Foto: agrarfoto.com

Wissenschaftler für Änderung der GVO-Gesetzgebung

Exakt ein Jahr nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach Pflanzen, die mit Präzisionsmethoden wie CRISPR/Cas9 erzeugt wurden, als gentechnisch veränderte Organismen gelten, appellieren zahlreiche namhafte europäische Wissenschafterinnen und Wissenschafter an die EU, die Nutzung neuer präziser Zuchtmethoden zur Verbesserung von Kulturpflanzen zu vereinfachen. Dadurch soll eine nachhaltige Entwicklung von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion auch in Zeiten des Klimawandels und des Bevölkerungswachstums ermöglicht werden, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme an das neu gewählte EU-Parlament und die EU-Kommission. Das Statement unterzeichneten in Österreich das Austrian Institute of Technology (AIT), das Institute of Science and Technology Austria (IST), die Universität für Bodenkultur Wien (Boku) sowie das Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) und das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Durch das Urteil fallen Kulturpflanzen selbst mit der Mutation einer einzigen Base durch die Genschere CRISPR/Cas9 unter die GVO-Gesetzgebung aus dem Jahr 2001 und müssen in der EU somit einem aufwendigen und teuren Zulassungsverfahren unterzogen werden, das sich laut den Wissenschaftern nur noch große multinationale Konzerne leisten können. Experten fürchten, dass Investitionen in die Forschung in der EU zurückgehen und die Züchtung durch kleinere Betriebe verhindert würden.

Gleichzeitig sind Pflanzen, die mit den weit weniger präzisen konventionellen Methoden der Genveränderung – zum Beispiel durch Chemikalien oder Bestrahlung – hergestellt wurden, von der Regulierung ausgenommen. Diese Mutationsverfahren erzeugen zufällige Variationen in den Genomen der Pflanze, die zu neuen Eigenschaften führen und seit langer Zeit in der Züchtung durch den Menschen eingesetzt werden. Sie erfordern aber anschließend aufwendige, zeit- und kostenintensive Selektion und Rückkreuzungen, um die neuen Variationen von Hunderten unerwünschten Mutationen zu trennen. „Die neuen Verfahren wie CRISPR/Cas erlauben die präzise Züchtung, bei der die gleichen positiven Genomveränderungen ohne die begleitenden ‚Schäden‘ im Erbgut erzielt werden können“, so Ortrun Mittelsten Scheid, Gruppenleiterin am GMI.

Diese minimalen Veränderungen durch die neuen Präzisionsverfahren könnten nachträglich nicht mehr von den gleichen Mutationen aus den Zufallsverfahren unterschieden werden. Eine Einfuhr von außerhalb der EU genomeditierten Kulturpflanzen in die EU sei daher problemlos möglich, während innerhalb der EU die Zulassung eigener Züchtungen erschwert wird.

Die Weltbevölkerung wächst, und zahlreiche Pflanzenarten sind durch den Klimawandel mit längeren Phasen der Trockenheit bedroht. Die Unterzeichner fordern daher eine Anpassung der veralteten GVO-Gesetzgebung und Harmonisierung mit anderen Staaten, um auch kleineren Forschungsinstituten und Produzenten in der EU die Züchtung zu erleichtern. Dies sei ein wichtiger Beitrag Europas zur Nahrungssicherheit und auch zu den von der UNO formulierten nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals).