Blauflügelige Ödlandschrecke, Zauneidechse oder Grasfrosch: Sie alle stehen auf der Roten Liste für gefährdete Arten, finden aber gerade dort, wo man es vielleicht am wenigsten vermutet, neuen Lebensraum. Das zeigen die Ergebnisse eines einzigartigen Naturraummanagement-Projekts der Österreichischen Bundesforste (ÖBf), in dem erstmals Fauna und Flora an den Begleitstreifen und Böschungen von bereits länger bestehenden Forststraßen im Wirtschaftswald wissenschaftlich untersucht wurden. „Zu unserer Überraschung entdeckten wir entlang der Waldstraßen ein perfekt eingespieltes Ökosystem, das bis jetzt noch kaum erforscht war“, begeistert sich Rudolf Freidhager, ÖBf-Vorstand für Forstwirtschaft und Naturschutz, für das Projekt.
Jeweils 29 Forststraßen-Abschnitte wurden im Wienerwald (W, NÖ) und in den Fischbacher Alpen (Stmk.) von den Experten gescreent, 25 im Günser Gebirge im Burgenland. Im Salzkammergut (OÖ) dokumentierte man 22, im Salzburger Lungau 21 Strecken. Reptilien, Amphibien, Tagfalter, Heuschrecken, Libellen, Weberknechte, Schnecken, Schalen- und Auerwild, geschützte Pflanzen und invasive Neophyten (sich schnell ausbreitende, nicht heimische Pflanzen) standen im Fokus der Untersuchungen.
Viermal so oft wie im angrenzenden Wald wurden die zehn häufigsten, heimischen Schmetterlingsarten wie der C-Falter gesichtet aber auch gefährdete Exemplare wie der Feurige Perlmuttfalter konnten deutlich öfter nachgewiesen werden. Einige Heuschreckenarten der Roten Liste, zu denen die Blauflügelige Ödlandschrecke die Italienische Schönschrecke und mehrere Arten von Dornschrecken zählen, konnten ausschließlich im Forststraßen-Lebensraum und nicht im umgebenden Wald angetroffen werden.
Selbst Auerhühner können den lichten Strauchbewuchs zur Nahrungssuche nutzen. Von den schützenswerten Pflanzen wachsen zum Beispiel Arnika, verschiedene Bärlapp-Arten, Schwalbenwurz-Enziane oder auch Schneerosen entlang der Wege. „Die Artenvielfalt und vor allem der hohe Anteil gefährdeter Arten haben uns alle positiv überrascht!“ freut sich Freidhager.
Die Erschließung des Waldes durch Forststraßen zählt zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine naturnahe und nachhaltige Waldbewirtschaftung. Auch für Freizeitaktivitäten werden Forststraßen vielfach genutzt. Gleichzeitig bedeuten Forststraßen aber auch einen Eingriff in das Ökosystem Wald. „Dieses Spannungsfeld wurde im Projekt berücksichtigt“, erklärt Freidhager. „Wir haben gesehen, dass entlang der Forststraßen interessante Lebensräume für zahlreiche Arten entstehen können. Doch es gibt auch jene Arten, die durch Forststraßen negativ beeinflusst werden. Da können wir Maßnahmen setzen.“ Für eine optimale Lebensraumgestaltung haben die Bundesforste daher eine neue Broschüre „Aktiv für biologische Vielfalt an Forststraßen“ veröffentlicht. Sie gibt Praxistipps zum achtsamen Umgang mit der Natur entlang der Forststraßen.
Die Broschüre kann unter www.bundesforste.at/publikationen kostenlos heruntergeladen. |