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Moosbrugger: „Bin offen für höhere Standards “

Der Präsident der LK Österreich, Josef Moosbrugger, im Gespräch mit BLICK INS LAND über Direktzahlungen und deren künftige Verteilung, Österreichs Budgetkurs gegenüber Brüssel, Verbote von Pestiziden und warum für Wölfe in der Alpenrepublik kein Platz sei.

BLICK INS LAND: Beim informellen Agrarministerrat in Schloss Hof hat die TV-Köchin und Biobäuerin Sarah Wiener als eingeladene kritische Stimme heftig das EU-Agrarsystem bekrittelt. Wie haben Ihnen Wieners Aussagen gefallen?

Moosbrugger: Meinungsvielfalt muss man zulassen. Ich gehe aber davon aus dass Sarah Wiener bei diesem Ratstreffen mitbekommen hat, wie komplex und kompliziert das EU-Agrarsystem ist.

Sie haben selbst gleich zum Amtsantritt im Mai mehr Geld für Umweltleistungen und zudem die Abschaffung der Direktzahlungen gefordert. „Für das, was in der EU Standard ist“ müsse man kein Geld verteilen, schon gar nicht nach Fläche, so ihre Worte. Wie viel Unterstützung haben Sie dafür aus den eigenen Reihen erhalten?

Moosbrugger: Wenn man alles zitiert, was ich gesagt habe, finde ich damit eine hohe Zustimmung, weil ich mir wünsche, dass die Bauern mehr Geld für ihre Produkte gemäß deren Wert bekommen sollen, und dass mit öffentlichen Gelder nicht einfach nur möglichst billige Lebensmittel erzeugt werden.

Der frühere EU-Agrarkommissar Fischler hält 60.000 Euro Fördergeldobergrenze, für Betriebe mit Beschäftigten 100.000 Euro, für zu hoch, die Gelder sollten ab 100 Hektar reduziert werden. Wie hoch sollte die Deckelung der Direktförderungen letztlich ausfallen?

Moosbrugger: Ich zweifle ohnehin daran, ob das „Capping“-Modell europaweit eine Mehrheit findet. Es sollten die ersten Hektar deutlich besser unterstützt werden und darauf aufbauend ein für alle akzeptables Degressionsmodell gemäß der Logik, dass mehr Hektar auch günstiger bewirtschaftet werden können, entwickelt werden. Das Ergebnis könnte ein analoges sein.

Die SPÖ will die Direktzahlungen mit 25.000 Euro pro Jahr begrenzen. Das würde für 97 Prozent der heimischen Bauern keine Kürzung bedeuten. Von künftig 100 Euro mehr pro Hektar bis 20 Hektar würden mehr als die Hälfte der Landwirte profitieren, nur etwa 3000 Betriebe mit mehr als 100 Hektar würden weniger bekommen als bisher. Zudem würden im nächste EU-Budget 90 Milliarden Euro „für Zukunftsinvestitionen“ frei. Das klingt doch voll nach Unterstützung bäuerlicher Familienbetriebe …

Moosbrugger: Wer diesen Vorschlag im Detail nachrechnet, kommt darauf, dass sich das bei weitem nicht ausgeht. Wir wollen kein Modell, das an Sozialsysteme gebunden ist, sondern wie schon bisher grundsätzlich an Leistungsorientierung. Daher bleibt die bewirtschaftete Fläche wie bisher eine Grundlage für die Abgeltung. Der bäuerliche Familienbetrieb im Vollerwerb steht aber auch für mich im Fokus. Und dieser ist deutlich größer als 20 Hektar. Dass die Zahlungen für Großbetriebe künftig einer Degression unterliegen, ist zu argumentieren.

Und das ist nicht nur im Osten Europas, sondern auch im Osten Österreichs mehrheitsfähig? Oder spricht hier der Grünlandbauer aus Westösterreich?

Moosbrugger:  Ich glaube schon, dass das mehrheitsfähig ist. Dass es einzelbetrieblich unterschiedliche Sichtweisen gibt ist Faktum. Die Deckelung mit 60.000 Euro betrifft in Österreich 280 Betriebe. Aber die Forderung der SPÖ, künftig auch die Hälfte der Fördergelder für die Ländliche Entwicklung aus der Landwirtschaft abzuziehen, richtet sich von selbst.

Sie haben gemeinsam mit Bauernbundpräsident Georg Strasser EU-Agrarkommissar Phil Hogan aufgefordert, die EU solle eine ausreichende Finanzierung der GAP sicherstellen. Hier droht ja eine Budgetkürzung von bis zu 15 Prozent. Nun wollen aber Österreichs Bundeskanzler Kurz und Europaminister Blümel künftig trotzt Brexit nicht mehr Geld nach Brüssel überweisen. Aber irgendwo her muss das EU-Budget ja kommen. Verstehen Sie diesen Kurs?

