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Melkroboter: Teufelszeug oder Wundermaschine?

Noch rund um die Jahrtausendwende wurden Melkroboter wie UFOs bestaunt. Mittlerweile gehören automatische Melksysteme zum vertrauten Anblick auch in heimischen Kuhställen. Völlig verschwunden ist das Misstrauen gegenüber dem Robotermelken aber noch nicht.

Ungefähr 800 Melkroboter in Österreich gibt es bereits, so die Schätzung von Branchenkennern. Damit haben knapp 2,9 Prozent aller rund 28.000 Milchbauern, also etwa gerade einmal jeder 30. Betrieb, ein automatisches Melksystem installiert. Geht man allerdings davon aus, dass es vor allem größere Kuhbestände sind, die vom Roboter gemolken werden, so kommt bereits ein erklecklicher Milchanteil zusammen, der täglich auch ohne Anwesenheit der Kuhbesitzer ermolken werden. Marco Horn, Milchwirtschaftsreferent der LK Niederösterreich: „Als Faustzahl für den betriebswirtschaftlich sinnvollen Einsatz eines Melk­roboters gilt eine Milchmenge ab 500.000 Kilogramm.“ Daher stünden die meisten Melkroboter auch in Ober- und Niederösterreich, schon alleine bedingt durch die Betriebsgrößen in den Voralpen, im Innviertel und im Alpenvorland. Laut einer aktuellen Umfrage aus 2017 unter insgesamt 6.634 Betrieben in Ober- und Niederösterreich haben 5,4 Prozent der Betriebsführer angegeben, dass sie bereits mit einem automatischen Melksystem arbeiten. Weitere 4,7 Prozent der Befragten planen zudem eine Investition in einen Melkroboter. Damit dürfte sich die Zahl der AMS-Anlagen in den beiden Bundesländern schon bald knapp verdoppeln – von 350 auf mehr als 650 Roboter. Auch Marco Horn bestätigt: „Etwa jeder zweite Milchbauer, der zu uns zur Bauberatung kommt, zieht einen Melkroboter in Erwägung.“

Ob ein Melkroboter in seinen Stall passe, müsse jeder Milchproduzent schlicht selbst entscheiden. Marco Horn: „Beim AMS handelt es sich um ein System, das viele Vorteile, aber auch einige Risiken bietet.“ Als Hauptargument „pro Robotermelken“ werde oft das Thema „mehr Lebensqualität“ genannt. Auch Hannes und Michaela Greischberger aus Neumarkt am Wallersee haben mit genau dieser Begründung im Kuhstall auf die Automatisierung gesetzt. Die Greischbergers führen neben ihrem Milchviehbetrieb auch noch eine Schlosserei. „Letztlich sind wir vor der Entscheidung gestanden, ob es einen Weg gibt, die Arbeitsbelastung im Stall zu reduzieren oder mit der Milchproduktion aufzuhören.“

2016 wurde ein neuer Stall für 45 Milchkühe mit Melkroboter gebaut. Damit liegt der Betrieb zwar klar unter der gängigen Marke, dass ein Roboter erst mit rund 60 zu melkenden Kühen seine volle Auslastung erreichen würde. Auch die Milchleistung des Betriebes beträgt mit der eher extensiv geführten Herde nur rund 7.000 Kilogramm. Dass die Greischbergers von ihrem Milchabnehmer, der Käserei Woerle, dafür aber einen Bio- und Heumilchzuschlag erhalten, sichere die Wirtschaftlichkeit des Melksystems ab. „Außerdem darf man die Investition in den Melkroboter nicht allein rein finanziell betrachten“, meint Bäuerin Michaela. „Früher haben wir mit einer Rohrmel-kanlage gearbeitet, das Melken war anstrengend und dauerte immer zwei Stunden. Heute brauchen wir dafür nur mehr eine Dreiviertelstunde, ohne uns dabei zu verausgaben.“ Ohne den Roboter hätte man den Milchbetrieb im Flachgau nicht weitergeführt.

Dass die zunehmende Technisierung auch im Milchviehstall den Strukturwandel beschleunige, lässt der Österreich-Verkaufsdirektor von DeLaval, Hubert Seilinger, als Argument gegen den Milchroboter nicht gelten. Zwar sei unbestritten, dass erst die Automatisierung vieler Arbeitsschritte es ermöglicht habe, dass auch Familienbetriebe heute 60 und mehr Kühe halten. „Aber auch so mancher Nebenerwerbsbauer werde vom Melkroboter so sehr entlasten, dass er auch in Zukunft Milchwirtschaft betreiben kann.“ Statt wie früher morgens und abends stundenlang im Melk­stand zu stehen, könnten sich viele Bauern nun Zeit für andere Betriebszweige – oder einen Nebenerwerb – freischaufeln. Wir groß die konkrete Zeit­ersparnis dank AMS tatsächlich ist? „Schwer zu sagen“, räumt Seilinger ein. Wer mit einem Doppel-Dreier fünfzig Kühe melkt, stehe lange im Stall. Hier sei das Ersparnis-potential groß. Bei einem Doppel-Fünfer sei der Unterschied aber nicht mehr so gewaltig. „Allerdings kommt ein solcher betreffend der Anschaffungskosten nicht viel günstiger, wenn man berücksichtigt, dass der Platzbedarf wesentlich größer ist.“

Diese Einschätzung teilt auch der LK-Fachmann: Allerdings müsse ein Melkroboter nicht automatisch weniger Be-lastung bringen. Marco Horn: „Natürlich klingt es verlockend, dass man mit einem Melkroboter flexibler wird. Aber man muss auch ständig ‚standby‘, also abrufbereit sein, weil auch Fehler auftreten können, wenn den ganzen Tag über gemolken wird.“ Nicht nur für Nebenerwerbsbauern heißt es dann: Entweder ist jemand am Hof, der rasch die Störung beheben kann. Oder der Melkroboter steht bis zum Abend still. Oder sein Besitzer verlässt so rasch wie möglich seine aktuelle Beschäftigung oder gar seinen Arbeitsplatz, um sich um den Roboter zu kümmern. „Nicht wenige Milchbauern ziehen es daher weiterhin vor, in der Früh und am Abend zu melken, verbunden mit dem guten Gefühl, dass im Stall bis zum nächsten Mal alles erledigt ist“, weiß Horn.

