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RWA-Chef warnt vor „falschen Nationalismen“ im Agrarhandel

Online-Agrarhandel, Landwirtschaft im Donauraum, mehr Regionalität bei Rohstoffen und fairer Handel mit Bauern per Verordnung: Wie „Mister Lagerhaus“ REINHARD WOLF im Gespräch mit BLICK INS LAND darüber denkt.

BLICK INS LAND: Die RWA hat im Spätherbst den neuen Lagerhaus- Onlineshops und das neuen Landwirte-Onlineportal „Onfarming“ präsentiert? Gibt es schon konkrete User- oder sogar Umsatzzahlen?

Wolf: Mit dem neuen digitalen Lagerhaus-Auftritt haben wir nicht nur ein einzelnes neues Portal geschaffen, sondern bieten eigentlich 40 Portale für jedes einzelne Lagerhaus. Derzeit sind wir dabei noch mehr regionalen Content zu liefern. Bei Onfarming sind wir mit dem bisherigen Zuspruch von rund eintausend Usern sehr zufrieden, auch weil wir das alles ja noch gar nicht groß beworben haben. Und zur Bewertung: Unser Ziel ist es mit unseren Kunden verstärkt zu kommunizieren, sei es via Internet oder direkt in den Filialen. Am Ende zählt das Gesamtgeschäftsvolumen.

BLICK INS LAND: Als größte Hemmschwelle für Onfarming gilt die „Auslagerung“ von Betriebsdaten in eine Lagerhaus-Cloud und damit die Datensicherheit. Wie begegnet die RWA solchen Skeptikern?

Wolf: Bekannte Fälle von Online-Datenmissbrauch lassen die Menschen natürlich vorsichtiger werden. Aber es gibt ja die neue, strenge Datenschutzrichtlinie. Für uns hat der Datenschutz höchste Priorität, hier gibt es null Toleranz. Wer auch immer uns Daten anvertraut kann sich sicher sein, dass damit verantwortungsbewusst umgegangen wird.

BLICK INS LAND: In vielen Dörfern und Tälern dauert der Aufbau einer einfachen Webseite nach wie vor mehrere Minuten. Stichwort: langsames Internet. Bräuchte nicht auch der Online-Handel mehr Tempo am Datenhighway, also Breitbandausbau statt 140 km/h auf der Autobahn?

Wolf: Natürlich, vor allem wenn man das Internet auch beruflich nutzen will. Der Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruktur auch am Land ist eine Frage des Wettbewerbsvorteilsund bestimmt auch die künftige Attraktivität ländlicher Regionen.

BLICK INS LAND: Vorerst wird Ihr Online-Auftritt also den wöchentlichen Lagerhaus- Postwurf nicht ersetzen?

Wolf: Ich denke, wir werden beides noch relativ lange haben. Zentral ist, dass wir gerade für jüngere Landwirte fundierte Online-Infos bereitstellen.

BLICK INS LAND: Gerade der Agrarhandel hat auch enormes Interesse am Ausbau der Transportschifffahrt. Also statt 140 km/h mindestens 1,40 Meter tiefere Wasserstraßen entlang der Donau?

Ich bin seit meinem Einstieg ins Berufsleben vor 35 Jahren ein fanatischer Anhänger der Donauschifffahrt, weil wir viel mehr Transporte statt auf der Straße über das Wasser abwickeln könnten. Außerdem ist die Donau eine wichtige Achse in Europa. Alle großen Wirtschafts- und Industriezentren sind an Flüssen entstanden. Und die Donau ist auch eine enorme Chance für die Landwirtschaft von Österreich bis Rumänien. Leider hat die öffentliche Hand trotz vieler Worte, Kommissionen und Symposien beim strategischen Ausbau der Donau in den vergangenen 30 Jahren versagt. Untiefen gehören ausgebaggert und wir brauchen eine Lager- und Verladeinfrastruktur. Das würde auch unseren Agrarmarkt international besser anbinden und wäre wirklich nachhaltig. Nachdem die Donau wegen der Trockenheit im Vorjahr nur sehr eingeschränkt schiffbar war, bin ich aber skeptisch. Viele suchen nun wegen dieses Risikos andere Transportwege. Das ist sehr schade.