Moosbrugger: Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass man damit in die Verhandlungen geht. Ich gehe aber davon aus, dass Kurz und Blümel am Ende des Tages die Leistungen unserer Landwirte bewusst sind und dass diese auch künftig zu bezahlen sind, sonst wird es sie nicht mehr geben. Wir erwarten also von der Bundesregierung ein dementsprechendes Bekenntnis dazu, um mit den Mitteln aus der EU und vom Bund wie bisher die Leistungen der Bauern abgelten zu können.

Oberösterreichs LK-Chef Franz Reisecker forderte die Regierung sogar zum Kurswechsel auf. Hat er Ihre volle Rückendeckung? Oder muss er auch Sie erst überzeugen?

Moosbrugger: Wir Agrarpolitiker auf Landes- und Bundesebene sind uns einig, die EU-Agrargelder im bisherigen Ausmaß zu erhalten. Dafür hat auch Österreich seinen Beitrag zu leisten.

Immerhin hat Ministerin Köstinger bereits zu Jahresbeginn erklärt, allfällige Kürzungen der Bauerngelder würden ohnehin vom Finanzminister ausgeglichen. Das müsste Sie doch beruhigen, oder nicht?

Moosbrugger: Das Finanzvolumen im kofinanzierten Agrarbereich wird ausschlaggebend dafür sein, welche Leistungen der Bauern es künftig geben wird.

Was wird schwieriger: die EU-Gelder sicherzustellen oder die nationale Mittel?

Moosbrugger: Beides ist nicht von vorneherein Gottgegeben und es wird die Anstrengungen aller brauchen, um es zu bewerkstelligen.

Themenwechsel: Trotz erlaubter Pilletierung mit Neonicotinoiden haben Rüsselkäfer heuer Tausende Hektar Zuckerrüben vernichtet. Braucht Österreich trotzdem wieder Notfallzulassungen von Neonics im Rübenanbau?

Moosbrugger: Ohne geeignete Pflanzenschutzmittel wird es künftig keine heimische, auch keine europäische Zuckerproduktion geben. Und die Rübenbeize ist die umweltfreundlichste Methode der chemischen Bekämpfung. Nachdem sich mehrere EU-Staaten für eine Notfallzulassung einiger Präparate entschieden haben, bin ich der Meinung, das eine solche fachlich gerechtfertigt und auch rechtlich möglich ist. Daher sollte auch Österreich und respektive jene Bundesländer, die das wollen, das erlauben können.

In Ihrer Heimat Vorarlberg wird gerade ein generelles Verbot von Glyphosat geprüft. Ist das auch in Ihrem Sinn? Als Milchbauer wurde es Ihnen ja von der Molkerei verboten …

Moosbrugger: Die derzeitige Vorgangsweise gegenüber Pflanzenschutzmittel nimmt derzeit eine unvertretbare Entwicklung. Wir sind im verbieten von diesen Mitteln derzeit schneller als mit dem Anbieten von Alternativen für die Bauern. Das bringt die Agrarproduktion nicht nur in Österreich in Gefahr. Daher sind reine Verbote, etwa auch von Milchverarbeitern oder Bundesländern, der falsche Ansatz. Ich halte den Ansatz „was mich am wenigsten betrifft oder schmerzt, kann ich leicht verbieten“ für problematisch.

Kanzler Kurz will ein baldiges Glyphosat-Verbot, auch gegen EU-Linie. Hat er Ihre Unterstützung?

Moosbrugger: Dazu sollte man sich die resultierenden Szenarien genau anschauen. Es braucht europäische Regelungen, keine Alleingänge, sonst herrscht nur Wirrwarr. Ich habe aber schon Verständnis und bin dafür auch zu haben, über höhere nationale Standards als in der EU nachzudenken. Das haben wir ja auch in anderen Bereichen schon öfters gemacht Allerdings müssen dann auch importierte Produkte diese Standards erfüllen. Alles andere ist pure Wettbewerbsverzerrung.

Auch die Wirtschaftskammer Österreichs kritisierten zuletzt mehrfach, die Sozialpartner würden von der türkis-blauen Regierung nicht mehr eingebunden. Sie dagegen behaupten, sie fänden gutes Gehör. Nennen Sie uns ein Beispiel dafür?

Moosbrugger: Die Sozialversicherungsreform etwa halte ich für eine vernünftige Grundlage.

Die wenigsten Österreicher wissen, dass auch die LK Österreich ins Sozialpartner-Quartett gehört. Bei Sozialpartner-Gesprächen kommt die Landwirtschaftskammer kaum vor, nicht einmal auf Bildern. Schon Ihre Vorgänger kannte kaum ein Nicht-Landwirt. Wollen Sie das ändern?

Moosbrugger: Vielen ist wohl unsere Bedeutung kaum bewusst, dabei genießt die Landwirtschaft in der Bevölkerung einen durchaus hohen Stellenwert. Wichtig scheint mir daher auch nicht, ob man auf Bildern oder in Pressetexten vorkommt, sondern die Eingebundenheit in die Sozialpartnerschaft für gute Beiträge.

