Foto: www.othmar-karas.at

Karas: „Landwirtschaft darf kein Nischenthema sein“

Es ist das erste Mal seit dem EU-Beitritt Österreichs, dass es mit dem Ausscheiden von Elisabeth Köstinger in der VP-Delegation keinen aus der Landwirtschaft kommenden Abgeordneten für die Agrarpolitik gibt. Er habe diese Agenden mit dem Ziel übernommen, die Thematik ganzheitlich ins europäische Politikgeschehen einzubetten, damit es nicht zu einem Nischenthema werde und die Kernpunkte der Landwirtschaft damit in der politischen Debatte zu einem gesamtgesellschaftlichen Schwerpunkt zu machen, betonte der EU-Abgeordnete und Köstingers Nachfolger im Agrarausschuss des EU-Parlaments, Othmar Karas, gegenüber Journalisten in Wien. Die Kernaufgaben in den kommenden Monaten sieht er vor allem in der GAP-Reform und der Finanziellen Vorausschau, die beide auch in die österreichische Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 hineinspielen werden.

Für Karas hält der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik starke Veränderungen bereit, weil damit der Versuch unternommen werde, den Fokus stärker auf die gemeinschaftlichen Ziele und die nationale Berichtspflicht über deren Umsetzung zu legen. „Während manche Mitgliedstaaten darin Renationalisierungstendenzen in der Agrarpolitik befürchten, steht Österreich diesem Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüber“, betonte der EU-Parlamentarier. Es gelte nun auszuloten, wie diese „nationalen Spielräume“ aussehen sollen, um dennoch „eine starke Agrarpolitik“ zu gewährleisten. Die Legislativarbeit darüber werde aller Voraussicht nach in die zweite Jahreshälfte 2018 fallen und damit unter österreichischer Ratspräsidentschaft erfolgen. Mit einem Abschluss vor dem Jahreswechsel rechnet Karas angesichts der engen Verknüpfung mit der Finanzvorschau und den Verhandlungen zum Ausstieg Großbritanniens aus der EU (Brexit) jedoch nicht.

Ein weiterer Schwerpunkt in den kommenden Monaten werden die Verhandlungen zum langfristigen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021 bis 2027 sein. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat bereits angekündigt, dass es zu „maßvollen Kürzungen der großen EU-Programme“ kommen werde und die aufgrund neuer Aufgabenfelder für die Union notwendige Umverteilung des Budgets zu weiteren Kürzungen der Agrarmittel führen werde. Karas hält die seitdem aufflammende Debatte über „weniger – mehr“ für „problematisch“. Angesichts des Brexit und neuer Aufgabenfelder wie der Migration, der Sicherheitsdebatte und der Verteidigung der EU-Außengrenzen oder der Digitalisierung sei von vornherein klar, „mehr EU-Aufgaben mit den bislang vorhandenen Mitteln oder sogar deren Reduzierung kann einfach nicht funktionieren“. Deshalb könne der Ansatz nur sein, geplante Projekte zu beziffern und danach zu diskutieren, wie diese am besten umzusetzen sind. „Zahlenspielerei wird uns nicht weiterbringen, vielmehr brauchen wir eine Debatte darüber, wie viel Geld die EU braucht, um handlungsfähig zu sein“, erläuterte der Europaabgeordnete. Die Summe, die daraus resultiere, müsse „sozial gerecht sein“, verwies Karas auf die Beiträge der EU-Mitgliedstaaten, die „aktuell rund 0,9% des nationalen Bruttowohlstands“ betragen, vertraglich aber 1,24% ausmachen müssten.

Ebenso werde im Bereich der Landwirtschaft und der ländlichen Entwicklung die Fülle an Mehraufgaben mit geringeren finanziellen Mitteln nicht umsetzbar sein.

Zum jüngsten Angebot der EU-Kommission an die Mercosur-Staaten, mit dem die Einfuhrquote für Rindfleisch von bislang 70.000 t auf 99.000 t angehoben wurde, verwies Karas auf die noch offenen Fragen. „Ungeklärt ist bislang etwa die Frage des EU-Herkunftsschutzes, Probleme gibt es ebenso bei Geflügel, und auch das große Ungleichgewicht bei Rindfleisch ist nicht ausverhandelt. Wir befinden uns noch mitten in den Gesprächen, die Einigung steht noch nicht vor der Tür, auch wenn der Zeitplan der EU-Kommission sehr ehrgeizig ist. Für uns muss aber ‚Qualität Vorrang vor Geschwindigkeit‘ haben. Dabei ist es wichtig, dass der europäische Markt in sensiblen Sektoren nicht völlig geöffnet wird“, unterstrich Karas.