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ORF Nachlese: Pressestunde mit Hermann Schultes

Als einziger namhafter Bauernvertreter formulierte der Präsident der LK Österreich, Hermann Schultes, bei einem Auftritt in der ORF-Pressestunde am Sonntag einige konkrete Forderungen an die neue türkis-blaue Bundesregierung. Nachfolgend die interessantesten Passagen aus dem Interview.

Allen voran forderte Schultes für die LK Österreich „einen stärkeren Rechtsstatus auf Bundesebene“. Weiters sprach sich Schultes gegen eine Deckelung der Agrarförderungen aus. Der Frage, wer das Agraressort künftig führen soll, wich Österreichs oberster Bauernvertreter aus. Dafür geißelte er den Chef der Handelskette Spar für dessen Vorpreschen gegen Glyphosat.

In einigen Bereichen habe die LK Österreich, obwohl einer der vier Sozialpartner in Österreich, „nur die Kompetenz eines Vereins“. Österreichs oberste Standesvertretung der Landwirtschaft könne daher etwa „in kartellrechtlichen Fragen sehr schnell an Grenzen stoßen“, etwa bei Preisempfehlungen rund um die Produktion, erklärte Schultes.

Als Präsident der LK Niederösterreich habe er „den gesetzlichen Auftrag, mich um die Genossenschaften zu kümmern, mich um die Preise zu kümmern, mich um die Marktverhältnisse zu kümmern. Die damit verbundene Frage nach Erzeugerpreisen sei indes auf Bundesebene aber kartellrechtlich bedenklich. „Ein gewisser Rechtsstatus auf Bundesebene wäre für unsere Arbeit eine Verbesserung und in Bezug auf Brüssel dringend notwendig“, betonte Schultes, seit 2014 auf vier Jahre gewählter Präsident der LK Österreich und bis vor kurzem Abgeordneter zum Nationalrat.

Die von der neuen Regierung bei den Koalitionsverhandlungen bereits beschlossene Flexibilisierung einer künftig Zwölf-Stunden-Arbeitstag-Regelung verteidigte Schultes, „weil es ja gescheit ist“, kritisierte aber die Vorgehensweise über die Köpfe der Sozialpartner hinweg, welche diese Neuregelung zwar besprochen, aber nicht formal der Regierung vorgelegt haben. Eine Benachteiligung von Nebenerwerbslandwirten sieht Schultes darin nicht: Wenn ein Nebenerwerbsbauer die Zeit, die er im Betrieb mehr arbeiten müsste, so blocken könne, „dass er zur richtigen Zeit auch ein Zeitfenster für sich selber hat, wäre das gut. Auch viele Frauen sehen das so.“ Schultes: „Ich glaube, dass gute Arbeitnehmer in jeden Betrieb diese Freiheiten eher haben, als Arbeitnehmer, die man halt irgendwie auch beschäftigt. Und da bin ich sicher.“

Auch sei sichergestellt, dass die Rahmenarbeitszeit weiterhin so ist, dass sie sozialverträglich und gesundheitsverträglich ist. Schultes: „Es wird wechselseitig Zeiten geben, wo der Unternehmer sagt, jetzt brauche ich euch, und es wird Zeiten geben, wo der Arbeitnehmer sagt, jetzt muss ich heim, ich arbeite es eh wieder ein.“

Zum Aufreger-Thema Glyphosat meinte Schultes, früher habe „auch Österreich Pflanzenschutzmittel gehabt, wo zwar ein Wirkstoff drin war, aber die Hersteller alles, was am Acker nicht geschadet hat, auch mit hinein geleert haben. Und wir haben das de facto für die entsorgt. Ich weiß seither, dass man den Herrschaften nicht trauen darf.“ Deswegen sei er „froh, dass wir heute in Österreich einen Status haben, der Rückstandsfrei ist. Da verlasse ich mich nicht auf Firmenleute, sondern nur auf die Wissenschaftler, die Österreich dafür hat.“

Warum aber nun große Molkereien wie Berglandmilch oder Kärntner Milch keine Milch mehr von Betrieben akzeptieren, die Glyphosat verwenden? Oder die Handelskette Spar Glyphosat-Produkte aus allen Eigenproduktionen verbannt? Schultes: „Weil das die Marketing-Methode des Herrn Drexel (Vorstandsvorsitzender von Spar Österreich, Anm.) ist. Der treibt alle Jahre um diese Jahreszeit ein Thema durch das Dorf, mit großem Theater, und ändern tut sich gar nichts. Der Herr Drexel hat noch nie den kleinen Bauern geschützt.“

Vor einem Jahr, so Schultes weiter, „haben wir das Problem der Drahtwürmer im Kartoffel rundum das Mittel Mocab 15G diskutiert. Damals hat Drexel gesagt, seine Lieferanten dürfen es nicht verwenden. Nur, wenn er (Frühkartoffeln) in Israel oder in Zypern kauft, ist es ihm völlig wurscht.“