Nach den massiven Dürreschäden hat die Regierung ein 60 Millionen Euro-Paket geschnürt. Ein Drittel davon soll Grünlandbauern helfen, ihre Tierbestände mit Futterzukäufen über den Winter zu bringen. Braucht es angesichts des Klimawandels nicht bald auch Tierbestandsgrenzen wie für Stallmist auch für Futterflächen? Oder bleiben volle Ställe in guten Jahren eine unternehmerische Entscheidung jedes Tierhalters?

Moosbrugger: Ich glaube nicht dass wir eine solche GVE-Grenze über bestehende Regeln hinaus brauchen. Wichtiger sind Überlegungen, wie wir generell auf künftige Trockenheitsausfälle reagieren sollen. Die Landwirtschaft ist ja nicht Verursacher, sondern Hauptbetroffener des Klimawandels. Und da braucht es langfristige Maßnahmen statt jährlicher Soforthilfen, also Ausbau von Agrarversicherungen und trockenheitsresistente Alternativen im Pflanzenbau. Das erfordert aber auch eine Offenheit gegenüber neuen Züchtungsmethoden, die nicht pauschal als vermeintlich gentechnisch gefährlich abgelehnt werden dürfen.

Die Rinderhaltung gilt weltweit als Mitverursacher der Klimaproblematik. Österreich hat aufgrund seiner Topgrafie weit mehr Kühe und damit Milchproduktion als benötigt. Muss sich das nicht bald ändern?

Moosbrugger: Gegenüber anderen Bereichen hat unsere Landwirtschaft ihre CO2-Bilanz zuletzt verbessert. Statt aber etwa über den Verkehr oder fossile Energien zu diskutierten kritisiert man dagegen immer rasch die Bauern. Ganz nüchtern festgehalten werden muss: Ohne generelle Investitionen in den Klimaschutz wird man keine spürbaren Verbesserungen erzielen und merken.

Sie sind Rinderhalter und Milchbauer. Der Bauernbund wettert gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Südamerika, vor allem aus Angst vor Rindfleisch aus Übersee. Gleichzeitig will Österreich verstärkt Milch, Käse und Schweinefleisch nach Asien, allen voran nach China, exportieren. Wie passt das zusammen?

Moosbrugger: Weil das auf völlig unterschiedlichen Ebenen passiert. Ich habe kein Problem mit Importen, wenn diese unseren EU-Standards entsprechen. Aber es gibt im Mercosur völlig wettbewerbsverzerrende, auch nur selten GVO-freie Produktionsbedingungen, die in Europa nicht erlaubt sind, gar nicht zu Reden von der Größe der Betriebe dort. Unsere Käse dagegen sind bestqualitativ für ausgewählte Märkte, wo nicht der billigste Preis ausschlaggebend ist. Unsere Produkte schaden niemandem, sondern sind ein hochwertiges Marktsegment.

Apropos GVO-frei: Wird es unter Ihnen als LK-Präsident zur völlig GVO-freien Produktion in Österreich kommen, also kein Gensoja mehr im Schweinetrog?

Moosbrugger: Noch gibt das der Markt nicht her. Aber das hat uns wohl zu beschäftigen.

Kein Interview ohne einer Frage nach dem Wolf. Wer gefährdet Österreichs Almwirtschaft mehr? Der Wolf? Oder die Molkereien, die nun auch im Sommer auf volle Anlieferung pochen, weshalb Almen nur mehr mit wenigen Tiere bestoßen werden?

Moosbrugger: Der Wolf ist für unsere Schafalmen eine große Gefahr und hat aus meiner Sicht bei uns keinen Platz. Mit bis zu 30.000 Wölfen in Europa braucht es auch keinen Artenschutz. Herdenschutz vor ihm ist unpraktikabel, daher brauchen wir ein klares Bekenntnis zu wolfsfreien Zonen. Und die Frage der Alpung von Kühen hängt generell vom vernünftigen Milcherlös ab. Also ist aus meiner Sicht der Wolf die größere Gefahr.

Vor drei Jahren wurden der Mehrwertsteuersatz für viele Agrarerzeugnisse auf 13 Prozent angehoben, wie auch für Gästeübernachtungen. Dem geplagten Tourismus zuliebe wurde die Steuer nun aus Wettbewerbsgründen wieder auf 10 Prozent verringert. Nicht wenige Landwirte sind darüber verärgert. Sie auch?

Moosbrugger: Wir werden rechtzeitig vor der nächsten Steuerreform diskutieren, welche Punkte für die Wettbewerbsfährigkeit der Landwirtschaft etwa im Gartenbau nötig sind. Da gibt es einigen Anpassungsbedarf.
Interview: BERNHARD WEBER

Zur Person: Josef Moosbrugger, 52, ist verheiratet, dreifacher Familienvater und Milchbauer in Dornbirn. Seit Mai 2018 Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, davor seit 1999 Präsident der LK Vorarlberg. Von dort pendelt er mit dem Nachtzug oder dem Flugzeug nach Wien.