BLICK INS LAND: Ministerin Köstinger und die Landwirtschaftskammer propagieren nun eine nationale Herkunftskennzeichnung von Rohstoffen auch in der Lebensmittelverarbeitung. Das müsste Sie doch freuen. Mit wie viel Mehr-Absatz etwa von Getreide rechnet die RWA, wenn große Abnehmer der Lebensmittelindustrie bald vermehrt auf rotweiß- rote Agrarrohstoffe achten?

Wolf: Wir haben schon heute sehr loyale Partner und Aufkäufer und damit einen guten Absatz. Ob wir mit einer Kennzeichnung künftig viel mehr Getreide verkaufen werden, muss man erst sehen. Diese kann aber sehr wohl ein Mittel sein, die Konsumenten noch mehr auf die Regionalität und Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe einzuschwören. Allerdings darf daraus kein neues Bürokratiemonster erwachsen. Die RWA bietet Transparenz und Rückverfolgbarkeit bei Getreide oder Raps schon länger an, was von verantwortungsbewussten Verarbeitern auch genutzt wird.

BLICK INS LAND: Hemmnisse befürchten Sie als großer Agrarhändler keine, wenn etwa ein Strudelprozent künftig angeben muss, dass der Mohn aus Polen und nicht aus dem Waldviertelstammt?

Wolf: Dann wird es möglicherweise der Fall sein, dass die Mohnproduktion in Österreich nicht ausreicht und soll auch so ausgewiesen werden.

BLICK INS LAND: Vorstöße in diese Richtung gab es ja immer wieder, mit Widerstand stets aus der Wirtschaftskammer. Welche Argumentation liegt Ihnen näher: die der LKÖ oder der WKÖ?

Wolf: Ich möchte mich da nicht in Kammerkategorien einordnen lassen. Ich halte sehr viel von Nachhaltigkeit und Regionalität und bin für einen möglichst ortsnahen Bezug von Rohstoffen für die Verarbeitung, auch mit etwas Druck. Wir dürfen das Ganze aber nicht in falsche Nationalismen drehen. Wir können nicht einen freien Warenhandel in Europa propagieren und uns freuen, wenn andere unsere Produkte kaufen, gleichzeitig aber einen neuen Nationalismus beschwören. Wir exportieren auch viele Lebensmittel und dann kann es passieren, dass andere zurückschlagen.

BLICK INS LAND: Apropos Regionalität: Ein Landwirt hat jüngst seinem nächsten Lagerhaus bestes Premiumweizen- Saatgut offeriert. Angeboten wurden ihm dafür um 50 Cent weniger als der Preis für Futtergerste. Läuft da im Agrarhandel trotz vielfach treuherziger Beschwörung der Regionalität nicht einiges falsch?

Wolf: Sie wissen doch: Äpfel und Birnen kann man nicht vergleichen. Dass Saatgut einen anderen Markt hat als Futtergetreide wissen wir beide. Daher läuft hier auch nichts schief. Es gibt Märkte mit lebhafter Konkurrenz und ich glaube nicht, dass sich gerade bei den Getreide-Margen jemand eine krumme Nase verdient, weder die Züchter noch die Aufarbeiter und Vermehrer oder der Handel…

BLICK INS LAND: Also doch besser die internationale Kundensuche über die App „FarmHedge“?

Wolf: Absolut nicht. Diese dient dazu Landwirte auf regionaler Ebene rascher über aktuelle Angebote zu informieren und die Kommunikation zu beschleunigen.

BLICK INS LAND: Die Regierung hat der Saatgutbranche, insgesamt 25 Unternehmen künftig 1 Million Euro jährlich zur Erforschung klimafitter Ackerkulturen versprochen. Wieviel Geld erhält die RWA für Die Saat und EHO-Saatzucht?

Wolf: Das kann ich nicht beziffern, aber es dürfte überschaubar sein. Die Saatzucht hat in den vergangenen Jahren jedenfalls zu einem enormen Produktivitätsfortschritt beigetragen. Und wenn wir angesichts des Klimawandels weiterhin immer mehr Menschen versorgen müssen und das nicht den großen ausländischen Konzernen überlassen wollen, braucht es Forschung auch für unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft. Vor diesem Hintergrund zählt es für mich zu unserem genossenschaftlichen Auftrag, dass wir im Vorjahr die Saatzucht Edelhofübernommen haben. Große Player haben deren Kulturarten gar nicht mehr am Radar, wobei aber gerade diese Kulturarten für die Biodiversität und unsere nachhaltige Landwirtschaft wichtiger sind denn je

BLICK INS LAND: Ist damit auch die Forderung der Nachbaulizenzen vom Tisch?

