Daten nützen, Daten schützen
Die Erfüllung einzelner Förderkriterien wird seit kurzem auf Basis der Daten von Satelliten überprüft. Bei manchen Bauern hinterlässt das ein mulmiges Gefühl. Die AMA sieht auf Nachfrage von STEFAN NIMMERVOLL aber Erleichterungen für die Landwirtschaft.
Alle drei bis fünf Tage liefern die Sentinel-Satelliten, wenn es die Bewölkung zulässt, Bilder mit einer Auflösung von 10x10m-Pixel. In Zukunft werden diese von der AMA automatisch ausgewertet und mit den Angaben im Mehrfachantrag abgeglichen. Damit können Parameter wie zum Beispiel die Kulturart, ein Grünlandumbruch, Mahd und Ernte oder das Vorhandensein von Begrünungen künftig auf hundert Prozent der Flächen und nicht mehr nur bei Vorort-Kontrollen bei einem Bruchteil der Betriebe nachvollzogen werden. Passen Antrag und Realität nicht schlüssig zusammen, schlägt ab Ende Mai ein Ampelsystem an, das auf Abweichungen und unklare Situationen hinweist. Förderwerber bekommen eine Push-Nachricht in der AMA MFA Fotos App; digital nicht so affine Landwirte erhalten ein Mail.
Sollte die Beurteilung auf Basis der Satellitenbilder fehlerhaft sein, kann die Richtigkeit der Angaben im Antrag binnen 14 Tagen mit einem Foto vom Zustand des Nachweises in der Natur bestätigt werden. Dieses kann einfach am Smartphone oder online hochgeladen werden. Neu ist auch, dass tatsächliche Abweichungen noch korrigiert werden können. Der AMA-Vorstandsvorsitzende Günter Griesmayr sieht darin einen großen Fortschritt: „Wir bekommen die Möglichkeit, den Bauern zu helfen und die Anträge zu verbessern. Etwaige Sanktionen können dadurch verhindert werden.“ Zusätzlich werde die Anzahl und Dauer der Vorort-Kontrollen der Einschätzung der AMA nach stark zurückgehen und die bürokratische Belastung dadurch sinken. Nötig sei diese Umstellung auf Verlangen der EU-Kommission gewesen, weil nur noch Österreich und Luxemburg keine solchen Plausibilitätskontrollen über eine Fernerkundung gehabt haben.
Dass die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten zur Kontrolle der Betriebe schafft, bestätigt auch Markus Gansberger, der Leiter des Projekt Innovation Farm und des Bachelorstudienlehrgangs Agrartechnologie & Digital Farming am Campus Francisco Josephinum der FH Wiener Neustadt in Wieselburg: „Der Aufwand kann massiv reduziert wird. Wichtig ist es aber, gut aufzuklären, was gemacht wird und was man nicht machen will.“ Einer Verunsicherung, wie sie aktuell auf manchen Höfen herrscht, müsse man mit Informationen entgegenwirken, Missverständnisse aufklären. „Bei der Innovation Farm wollen wir die Potentiale der Digitalisierung aufzeigen und Know How aufbauen. Wesentlich ist, dass man die Leute mitnimmt und Vertrauen schafft, wofür die Daten verwendet werden.“ Es gilt zu vermeiden, dass die Erhebung von landwirtschaftlichen Daten durch die Verwendung zur Kontrolle generell in ein schiefes Licht gerät. Ein großes Thema ist auch der Datenschutz. „Die Sicherheit ist im hoheitlichen Bereich aber in jedem Fall größer als bei vielen gewerblichen Anbietern“, meint Gansberger.
Absolut keine Notwendigkeit habe die AMA für Informationen, die von Maschinen gesammelt werden, sagt Günter Griesmayr. Dass irgendwann ein Pflanzenschutzgerät, ein Düngerstreuer oder ein Güllefass mit einem amtlichen GPS-Tracker, einem Durchflussmesser oder Analysesensoren ausgerüstet sein müssen, ist technisch möglich und wurde in anderen Ländern zumindest in Ansätzen bereits vorgeschrieben. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man das in der GAP in absehbarer Zeit haben will“, so Griesmayr. Letztlich sei das aber eine Entscheidung der Politik. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Gesellschaft möglichst viele Informationen darüber einfordert, wofür die öffentlichen Mittel eingesetzt werden. Auch dass der Lebensmitteleinzelhandel einmal Pflanzenschutz- und Düngermaßnahmen noch genauer nachvollziehen und dafür Belege sehen will, ist nicht ganz ins Reich der Fantasie zu verweisen. Für Thomas Resl, der sich als Direktor der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen mit landwirtschaftlichen Daten auseinandersetzt, sind aber auch dem Grenzen gesetzt: „Wenn wir die Daumenschrauben noch weiter anziehen, werden die Bauern irgendwann nicht mehr mitmachen.“
Mehr Informationen über die Bauernhöfe in der EU sollen künftig auch über das sogenannte Datennetz für die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe, FSDN, gesammelt werden. Dieses ersetzt das Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführung, FADN. Es wird neben den schon bisher bekannten wirtschaftlichen Grundlagen auch ökologische und soziale Informationen erfassen. Die ÖVP-Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Simone Schmiedtbauer, pocht darauf, dass eine Teilnahme daran freiwillig sein muss: „Wenn wir alles angeben müssen, was im Verordnungsvorschlag gefordert wird, werden wir gläsern. Da geht es auch um sensible Bereiche.“ So sollen etwa auch von kleineren, nicht buchführungspflichtigen Betrieben die Schulden erhoben werden. Unklar ist auch, wie man Bereiche wie die Arbeitsbedingungen für landwirtschaftliche Angestellte überhaupt erfassen will. Wichtig ist Schmiedtbauer, dass die Daten zunächst in den Mitgliedsstaaten erfasst werden müssten und erst dann gebündelt nach Brüssel geschickt werden: „Ich sehe bei der Erhebung bei vielen Aspekten aber grundsätzlich keinen Mehrwert.“
Ein Hintergrund für die Erweiterung der Informationserfassung auf Umwelt und Soziales liegt wohl in den Zielen der Farm2Fork-Strategie der Europäischen Union. Dabei hat man ja groß getönt, zum Beispiel den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte reduzieren zu wollen. Da die ausgebrachten Mengen aktuell aber gar nicht erhoben werden, braucht man überhaupt erst einmal ein Zahlenwerk, von dem man wegrechnen kann. Thomas Resl verweist allerdings darauf, dass für eine Erhebung in vielen Bereichen noch die rechtliche Grundlage fehlt und die Bauern zudem nicht bereit sein würden, Informationen über ihre Privatsphäre bekanntzugeben. „Dennoch müssen wir die Datenerfassung nicht nur als Gefahr, sondern auch als Chance zu verstehen. Die Betriebe selbst, aber auch die Lohnunternehmer erfassen vieles, weil es agronomisch sinnvoll ist, diese Informationen zu haben.“