Foto: BMNT/Robert Strasser

Sarah Wiener liest Agrarministern die Leviten

Beim EU-Agrarministertreffen auf Schloss Hof prangerte Sarah Wiener, Exil-Österreicherin in Berlin und Brandenburg, die konventionell produzierende Landwirtschaft und das EU-Agrarfördersystem an.

Vor Schloss Hof und weithin abgeschirmt durch die Polizei demonstierten Dutzende Aktivisten der Plattform „Wir haben es satt“, darunter Kleinbauern, Globalisierungskritiker und Umweltaktivisten von ÖBV-Via Campesina Austria und Grüne Bauern und Bäuerinnen, IG-Milch, FIAN Österreich, Global 2000 oder Greenpeace.

Nur eine von ihnen stand dagegen auf der Gästeliste von Ratstreffen-Gastgeberin Elisabeth Köstinger: die bekannte TV-Köchin Sarah Wiener. Üblicherweise erhebt Wiener ihre Stimme nämlich auf der Wir haben es satt-Demo in Berlin, wo alljährlich Zehntausende kritische Kleinbauern das Regierungsviertel lahm legen.

Die gebürtige Österreicherin, teilweise aufgewachsen auf einem Kleinbauernhof in der Steiermark mit Hausschlachtung und Brot aus dem eigenen Backofen, zog in ihrer Jugend als Wanderschäferin der alternativen, antikapitalistischen Longo-Mai-Kooperative durch Südfrankreich. 1990 gründete sie ein Catering-Unternehmen in Berlin, kochte mit einer Gulaschkanone aus DDR-Militärbestand für Filmcrews und eröffnete ab 1999 nach und nach mehrer Gastronomiebetriebe.

Enorme Bekanntheit brachten ihr Auftritte in Kochshows und eine eigene Kochsendung „Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener“. Mittlerweile ist Wiener auch Biolandwirtin auf dem 800 Hektar Gut Kerkow mit 200 Freilandschweinen in der Schorfheide nördlich von Berlin.

Dass sie es auf die Gastredner-Liste beim Agrarministertreffen geschafft hat, habe sie selbst überrascht, räumte Wiener im Gespräch mit BLICK INS LAND ein: „Ich habe mich erfreut gewundert.“

Und nutzte umso mehr diese Gelegenheit, um den Ministern ins Gewissen zu reden, „auch für viele Bauern, die sich die Mühe gemacht haben, um draußen zu demonstrieren und den Menschen auf der Straße und den Kleinbauern ein Gehör zu geben.“ „Ich bitte Sie alle, mir zuzuhören. Nicht als Politiker oder agrarische Interessenvertreter, die auf Lobbyisten hören, sondern als Vater, Mutter, Großvater, Großmutter“, begann Wiener ihr Impulsreferat.

Das Problem der Landwirtschaft sei, „dass wir nicht mehr unserer Ethik, Moral und unseren Wurzeln folgen. Wir haben uns in den letzten vierzig Jahren vom Ursprung unserer natürlichen Nahrung so weit entfernt wie in den letzten 1,5 Millionen Jahren nicht.“ Es sei „offensichtlich, dass wir unsere hoch verarbeiteten Industrieprodukte nicht mehr als Lebensmittel bezeichnen kann“, so Wiener weiter. Diese seinen oft „nur noch eine Kopie von guten herrlichen Produkten, aber so wenig wert, dass sie meist sogar im Müll landen. Konventionell produzierte Lebensmittel machen nicht mehr satt, sondern eine ganze Generation krank.“

Sie selbst vermisse in der vorherrschende Agrarpolitik „den menschlichen, aber auch ethischen, umweltakzentuierten und sozialen Aspekt. „Wir müssen erkennen, dass wir einen falschen Weg eingeschlagen haben und gegangen sind.“ Im Supermarkt koste „ein Hendl heute weniger als eine Kinokarte in Berlin-Mitte oder ein Ein-Stunden-Parkschein in Innenstädten.“ Es sei dringend an der Zeit abzubiegen „in eine neue Richtung für unsere Kinder, Kindeskinder und tierischen Geschöpfe, für das Klima und einen gesunden Boden.“

Die Agrarindustrie und der Handel haben „den Bauern die Würde genommen“. Auch mit falscher EU-Politik, konkret Flächensubventionen, würde die Vielfalt einer bäuerlichen Produktion zerstört, kritisiert Wiener. „Sie haben die moralische Aufgabe, die Vielfalt unserer Landwirtschaft zu schützen“, appellierte Wiener an die Minister. „Wir können in Zunft nur Hand in Hand mit der Natur gehen. Und das ökologisch, sonst werden wir bald keine Natur mehr haben.“

Ratpräsidentin Elisabeth Köstinger dankte Sarah Wiener „für das Aufrütteln und die konkreten Aspekte“.

BERNHARD WEBER