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Blauzunge: Impfung einzig wirksame Methode

Der Klimawandel stellt die Rinderzucht Austria vor Herausforderungen. Geschäftsführer MARTIN STEGFELLNER fürchtet allerdings im Gespräch mit STEFAN NIMMERVOLL auch eine rasche Ausbreitung der Blauzungenkrankheit.

Österreich leidet gerade unter der Hochwasserkatastrophe. Was hören Sie denn von den rinderhaltenden Betrieben im betroffenen Gebiet?

Noch nichts Konkretes, aber es sind größere Schäden im Grünland und beim Mais zu erwarten. Wie stark auch Betriebsstätten von Rinderbetrieben betroffen sind, liegt uns leider nicht vor. Der Klimawandel betrifft uns aber nicht nur durch das Hochwasser. Auch die Abstände zwischen den Dürreereignissen werden immer kürzer. Wir werden an allen Ecken und Enden an Schrauben drehen müssen, um die Weichen Richtung zukunftsfitte Rinderhaltung zu stellen. Deshalb sind wir dabei, ein Projekt einzureichen, bei dem wir uns den Hitzestress nicht nur im Bereich Management, sondern auch in Richtung Züchtung anschauen wollen.

Welche Parameter wären dabei wichtig? 

Wenn die Tiere in guter Kondition sind, sind sie resistenter. Im Bereich der Genetik gibt es Studien, dass es Unterschiede zwischen den Rassen gibt und die Zucht auf Hitzetoleranz möglich wäre. Zudem kann über bauliche Maßnahmen Hitzestress reduziert werden.

Der Rinderhaltung wird ja mit Schuld am Klimawandel gegeben. Wie gut dringt man denn mit den Gegenargumenten in der Öffentlichkeit durch?

Wir müssen die Fakten auf den Tisch legen und fairer diskutieren. Innerhalb der Branche wissen wir, dass man das ganze gesamtheitlicher betrachten und die CO2-Speicherung über das Grünland mit berücksichtigen müssen. In der Öffentlichkeit wird die Kuh immer nur im Zusammenhang mit dem Methanausstoß genannt.

Kann nicht die Züchtung um den Aspekt Methanreduktion erweitert werden?

Es zeigt sich, dass es genetische Komponenten gibt, auf die man züchten kann. Wir haben deshalb bereits das Forschungsprojekt „breed4green“ am Laufen. Dabei messen wir mit Hilfe einer mobilen Kraftfutterstation in der Zeit, in der die Kuh Lockfutter frisst, die Abgase. Damit erhalten wir tierindividuelle Daten, mit denen wir züchterisch arbeiten können.

Es gibt das Argument, dass intensiv gefütterte Kühe auf den Liter Milch weniger Emissionen ausstoßen. Insofern wäre eine typische österreichische Kuh nicht besonders klimafreundlich.

In punkto Klimaeffizienz gibt es zwei Varianten, die besonders erfolgreich sind: Die Hochleistungskuh mit dem maximalen Output pro Input, wie es im Bereich der Holstein-Herden der Fall ist. Oder unser Weg der Doppelnutzung, also auch im Bereich der Rindfleischproduktion mit derselben Rasse zu arbeiten. Zahlreiche Studien stellen uns dabei ein sehr gutes Zeugnis aus. Deshalb sind wir gerade dabei, ein Softwaretool fertigzustellen, mit dem sich Betriebe in ihrer Umweltwirkung vergleichen und verbessern können. Denn die Molkereien werden in Zukunft einen Nachhaltigkeitsbericht abgeben müssen. Wir können die objektiven Kennzahlen dazu liefern. Das Angebot, die vernetzten Daten zur Verfügung zu stellen, steht.

Melkroboter und Co. sammeln endlos Daten. Welche Hilfestellungen können denn diese für die Zucht bieten?

Gerade die Daten von automatischen Melksystemen sind für uns hochinteressant. Immerhin verwenden bereits zirka zehn Prozent der Betriebe Sensoren und erstmals werden mehr als 100.000 Kühe mit automatischen Melksystemen gemolken. Wir sehen uns als Datendrehscheibe, vernetzen diese Daten mit unseren digitalen Systemen und stellen diese über unsere Software den Züchterinnen und Züchtern zur Verfügung. Wir haben uns jahrelang um Schnittstellen bemüht. Das funktioniert bei einigen Melkroboter-und Sensorherstellern in der Routine bereits sehr gut. Mit anderen sind wir nach wie vor im Gespräch, um den Datenaustausch und die digitale Vernetzung weiter voranzubringen.

Stimmt die Zuchtwertschätzung mit den dabei erhobenen Daten noch überein?

