversicht bemüht. Es werde auf die Witterung der nächsten Wochen ankommen. „Je wärmer es ist, desto aktiver sind die Käfer. Bei rund 20 Grad fangen sie zu fliegen an und verbreiten sich dann rasch weiter.“

Die über eine Notfallzulassung in allen Bundesländern außer dem Burgenland und Wien nun doch wieder erlaubten Neonicotinoide allein werden jedenfalls nicht helfen. „Da wurde in der Diskussion manches verwechselt“, so Schöberl, „im Vorjahr hatten wir ja trotz Zulassung massiven Käferbefall. Wir brauchen die Beizen aber weiterhin gegen Erdfloh und Läuse.“ Lohnunternehmer List setzt auch auf die Weiterentwicklung eines Systems, das die Agrana schon im Vorjahr getestet hat: Die Rüsselkäfer sollen in eigens gezogene Rillen neben den Saatreihen fallen, aus denen sie nicht mehr herausklettern können. „Voriges Jahr war uns noch nicht klar, was wir danach machen sollen. Heuer werden wir aber anbieten, GPS-gesteuert nochmals mit einer Scheibe durch die Rillen zu fahren, um die Käfer dort zu zerquetschen.“

 

STEFAN NIMMERVOLL