Selbst ist der Hof
Die exorbitant gestiegenen Kosten für Strom setzen auch die Landwirtschaft unter Druck. Die Situation offenbart, dass die Energiewende auf den Höfen noch schneller gehen muss. Einzelne Vorzeigebetriebe sind dabei schon ziemlich weit.
Traditioneller Bio-Bauernhof und innovatives Labor für neue Ideen: Das Hochhubergut in Aschach an der Steyr ist beides. Bereits Seniorchef Karl Postlmayr war ein Pionier der Nutzung alternativer Energien und hat schon 1987 eine Hackschnitzheizung installiert. 2008 kamen erste Photovoltaikpaneele, bald darauf auch ein kleines Windrad. Zuletzt wurde ein Speicher für die selbst produzierten 60 kW-Peak Strom angeschafft. „Damit erzeugen wir den Bedarf für unseren Vierkanthof und seine Urlaub am Bauernhof-Zimmer größtenteils selbst“, erzählt er. Auch die PKWs der Familie werden elektrisch betrieben. Nur für die Traktoren müssen derzeit noch rund 3.000 Liter Diesel im Jahr zugekauft werden. „Am Anfang sind wir belächelt worden. Jetzt ist dafür unsere Betroffenheit von den hohen Energiepreisen relativ gering“, sagt der Bauer. Der Strom sei zu lange zu billig gewesen. Vielen hätten deshalb bisher bequem gelebt und müssten jetzt nach Hilfen schreien.
Mit seinem hohen Selbstversorgungsgrad ist der Betrieb jedenfalls in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Andere Landwirte kommen bei den neuen Verträgen, die sie von ihren Versorgern vorgelegt bekommen, allerdings ins Schwitzen. „Die Strompreise sind von acht bis zehn auf fünfzig Cent pro Kilowattstunde gestiegen“, klagt der Obmann der Geflügelmastgenossenschaft, GGÖ, Markus Lukas. Kaum eine Sparte sei so stromintensiv wie die Mast, weil ständig viel Luft zirkulieren müsse. Zwar hätten die Schlachtbetriebe höhere Übernahmepreise für die nächsten drei Umtriebe zugestanden. „Bis dato haben die Bauern die Mehrkosten selber zahlen müssen“, sagt Lukas. Er fordert deshalb, dass der von der Regierung zugesagt Stromkostenzuschuss nicht mit der Gießkanne verteilt wird, sondern gezielt jenen Betrieben, die besonders unter der Situation leiden, zugutekommt.
Errechnet wird die Aufteilung der Mittel der Sonderrichtlinie gerade von der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen. „Der unterschiedliche Stromverbrauch soll pauschal sowie flächen- und tierbezogen berücksichtigt werden. Für besonders energieintensive Produktionsbereiche sind darüber hinaus zielgerichtete Zuschüsse vorgesehen“, sagt Bauernbundpräsident Georg Strasser. Zur Kritik, dass die Summen nicht ausreichen würden, kündigt er an, im Bedarfsfall auf Nachbesserungen zu drängen. „Kein Staat wird aber die gesamte Teuerung abgelten können.“ Parallel sei es daher ebenso notwendig, unabhängiger zu werden. „Ein nächster Schritt dazu wird das Investitionsprogramm ,Energieautarker Bauernhof´ mit 25. Mio. Euro jährlich sein, zu dem bald Details präsentiert werden.“
„Ein Bauernhof braucht ein klares Energiekonzept, nicht alle Systeme wie einen Christbaumschmuck“, rät Hermann Reingruber vom Amt der oberösterreichischen Landesregierung zu einer guten Planung der Schritte zur Unabhängigkeit. Primär würden sich natürlich die meist zur Genüge vorhandenen Dachflächen für Photovoltaik anbieten. Auch Windräder oder Biogas aus Wirtschaftsdünger oder Nebenprodukten würden sich anbieten. „Der heurige Winter ist aber abgehakt, weil das Material nicht mehr zu bekommen ist und auch die Handwerker keine Zeit mehr haben. In einem Zeitraum von ein, zwei Jahren, wird sich das aber einpendeln.“ Jedenfalls habe es fast eine Verdreifachung der Anträge gegeben, so der Berater. „Es ist zu merken, dass die Umstellung auf Erneuerbare nicht mehr nur um des Planeten willen erfolgt, sondern auch der Druck der eigenen Geldbörse da ist.“
Ein wesentlicher Hemmschuh für den Ausbau von erneuerbarem Strom ist bisher die Netzinfrastruktur, deren Ausbau von den Energieversorgern nicht mit der allergrößten Begeisterung vorangetrieben wurde. „Es braucht definitiv mehr Druck“, meint Georg Strasser, „Wir müssen aber auch realistisch bleiben. Die Netzkapazitäten können nicht von heute auf morgen explosionsartig errichtet werden – nicht zuletzt wegen der zahlreichen Interessenskonflikte, etwa wenn Leitungen über landwirtschaftlichen Grund gehen.“ Daneben brauche es auch eine Beschleunigung von Projektbewilligungen. Ein Ziel müsse es dabei sein, mittels Bürgerbeteiligungsprozessen einen Interessensausgleich zwischen Projektwerbern und Anrainern zu schaffen und so Konflikte zu vermeiden.
Christoph Postlmayr vom Hochhubergut hätte schon in der Vergangenheit gerne weitere Pläne umgesetzt. So wollte die Familie auf einem agrarisch betrachtet schwachen Standort eine Freiflächen-PV-Anlage entwickeln, blitzte damit aber ab. „Ein Hektar Photovoltaik bringt denselben Stromertrag wie 50 Hektar Mais in der Biogasanlage und fördert daneben auch noch die Biodiversität“, sagt der Bauer. Für sein Projekt mit 400 kW-Peak sei sogar der notwendige Transformator vorhanden gewesen. „Wenn wir dort zuerst um eine neue Halle angesucht hätten und auf der damit versiegelten Fläche Paneele montiert hätten, wäre das einfacher möglich gewesen“, versteht Postlmayr die Logik nicht. Ähnlich sei es bei guten Windstandorten, auf denen Landwirte ein interessantes Zusatzeinkommen erwirtschaften könnten. „Die Leute müssen kämpfen, damit sie etwas Sinnvolles machen können. Da müssen die Widmungsverfahren viel einfacher werden.
Für die Geflügelbranche hofft Markus Lukas kurzfristig vor allem auf eine Entspannung der Preissituation. „Eine Entkoppelung von Gas- und Strompreisen ist dringend angebracht“, meint der Steirer. In Krisenzeiten wie jetzt ist es dem Obmann zufolge zusätzlich notwendig, dass die Politik mit jeder denkbaren Unterstützung einspringt. „Das darf aber nicht zum Selbstläufer werden. Für die Zukunft müssen wir daran arbeiten, dass wir selber ausreichend Strom haben und dürfen nicht nur auf Unterstützungsgelder hoffen.“ Bei Photovoltaik auf den Ställen und mit Biogas aus dem Mist der Tiere sei dabei schon viel geschehen. Um zu wissen, was insgesamt nötig wäre, hat die Branche gerade ihren Gesamtbedarf evaluiert. Bis 2027 will man bilanziell unabhängig sein. „Wenn die Rahmenbedingung, wie zum Beispiel der Netzzugang passen, werden wir die Autarkie auch schaffen.“
STEFAN NIMMERVOLL