Wolf: Das kann man damit nicht in Verbindung bringen. Grundsätzlich steht dem Züchter eine Gebühr für die Nutzung seines geistigen Eigentums zu, so wie das auch bei Software oder in der Musikbranche – Stichwort AKM-Gebühr – etabliert ist und außer Frage steht.

BLICK INS LAND: Verstöße im fairen Umgang des Handels mit bäuerlichen Lieferanten sollen künftig geahndet werden. Das Lagerhaus kooperiert regional mit Spar. Die Kette hat zuletzt mit falsch deklariertem Hühnerfleisch aus Deutschland zu Aktionspreisen für Unmut unter Bauern gesorgt. Greifen Sie in so einem Fall zum Telefon, um Spar-Chef Drexel die Leviten zu lesen?

Wolf: Für die Lagerhäuser hat der faire Umgang immer schon gegolten. Für andere Handelsketten kann ich nicht sprechen. Für uns hätte es eine solche Verordnung nicht gebraucht. Im Interesse der Bauern haben wir einige Dinge in die Verordnung hinein reklamiert, die diesen als Hersteller das Leben erschwert hätte. Bei der Zusammenarbeit mit Spar handelt es sich um eine örtliche Kooperation im Waldviertel, die Lagerhäuser arbeiten aber auch mit anderen Nahversorgern zusammen.

BLICK INS LAND: Mit der Klima- und Energiestrategie der Regierung soll Heizöl zurückdrängt werden. Die RWA-Tochter Genol macht nach wie vor gute Geschäfte damit. Wie lange noch? Und kann Genol das gebremste Ölgeschäft mit Pellets voll kompensieren?

Wolf: Wir wurden für den Verkauf von Heizöl stets viel gescholten. Aber womit jemand heizt, entscheiden ja nicht wir als Brennstofflieferant, sondern die Hausbesitzer. Als Versorger des ländlichen Raums liefern wir Öl ebenso wie Pellets. Seit 2002 haben wir in Österreich ein flächendeckendes Pellets-Versorgungsnetz aufgebaut und damit hierzulande wesentlich zu einer weltweit einzigartigen Durchdringung beigetragen, auf die wir stolz sind. In Zukunft werden wir uns noch viel stärker mit regenerativen Energien, allen voran der Photovoltaik, beschäftigen. Allein damit werden wir in der RWA bis zum Sommer 4,5 MW Energie erzeugen.

BLICK INS LAND: Der Exklusivvertrag von John Deere und dem Lagerhaus TC muss ja alle fünf Jahre erneuert werden, so auch im April. Wird er das?

Wolf: Ich habe keinen Zweifel daran, dass unsere mehr als 25jährige, bewährte Zusammenarbeit mit John Deere weiter fortgesetzt wird. Wir sind in der Landtechnik auf einem guten Weg. John Deere liefert uns gute Produkte, wir selbst haben Standortanpassungen durchgeführt und neue Kompetenzzentren errichtet, wo die Landwirte bestens betreut werden. Auch unser Mietmaschinenangebot „Rentflex“ wird gut angenommen. Wir haben unsere Geschäftsziele erreicht und stocken den Maschinenpark mittlerweile weiter auf nicht nur mit Traktoren.

BLICK INS LAND: Glauben Sie, dass in Österreich in fünf Jahren noch GVO-Soja aus Übersee ins Tierfutter gemischt werden darf?

Wolf: Wir liefern, was die Landwirte und der Markt bei uns anfordern. Aber die vergangenen Jahre haben gezeigt, was bei gentechnikfreiem Eiweißfutter alles geht. Das ist längst keine Nische mehr, gerade im Donauraum. Ob wir in fünf Jahren 100 Prozent GVO-freies Futter haben, kann aber auch ich nicht beantworten. Am Ende entscheiden die Konsumenten und Landwirte, was in den Futtertrog kommt.

Interview: BERNHARD WEBER

Zur Person DI Reinhard Wolf (59) ist seit März 2013 Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der RWA Raiffeisen Ware Austria AG.