Ja, grundsätzlich schon. Wir wollen die Zuchtprogramme der größeren Rassen aber evaluieren und zukunftsfit machen. Da bieten die zusätzlichen Daten, wie zum Beispiel von Sensoren, neue Chancen.

Wird Gentechnik in Zukunft bei der Rinderzucht Bedeutung haben?

Neue Züchtungsmethoden, insbesondere CrispRCas, werden international stärker kommen. Da geht es um Themen wie um die Zucht auf Krankheitsresistenzen. Ob wir das in Österreich einsetzen wollen und werden, ist eine gesellschaftspolitische Frage. Aber man muss dennoch in der Forschung Geld in die Hand nehmen, weil wir mehr über die Technologie wissen müssen. Auch wenn wir sagen, wir wollen das nicht, wird es umso wichtiger, Maßnahmen setzen zu können, damit solche Produkte nicht über Samen, Eizellen oder Embryonen importiert werden. Denn derzeit ist es nicht nachweisbar, ob es sich um eine spontane Mutation handelt oder ob diese über CrispRCas bewusst hervorgebracht wurde.

Wird die heimische, bäuerlich geprägt Zucht angesichts der Geschwindigkeit der internationalen Entwicklung ins Hintertreffen geraten?

Diese Gefahr sehen wir und zeigen dies in diversen Diskussionsgruppen auf. Wenn solche Technologien patentierbar bleiben, dann wir es ganz schwierig sein, als bäuerliche Zuchtorganisation die Kosten aufzubringen, um diese nutzen zu können.

Ein großes Thema ist die Blauzungenkrankheit. Hier gibt es erste Fälle in Österreich. Rechnen Sie mit einer raschen Ausbreitung über das Bundesgebiet?

Wir haben die Ausbreitung in Deutschland mit großer Sorge mitverfolgt. Wir hoffen, dass die niedrigen Temperaturen helfen, um die Krankheit einzubremsen. Aber man muss davon ausgehen, dass es neue Fälle geben wird. Speziell bei BTV-3 gibt es sehr viele Praxisberichte, die auch von starken klinischen Symptomen und größeren wirtschaftlichen Auswirkungen sprechen. Die Impfung ist die einzig wirksame Methode, um die Tiere davor zu schützen. Deshalb haben wir kürzlich im Vorstand der Rinderzucht Austria eine Empfehlung dafür ausgegeben.

Wird es eine Impfpflicht brauchen, um die Krankheit auszumerzen, wie es 2008 schon einmal gelungen ist?

Jeder Bauer soll für sich selbst abschätzen, ob eine Impfung für ihn relevant ist oder nicht. Aber wir sehen keine andere Maßnahme, um die eigene Herde wirksam zu schützen.

Wie groß sind denn die Auswirkungen auf die Rinderzucht, wenn es zu Einschränkungen der Verbringungen kommt?

Die Auswirkungen sind stark auf den Absatzmärkten spürbar. Die Verhandlungen mit den Exportmärkten laufen auf Hochtouren, um unsere Zuchttiere weiterhin international vermarkten zu können. Zudem laufen Gespräche ob geimpfte Tiere in weiterer Folge von den Ländern akzeptiert werden. Da braucht es Anpassungen in den Zertifikaten diverser Länder.

Zuletzt sind Sie wegen der Exporte nach Algerien in die Kritik geraten. Verschwinden die österreichischen Rinder irgendwo, wie es Tierschutzorganisationen behaupten?

Natürlich nicht. Wir möchten aber in Zukunft noch mehr Transparenz hineinbringen, weil mit Halbwahrheiten und mit Fake News gearbeitet wird. Das wird uns als Dachorganisation sehr fordern.

Ist es moralisch vertretbar, Zuchtrinder in Länder mit zweifelhaften politischen Systemen zu verbringen?

Das muss man aus der Warte der Betriebe sehen, die sich unsere teuren Zuchttiere kaufen, um ihren Betrieb weiterzuentwickeln und abzusichern. Dass jedes Land die Selbstversorgung mit Milchprodukten und Rindfleisch aus eigner Produktion anheben will, ist legitim.

Wäre nicht der Export von Sperma oder Embryonen ein wesentlich schonender Zugang?

Das passiert ja bereits. Mit der Kreuzungszucht reden wir von Jahren, bis wir den Fortschritt in den Herden sehen. Der Vorteil für den Kunden, wenn er eine trächtige Kalbin bekommt, ist hingegen, dass er viel schneller eine Herde aufbauen kann. Er hat eine frisch laktierende Kuh und bereits die nächste Generation am Betrieb, um den Herdenaufbau schneller voranzutreiben.