Der Frage, warum Österreich dann in Brüssel bei der Wiederzulassung von Glyphosat dagegen gestimmt habe, wich Schultes aus: „Wir wenden es nicht an auf Pflanzen, die geerntet werden“. Das sei anderswo in der EU üblich. „Wir wollen es nur für ökologisch notwendigen Maßnahmen verwenden können, nach Winterbegrünung, um im Frühjahr das Feld mit Glyphosat für die Saat von Mais oder Zuckerrücken vorbereiten zu können. Das ist wichtig, damit die Erde nicht abgeschwemmt wird.“

Und zur geplanten Anzeige des Landes Kärnten gegen Monsanto: „Ehrlich? Die Firma Monsanto wird ein bisschen fröhlich schmunzeln und sagen: Die Bescheide, dass Glyphosat eingesetzt werden kann sind von der AGES, von österreichischen Instituten, die das bestätigt haben. Wenn die Kärntner wen klagen wollen, dann müssen sie zuerst den richtigen Postkasten finden. In einem Rechtsstaat sollte man sich überlegen, ob man aus hygienischen Überlegungen wirklich alles tut, was gerade lustig ist.

Sichtlich verärgert reagierte Schultes auf die Frage nach Inseraten von Spritzmittelherstellern an die Landwirtschaftskammern, die der frühere Agrarsprecher der Grünen, Wolfgang Pirklhuber, einmal mit 400.000 Euro jährlich beziffert hatte – als Beispiel für eine schiefe Optik der Kammerfinanzierung. Schultes empört: „Also, ich bitte Sie! Das Budget einer Landwirtschaftskammer ist ungefähr hundertmal so groß. Wer glaubt, dass diese wegen solcher Inserate Meinungen bringt, der kennt ihre Aufgabe nicht.“.

Ihm selbst sei es – in den 1980er Jahren als früherer Distelvereins-Obmann – gelungen, die Düngeberatung, die damals noch von den Düngemittelfirmen finanziert wurde, umzustellen:  „Heute gibt es die unabhängige Beratung der Landwirtschaftskammer – selbstfinanziert – das kostet ein Geld. Und dasselbe im Bereich Pflanzenschutz, wo unsere Mitarbeiter von uns selbst selbstverständlich finanziert werden, weil da soll kein Geruch herauskommen.

Dem Vorwurf, Schultes und die Landwirtschaftskammer würden die Wirkung von Pestiziden insgesamt zu positiv darstellen und die Landwirte als Anwender vor dem hoch toxischen Mocab 15G nicht ausreichend warnen, konterte Schultes wie folgt: Also ich sage Ihnen was, Gift ist alles.“ Auch der Genuss von zu viel köstlichem Honig könne schaden. „Es ist immer, was wir vertragen. Landwirte müssen, wenn sie das Ausbringen wollen, vorher eine Schulung machen. Und giftig ist es dann, wenn einer es falsch verwendet.“

Zu den möglichen Folgen des Brexit meint Schultes, ein größerer Schaden als der Wegfall von 10 Milliarden Euro im EU-Budget sei der Verlust von 27 Millionen Konsumenten aus dem gemeinsamen Markt: „Da wird es zu groben Störungen kommen und kostet uns wesentlich mehr als das, was wir beim Budget verlieren können.“ Wenn der Brexit schiefläuft, werde die Bauernvertretung alles tun, dass die Handelsabkommen Mercosur (mit Südamerika) oder CETA nie in Kraft treten, „obwohl es im Prinzip vernünftig wäre“, warnte Schultes vor allem vor steigenden Rindfleischeinfuhren aus Irland und Importen aus Argentinien auf Kosten der heimischen Bergbauernhöfe mit Rinderzucht.

Betont ablehnend äußerte sich Schultes auch gegenüber einer langjährigen Forderung der FPÖ, die Agrarförderungen pro Betrieb zu deckeln: „Wenn wir bei uns ab 30 Hektar oder 50 Hektar deckeln, schießen wir die letzten Vollerwerbsbetriebe auch noch raus. Wir müssen den Kleinen helfen, die bekommen heute schon ein Drittel mehr pro Hektar als Betriebe über 50 Hektar. Die müssen bleiben.“

Keine Antwort entlocken ließ sich Schultes über die Besetzung des künftigen Agrarressorts. Wer wäre denn sein Lieblings-Landwirtschaftsminister der nächsten Koalition? Wieder Andrä Rupprechter, oder Elisabeth Köstinger oder Klaudia Tanner, deren Namen ebenfalls kolportiert werden? Schultes leicht genervt: „Wie viele Namen wissen Sie noch?“ Ihm sei viel wichtiger,  „dass jeder Österreicher pro Tag mehr als 70 Cent für seinen Bauern übrig hat. Mehr bekommen wir momentan nämlich nicht.“

BERNHARD WEBER