Von der Kluft zwischen Bürger und Käufer
Es war ein Zeichen der Normalisierung, dass das AMA-Milchsymposium nach zwei Jahren Pause wieder stattfand. Die Zwangspause hat aber nicht dazu geführt, dass sich drängende Probleme der Milchproduktion verändert hätten. Ganz in Gegenteil, sie sind deutlicher hervorgetreten. Michael Blass: „Wir haben eine konkrete Vision von Tierwohl und werden unseren Auftrag dahingehend stärker akzentuieren. Dabei geht es auch darum, alle zu überzeugen und mitzunehmen auf den Weg hin zu maßgeblich verbesserter Produktqualität durch mehr Tierwohl. Der Fokus liegt dabei auf breit aufgestellten Langzeitprogrammen, wie beim „Masterplan Schwein“. Verbesserte Transparenz, etwas im Form einer Tierhaltungskennzeichnung, wird dabei eine Rolle spielen“, so Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, in seinem Eingangsstatement.
Josef Moosbrugger, Präsident der LKÖ, befürchtet, dass bei der Tierhaltungskennzeichnung die heimische Produktionsvielfalt in eine Uniformität gepresst werden könnte. Auch Stefan Lindner, Aufsichtsratschef der Berglandmilch, sieht die Herausforderung in den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der verschiedenen Tierhaltungsbranchen.
Yascha Lena Koik, Doktorandin der FH Kiel, fühlte den Verbrauchern auf den Zahn. 41 Prozent unter den Befragten glauben, dass die Tierhaltung früher besser war. Außerdem verhalten sich Menschen gegensätzlich, je nachdem, ob gerade der Käufer oder der Bürger aus ihnen spricht. Der Bürger sagt, er würde gerne mehr Geld für mehr Tierwohl auslegen, aber an der Kassa regiert seine Identität als Verbraucher, die ihn doch mehr auf den Preis schauen lässt, als der Bürger vorgibt. Neben dem Preis ist für ein Fünftel der Befragten mangelndes Vertrauen in die Tierwohl-Kennzeichnung ein Hemmnis, solche Produkte zu kaufen.
Stefan Kohler von der Schweizer „Branchenorganisation Milch“ berichtete von der Entwicklung der Marke „swissmilk green“. Es wurden zehn Kriterien definiert, die den Standard für Tierwohl, Fütterung, Nachhaltigkeit und Soziales definieren.
Rolf Bernhard, Leiter Agronomie und Produktionssysteme bei der Migros-Gruppe, berichtete von den Erfahrungen mit der Kennzeichnung „M-Check“. Es wurde eine Nachhaltigkeitsskala von 1 bis 5 entwickelt, die die Migros Eigenmarken nach Tierwohl und Klimaverträglichkeit einstuft. 3.500 Produkte der Migros stehen gekennzeichnet in den Regalen. Bis 2025 will Migros alle Produkte der 250 Eigenmarken mit „M-Check“ kennzeichnen, das entspreche etwa 80% des Sortiments.