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Rindfleisch und Regenwald letzte Hürden für Mercosur

Jahrzehntelang passierte in den Handelsgesprächen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten nichts. Jetzt rückt ein Abschluss in die Nähe des Möglichen. Die Koalition zwischen den Brüsseler Agrarverbänden und den Grünen im Europaparlament steht. Beide lehnen einen Abschluss der Mercosur-Verhandlungen ab. Ihr Hauptargument: Wenn die EU größere Mengen an Rindfleisch aus Südamerika importiert, geht dies zulasten des tropischen Regenwaldes in Brasilien. Während in den TTIP-Verhandlungen mit den USA das „Chlorhuhn“ die europäischen Konsumenten verunsicherte, ist es in den Mercosur-Verhandlungen die Rodung des tropischen Regenwaldes, die die Gegner des Abkommens vor allem als Hauptargument in der Diskussion anführen. Vor allem die irischen Landwirte verwandeln sich am Rande der Mercosur-Debatte zu Naturschützern. Es gibt aber einen Unterschied zu den TTIP-Gesprächen: Die Diskussion über die Mercosur-Verhandlungen findet nicht in einer breiten Öffentlichkeit statt, sondern beschränkt sich auf Fachkreise. Weil die Globalisierungsgegner diesmal nicht mobilisiert werden können, warnt der deutsche Europaabgeordnete Martin Häusling von den Grünen schon vor Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und einem heimlichen Durchbruch.

Die Auseinandersetzungen um den Abschluss der Mercosur-Verhandlungen spielen sich hauptsächlich zwischen den EU-Mitgliedstaaten ab. Im EU-Agrarrat vorige Woche in Luxemburg warnten Frankreich, Belgien, Polen und Ungarn vor weiteren Zugeständnissen im Agrarsektor. Sie sehen die Landwirtschaft in der klassischen Opferrolle. Da die Mercosur-Länder ihre Märke für Autoteile und andere Industriegüter öffnen wollen, gerät der EU-Agrarsektor erheblich unter Druck. Der französische Präsident, Emmanuel Macron, lehnt einen Abschluss der Mercosur-Verhandlungen zudem ab, solange der brasilianische Präsident, Jair Bolsonaro, mit einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen droht. Den Gegenpol unter den EU-Mitgliedstaaten bilden Deutschland, Tschechien, Portugal, Spanien, Schweden, Lettland und die Niederlande. Diese Länder drängen in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission zu einem ausgewogenen Abschluss. Sie verteidigen die Interessen von Industriesektoren mit strategischer Bedeutung, wie die Autoindustrie, der Maschinenbau und die Chemieerzeugung.

EU-Agrarkommissar Phil Hogan spielte zunächst die Anzeichen für einen baldigen Abschluss herunter und verwies auf die schon wiederholt gescheiterten Anläufe in den Handelsgesprächen. Seitdem aber Fortschritte nicht mehr zu leugnen sind, betont Hogan die klaren Grenzen der EU bei sensiblen Agrarerzeugnissen. „Am Ende können wir nur mit einem Ergebnis etwas anfangen, das auch die EU-Mitgliedstaaten mittragen“, machte Hogan Frankreich und den anderen kritischen EU-Mitgliedstaaten Mut. Die Erwartungen der Südamerikaner auf Zugang zu den europäischen Agrarmärkten seien bisher unrealistisch, machte der EU-Agrarkommissar auf dem Rat in Luxemburg deutlich. Dass die EU-Kommission über die angebotenen 99.000 t Rindfleisch als zollfreies Einfuhrkontingent hinausgehen wird, gilt eher als unwahrscheinlich. Dafür sind weitere Zugeständnisse der EU bei Importen von Zucker und Ethanol aus Brasilien möglich.

Tatsache ist, dass in die jahrelang dahindümpelnden Mercosur-Verhandlungen Bewegung gekommen ist. Der Druck zum Abschluss geht vor allem von Brasilien und Argentinien aus. Die beiden Länder sind inzwischen beim Import von Autoteilen auf die Forderungen der EU eingegangen. Die Frage für die Schlussphase bleibt, was Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay im Gegenzug für ihre Zugeständnisse im EU-Agrarsektor bekommen werden.

Die ganze Woche laufen in Brüssel Gespräche „auf technischer Ebene“. Am Mittwochabend und Donnerstag setzten sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und EU-Agrarkommissar Phil Hogan mit den Außen- und Handelsministern der Mercosur-Länder zusammen. Weitergehen könnte es am Samstag auf dem G-20-Treffen in Japan, wo sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri treffen wird. Ob ein Abschluss gelingt, kann kaum vorhergesagt werden, aber die Präsidentschaftswahlen in Argentinien im Oktober und der Wechsel der EU-Kommission im November öffnen mal wieder ein Zeitfenster, um Anlauf für einen Abschluss zu nehmen.