Österreich schwitzt: „Bodenverbrauch heizt das Klima an“
Derzeit erleben die Menschen in Österreich und in vielen weiteren Ländern Europas eine erneute Hitzewelle. Es ist bereits das vierte Mal in diesem Jahr, dass über mehrere Tage Temperaturen weit über 30 °C gemessen werden. Die Hitze wird noch bis Mitte nächster Woche anhalten. Nach 2018, dem global heißesten Jahr seit Aufzeichnungsbeginn, wird laut Experten auch der Sommer 2019 zu den heißesten der Messgeschichte zählen. „In Wien gab es heuer bereits 29 Tage mit Temperaturen über 30 °C“, so Barbara Stuhl, Meteorologin der Österreichischen Hagelversicherung.
Die fortschreitende Bodenversiegelung ist unter anderem ein Grund für mehr und länger anhaltende Hitzewellen. „Die natürliche Klimaanlage Boden geht in Österreich schneller verloren als in irgendeinem anderen Land unseres Kontinents. Die natürliche Kühlung durch Verdunstung ist auf zubetonierten Flächen nicht mehr möglich. Besonders die Menschen im städtischen Bereich bekommen verstärkt den sogenannten ‚urban heat island effect‘ oder Städtehitzeeffekt zu spüren“, erklärt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Hagelversicherung, eine von vielen wichtigen Funktionen unserer Böden.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Weinberger, langjähriger Kämpfer für den Erhalt der Böden, haben kürzlich in einem Gedankenaustausch über dieses brennende heimische Umweltproblem gesprochen. Van der Bellen zeigte sich dabei sehr besorgt über diese Fehlentwicklung. „Diese Erde, dieser Kontinent ist gut zu uns. Aber wie gut sind wir zu unserer Erde?“ – mit diesen Worten hatte der Bundespräsident die diesjährigen Salzburger Festspiele eröffnet. „Diese Worte sollten wir uns alle zu Herzen nehmen“, so Weinberger.
Die Hagelversicherung warnt bereits seit Längerem vor den weitreichenden Folgen des ungezügelten Bodenverbrauchs in Österreich. Viele dieser Folgen sind auf Anhieb nicht sofort erkennbar – die steigenden Temperaturen und die länger anhaltenden und öfter vorkommenden Hitzewellen bemerken mittlerweile jedoch alle. „Durch den Verlust unserer natürlichen Ressource Boden gefährden wir zudem auch die Lebensmittelversorgung im eigenen Land, was uns von Importen abhängig und damit sehr verletzbar macht“, gibt Weinberger zu bedenken.
„Weiters gefährden wir Tausende Arbeitsplätze entlang der agrarischen Wertschöpfungskette. Als Tourismusland setzen wir die Schönheit Österreichs aufs Spiel und nehmen somit das Risiko in Kauf, dass weniger Touristen unser Land besuchen. Zubetonierte Flächen sind für Reisende keine attraktive Sehenswürdigkeit. Durch den Wegfall von Boden als wichtiger CO2- und Wasserspeicher werden Wetterextreme wie Hitzewellen, Dürre, aber auch Überschwemmungen zukünftig weiter zunehmen. Die Artenvielfalt leidet auch unter der Verbauung unserer Böden. Landschaften werden zerschnitten und die Ausbreitung sowie Wanderung von Pflanzen und Tieren unterbunden. Die Zerschneidung von Lebensräumen führt durch eine Verschlechterung von Habitat-Bedingungen zur Abwanderung oder gar zum Verschwinden ganzer Arten“, so Weinberger.
Um das Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der österreichischen Bundesregierung aus dem Jahr 2002 zu erreichen, nämlich den täglichen Bodenverbrauch von derzeit 12 auf maximal 2,5 ha zu reduzieren, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Dazu gehören beispielsweise monetäre Anreizsysteme für eine Revitalisierungsoffensive leerstehender Immobilien sowie eine österreichweite Leerstands-Datenbank und eine Flächenmanagement-Datenbank, die Gemeinden dabei unterstützt, Baulücken und Leerstände in Ortskernen transparent zu erfassen. Auch der Schutz besonders wertvoller Flächen (landwirtschaftlicher Vorrangflächen) wird empfohlen. So sind etwa in der Schweiz die produktivsten Landwirtschaftsböden im Sinne der Ernährungssicherung der Bevölkerung gesetzlich vor Verbauung geschützt.
Zum rasanten Bodenverbrauch findet Weinberger klare Worte: „Bevor wir neue Hallen und Häuser auf wertvolle Äcker und Wiesen stellen, sollten wir unter dem Motto ‚lieber sanieren als zubetonieren‘ damit anfangen, die rund 40.000 ha Leerstände in Österreich einer neuen Nutzung zuzuführen. Das schafft Arbeitsplätze, schont die Umwelt und spart wertvolle Böden, die wir, unsere Kinder und Kindeskinder noch dringend benötigen.“