Von „Robotergegnern“ oft auch ins Treffen geführt wird die fehlende Beziehung zu den Tieren. Diese komme ab-handen, weil die Kühe beim selber Melken zugleich zwei Mal täglich vom Besitzer kontrolliert werden. „Wer sich mit einem Melkroboter einen Kuhstall erhofft, in den er kaum noch hineingehen muss, erleidet sicher Schiffbruch“, prophezeit auch Hannes Greischberger. Trotz AMS sei es erforderlich, sich mit seinem Vieh zu beschäfti-gen, um rechtzeitig reagieren zu können. „Die vielen Daten, die der Melkroboter erhebt, können dabei gezielt ausgewertet auch eine große Hilfe sein.“ Letztlich sei es aber der Milchbauer, der den Unterschied macht. Und Unternehmen wie DeLaval wollen nicht nur Maschinen, sondern Gesamtkonzepte verkaufen, so Hubert Seilinger: „Wir unterstützen unsere Kunden beim Herdenmanagement und sind auch nach der Inbetriebnahme immer wie-der am Hof, um Verbesserungen aufzuzeigen.“

Rasch zerstreut haben sich Greischbergers ursprüngliche Befürchtungen, ob denn die Euter seiner Kühe auch rein maschinell gesteuert ganz ausgemolken werden und generell am Ende auch die Milchqualität weiterhin passe. „Mit der Zellzahl sind wir sogar um 100.000 auf unter 60.000 heruntergekommen“, erzählt der Milchbauer. Auch Horn kennt ähnliche Beispiele. Aber auch Fälle, wo die Milchqualität mit dem AMS aus dem Ruder gelaufen ist. „Voraussetzung für eine erfolgreiche Umstellung ist eine eutergesunde Herde. Andernfalls werden die Probleme mit einem automatischen Melksystem nicht besser.“ Unterschiedliche Auswirkungen kennt Horn auch hinsichtlich der Milchmenge. „Bei vielen Betrieben kam es zu einem leichten Anstieg der Milchleistung.“ Aber das hänge „vom gesamten Herdenmanagement und nicht allein vom Melksystem alleine“ ab.

STEFAN NIMMERVOLL

 

Nicht für jede Milchproduktionssparte ist der Melkroboter ein Fortschritt. Für die Erzeugung von Hartkäse etwa sei das AMS nicht geeignet, meint der Milchbauernberater Othmar Bereuter von der LK Vorarlberg. „Aufgrund der kurzen Melkintervalle entstehen beim Robotermelken freie Fettsäuren, die für einen ranzigen Geschmack im Bergkäse sorgen können. Das Produkt kann man dann nicht einmal mehr für Schmelzkäse verwenden.“ Deshalb sei in Vorarlberg automatisches Melken auf Heumilchbetrieben nicht erlaubt.

Auch einige andere kleinere Käsereien in Österreich lehnen den Melkroboter zur Gewinnung ihrer Rohmilch ab. Zwar könnte man die Maschinen durchaus so programmieren, dass jede Kuh nur zwei Mal täglich gemolken wird. „Aber wir können nicht überall hinterherlaufen und das auf jedem Betrieb kontrollieren“, sagt Bereuter. Und chargenspezifische Analysen der Fettsäuren seien zu teuer. Typische Vorarlberger Milchbetriebe seien vom AMS-Verbot ohnehin praktisch nicht betroffen, „da sich diese Technik in den gängigen Betriebsgrößen ohnehin kaum auszahlt“, so die Meinung des LK-Beraters. Dass im Ländle auch Futtermisch­wagen für Heumilchbetriebe verboten sind, weil in diesen das angefeuchtete Futter zu gären beginnen könnte, treffe einige Bauern viel härter. Mit gleicher Argumentation lehnen übrigens auch die Schweizer Erzeuger von Gruyère oder Walliser Käse den Melkroboter ab.

Wenig geschätzt wird die von Robotern ermolkene Milch in Österreich auch vom Lebensmitteldiskonter Hofer, konkret für dessen Biomilchmarke „Zurück zum Ursprung“. Begründung: „Betriebe mit Melkrobotern haben häufig Probleme damit, ihren Tieren Weidegang zu gewähren. Industrialisierte Betriebe, bei denen die Milchproduktion ausschließlich im Stall passiert, sind bei ‚Zurück zum Ursprung‘ aber nicht zugelassen“, heißt es in einem Statement von Hofer auf Anfrage von rinderprofi. Man kontrolliere die Höfe, ob trotz etwaigen Einsatzes eines Melk­roboters die strengen Projektkriterien erfüllt seien. „Können wir das mit Ja beantworten, akzeptieren wir den Melkroboter als moderne Melkmethode, die auf das Tierwohl keinen negativen Einfluss haben muss“, heißt es bei Hofer. Ohnehin liege die Zahl der ZzU-Betriebe mit Melk­roboter im Promille­bereich, weil man für diese Milchmarke ausschließlich mit Bergbauern zusammenarbeite.